Seit meinem Dienstbeginn bei der Freien Presse in Chemnitz habe ich mich auf diesen Tag gefreut und auch beruflich darauf hin gearbeitet, Nun war es soweit. Am Sonnabend, 18. januar 2025, beginnt ofiziell das Kulturhauptstadt-Jahr für Chemnitz. Ich selbst war von um 10 vormittags nach um 8 abends im Dienst und fast die ganze Zeit unterwegs. Zeit für ein Fazit.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Tag der Eröffnung war ein großer Erfolg. Wenn ich Kritik an Details äußere, will ich auf keinen Fall zu dem widerlichen Volk gehören, das vor allem in der größten lokalen Facebook-Gruppe namens „Chemnitz live“ ein Sammelbecken und einen Resonanzraum hat.
Da meine Blogbeiträge spärlich geworden sind, ist es wirklich ein Zufall, dass sich der vorige Artikel und der jetzige unmittelbar aufeinander beziehen. Im April hatte ich Urlaub in Thüringen, jetzt in Kroatien. Zeit, endlich mal wieder ein Buch zu lesen. Diesmal habe ich mir „Hey Guten Morgen, wie geht es dir?“ von Martina Hefter eingepackt.
Den Roman als Ergänzung zu Jan Kuhlbrodts Krüppelpassion zu bezeichnen, wäre voll daneben. Es ist die andere Seite der Geschichte, die Gegendarstellung. Moment mal, Gegendarstellung? Das klingt so nach Widerruf, Fehlerkorrektur. Stimmt also nicht. Das Buch hätte auch eher erscheinen können als Krüppelpassion, wäre dann die Vorlage zur Erwiderung. Noch so ein falsches Wort.
Vielleicht sollte ich mir auch im Angesicht der Begrenztheit meines Lebens keine langen Texte mehr vornehmen, und ich sollte auch keine dicken Bücher mehr kaufen, denn ich lese sie ohnehin nicht bis zum Ende. Und ob ein Text zum Ende kommt, ist nicht ausgemacht.
Das Zitat stammt aus dem Buch Krüppelpassion von Jan Kuhlbrodt, seinem jüngsten und ich hoffe nicht letztem. Ich habe es im Urlaub in Thüringen gelesen, der nun schon wieder seit drei Tagen zu Ende ist. Wir sind gewandert, bis zu fünf Stunden. Bisschen anstrengend für mich unsportlichen Typen. Jan aber kann keine fünf Schritte mehr gehen.
Man kann sicherlich am Prozess der
Kulturhauptstadt Chemnitz vieles kritisieren. Man kann auch sagen:
Interessiert mich nicht. Dann gibt es aber Leute, die sehr
kulturbeflissen sind, auch vielfältig involviert, die aber gern
alles infrage stellen und mit masochistischer Lust an einem Scheitern
arbeiten.
Ein Post vom Lars Fassmann, vorige Woche auf Facebook veröffentlicht, ist ein herausragendes Beispiel dafür. Thema sind die Mikroprojekte. Das Programm ist schon 2019, also in der Bewerbungsphase, angelaufen. Gerade wurden die Entscheidungen für die 13. Runde bekanntgegeben. Anlass für Fassmann, das Ganze in Frage zu stellen.
Anfang Juli vorigen Jahres habe ich in der Freien Presse einen Artikel über die Freundschaft des Chemnitzer Gastronomen Uwe Dziuballa mit dem rechten Schmierenkomödianten Uwe Steimle, enger Freund von Susanne Dagen, geschrieben. Ein Kollege wollte mir das schon vorab verbieten, weil ich als Deutscher keinen Juden kritisieren dürfe. Als der Artikel dann trotzdem erschien, beschuldigte er mich der Verschwörungsmethoden á la Erich von Däniken. Zum Glück ist er in einer anderen Teilredaktion tätig, ich habe kaum mit ihm zu tun und will das auch nicht mehr.
Tatsächlich bin ich der Meinung, dass man Haltungen thematisieren muss, die aus der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ kommen. So wie Dziuballa, der sich gern als das Aushängeschild jüdischen Lebens in Chemnitz inszeniert. Ob er wirklich Jude ist, spielt hier keine Rolle. Jedenfalls bietet dieser biedere Bürger einem rechten Propagandisten die Bühne.
Es ist verdammt ruhig geworden in diesem Blog. Das hat einen simplen Grund. Ich bin müde. Immer. Fast immer. Nichts medizinisches. Glaube ich jedenfalls. Auch nicht Long Covid, da ich nie infiziert war, jedenfalls nicht nachgewiesen.
