Man kann sicherlich am Prozess der
Kulturhauptstadt Chemnitz vieles kritisieren. Man kann auch sagen:
Interessiert mich nicht. Dann gibt es aber Leute, die sehr
kulturbeflissen sind, auch vielfältig involviert, die aber gern
alles infrage stellen und mit masochistischer Lust an einem Scheitern
arbeiten.
Ein Post vom Lars Fassmann, vorige Woche auf Facebook veröffentlicht, ist ein herausragendes Beispiel dafür. Thema sind die Mikroprojekte. Das Programm ist schon 2019, also in der Bewerbungsphase, angelaufen. Gerade wurden die Entscheidungen für die 13. Runde bekanntgegeben. Anlass für Fassmann, das Ganze in Frage zu stellen.
Anfang Juli vorigen Jahres habe ich in der Freien Presse einen Artikel über die Freundschaft des Chemnitzer Gastronomen Uwe Dziuballa mit dem rechten Schmierenkomödianten Uwe Steimle, enger Freund von Susanne Dagen, geschrieben. Ein Kollege wollte mir das schon vorab verbieten, weil ich als Deutscher keinen Juden kritisieren dürfe. Als der Artikel dann trotzdem erschien, beschuldigte er mich der Verschwörungsmethoden á la Erich von Däniken. Zum Glück ist er in einer anderen Teilredaktion tätig, ich habe kaum mit ihm zu tun und will das auch nicht mehr.
Tatsächlich bin ich der Meinung, dass man Haltungen thematisieren muss, die aus der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ kommen. So wie Dziuballa, der sich gern als das Aushängeschild jüdischen Lebens in Chemnitz inszeniert. Ob er wirklich Jude ist, spielt hier keine Rolle. Jedenfalls bietet dieser biedere Bürger einem rechten Propagandisten die Bühne.
Es ist verdammt ruhig geworden in diesem Blog. Das hat einen simplen Grund. Ich bin müde. Immer. Fast immer. Nichts medizinisches. Glaube ich jedenfalls. Auch nicht Long Covid, da ich nie infiziert war, jedenfalls nicht nachgewiesen.
Aber 40 Stunden Arbeit in Chemnitz, das Pendeln mit dem vorsintflutlichen RE 6 der mitteldeutschen Regiobahn, häusliche Verpflichtungen, ein Nebenjob, der zum Glück seinem Ende entgegen geht.
Im September hatte ich zwei Wochen Urlaub, geplant als Reise so wie in den letzten Jahren in der Nachsaison. Vier Stunden durch die Dübener Heide latschen war diesmal der Höhepunkt. Zwei Mal mit dem Rad zum Cospudener See, ansonsten zu Hause rumhängen. Das wars.
Alle reden über Künstliche Intelligenz. Ich bin da etwas hinterher. Nun habe ich mich endlich mal zur Weiterbildung durchgerungen. Wegen des einfachen Zuganges versuche ich es mit Google Bard und stelle die Frage, wie es um die Vorbereitung von Chemnitz für die Kulturhauptstadt 2025 steht. Erste Antwort:
Das mit der lila Skulptur, die sich durch Chemnitz zieht, gefällt mir richtig gut. Und Stefan Schmidtke, Geschäftsführer der Kulturhauptstadt GmbH, wird sich freuen, dass seine 100 Mitarbeiter 100 Millionen Euro verbraten dürfen. Nächster Versuch:
Dass die Themen nicht ganz korrekt sind, aber politisch korrekt klingen, ist nicht so schlimm. Warum die Stadtverwaltung den Medien aber verschweigt, dass ein Museum für Stadtgeschichte gebaut wird sowie ein Kinder- und Jugendzentrum, finde ich skandalös. Das mit den Neubaumaßnahmen wird immer besser:
Vielleicht stelle ich doch mal eine einfachere Frage, nämlich die nach den Chemnitzer Sehenswürdigkeiten:
Ja gut. Dafür, dass der „Nischel“ auf 1926 datiert wird, ist das nur geringfügig daneben geraten. Also probier ich es mal mit dem berühmten ChatGPT, wieder mit der Frage nach der Kulturhauptstadt:
Wenigstens eine ehrliche Antwort. Zumindest bin ich mir nun sicher, dass ich in den wenigen verbleibenden Berufsjahren als Journalist noch nicht durch einen Bot ersetzt werde. Da kann ich jetzt beruhigt schlafen gehen.
Es mag nicht allzu viele gründliche Leser des Bidbook II, also der Chemnitzer Bewerbungsschrift für den Kulturhauptstadttitel, geben.
Wer sich doch an die Lektüre des rund 170 Seiten schweren Werkes wagt, dem werden bei verschiedenen Passagen Fragezeichen in den Augen erscheinen. An einer Stelle, auf Seite 11 der deutschen Version, sind sie aber besonders groß: „Die ‚stille Mitte’ nimmt die Radikalisierung der Klassenkameraden ihrer Kinder, ihrer Familien, Nachbarn und Bekannten wahr, ohne bisher selbst Position zu beziehen und fühlt sich verloren und machtlos. Andere Meinungen, selbst wenn wir ihnen nicht zustimmen, gehen jedoch uns alle an, weil sich Frust, Misstrauen und Einsamkeit auf eine Art und Weise zeigen, die den Werten einer demokratischen Gesellschaft entgegenstehen: Abwertung anderer, Hassreden und sogar Gewalt. Auch diese Phänomene sind Teil des heutigen Europas.“
Eine Kritik der „Kritik der Mitte“ von Tobias Prüwer
Ich kenne Tobias Prüwer vor allem als
Journalisten und zeitweiligen Chefredakteur des Leipziger
Stadtmagazins Kreuzer, aber auch durch seine ziemlich intensiven
Aktivitäten auf Social Media-Kanälen. Bei einer schon im Titel so
bezeichneten Kritik der Mitte musste ich auch dieser Kenntnis heraus
annehmen, dass ein Lob der Ränder oder zumindest eines Randes
eingeschlossen ist. Das passiert nicht, soviel kann ich vorab sagen.
Gleich zu Beginn sagt er bezüglich der Mitte: „Sie lässt sich erst durch die Nichtmitten, ihre Position zwischen Extremen okalisieren. Diese Negativdefinition ist ein Merkmal der Mitte. (S. 14). Dennoch nähert er sich dem Begriff von verschiedenen Seiten – historisch, geografisch, geometrisch. Die Exkurse sind umfangreich, dabei auch unterhaltsam. Wichtig ist die Bemerkung zur „Geburt der Gegenwart“ im 17. Jahrhundert, als das Bewusstsein für historische Prozesse zu einer Empfindsamkeit für die Mitte zwischen Vergangenem und Künftigen führte. Von hier an machte man Zukunftspläne, man wurde nicht mehr vom dräuenden Kommenden erstickt, sondern fühlte eine Freiheit im Entwerfen. (S. 26)
Der Urlaub war nicht durchgeplant. Erst mal ein Aufenthalt in Slowenien. Da es schon während er ersten Woche zwei Tage heftig geregnet hatte, und die Prognose für die nächste Woche auch nicht so gut aussah, entschieden wir uns zur