Aber 40 Stunden Arbeit in Chemnitz, das Pendeln mit dem vorsintflutlichen RE 6 der mitteldeutschen Regiobahn, häusliche Verpflichtungen, ein Nebenjob, der zum Glück seinem Ende entgegen geht.
Im September hatte ich zwei Wochen Urlaub, geplant als Reise so wie in den letzten Jahren in der Nachsaison. Vier Stunden durch die Dübener Heide latschen war diesmal der Höhepunkt. Zwei Mal mit dem Rad zum Cospudener See, ansonsten zu Hause rumhängen. Das wars.
Alle reden über Künstliche Intelligenz. Ich bin da etwas hinterher. Nun habe ich mich endlich mal zur Weiterbildung durchgerungen. Wegen des einfachen Zuganges versuche ich es mit Google Bard und stelle die Frage, wie es um die Vorbereitung von Chemnitz für die Kulturhauptstadt 2025 steht. Erste Antwort:
Das mit der lila Skulptur, die sich durch Chemnitz zieht, gefällt mir richtig gut. Und Stefan Schmidtke, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt GmbH, wird sich freuen, dass seine 100 Mitarbeiter 100 Millionen Euro verbraten dürfen. Nächster Versuch:
Dass die Themen nicht ganz korrekt sind, aber politisch korrekt klingen, ist nicht so schlimm. Warum die Stadtverwaltung den Medien aber verschweigt, dass ein Museum für Stadtgeschichte gebaut wird sowie ein Kinder- und Jugendzentrum, finde ich skandalös. Das mit den Neubaumaßnahmen wird immer besser:
Vielleicht stelle ich doch mal eine einfachere Frage, nämlich die nach den Chemnitzer Sehenswürdigkeiten:
Ja gut. Dafür, dass der „Nischel“ auf 1926 datiert wird, ist das nur geringfügig daneben geraten. Also probier ich es mal mit dem berühmten ChatGPT, wieder mit der Frage nach der Kulturhauptstadt:
Wenigstens eine ehrliche Antwort. Zumindest bin ich mir nun sicher, dass ich in den wenigen verbleibenden Berufsjahren als Journalist noch nicht durch einen Bot ersetzt werde. Da kann ich jetzt beruhigt schlafen gehen.
Es mag nicht allzu viele gründliche Leser des Bidbook II, also der Chemnitzer Bewerbungsschrift für den Kulturhauptstadttitel, geben.
Wer sich doch an die Lektüre des rund 170 Seiten schweren Werkes wagt, dem werden bei verschiedenen Passagen Fragezeichen in den Augen erscheinen. An einer Stelle, auf Seite 11 der deutschen Version, sind sie aber besonders groß: „Die ‚stille Mitte’ nimmt die Radikalisierung der Klassenkameraden ihrer Kinder, ihrer Familien, Nachbarn und Bekannten wahr, ohne bisher selbst Position zu beziehen und fühlt sich verloren und machtlos. Andere Meinungen, selbst wenn wir ihnen nicht zustimmen, gehen jedoch uns alle an, weil sich Frust, Misstrauen und Einsamkeit auf eine Art und Weise zeigen, die den Werten einer demokratischen Gesellschaft entgegenstehen: Abwertung anderer, Hassreden und sogar Gewalt. Auch diese Phänomene sind Teil des heutigen Europas.“
Eine Kritik der „Kritik der Mitte“ von Tobias Prüwer
Ich kenne Tobias Prüwer vor allem als
Journalisten und zeitweiligen Chefredakteur des Leipziger
Stadtmagazins Kreuzer, aber auch durch seine ziemlich intensiven
Aktivitäten auf Social Media-Kanälen. Bei einer schon im Titel so
bezeichneten Kritik der Mitte musste ich auch dieser Kenntnis heraus
annehmen, dass ein Lob der Ränder oder zumindest eines Randes
eingeschlossen ist. Das passiert nicht, soviel kann ich vorab sagen.
Gleich zu Beginn sagt er bezüglich der Mitte: „Sie lässt sich erst durch die Nichtmitten, ihre Position zwischen Extremen okalisieren. Diese Negativdefinition ist ein Merkmal der Mitte. (S. 14). Dennoch nähert er sich dem Begriff von verschiedenen Seiten – historisch, geografisch, geometrisch. Die Exkurse sind umfangreich, dabei auch unterhaltsam. Wichtig ist die Bemerkung zur „Geburt der Gegenwart“ im 17. Jahrhundert, als das Bewusstsein für historische Prozesse zu einer Empfindsamkeit für die Mitte zwischen Vergangenem und Künftigen führte. Von hier an machte man Zukunftspläne, man wurde nicht mehr vom dräuenden Kommenden erstickt, sondern fühlte eine Freiheit im Entwerfen. (S. 26)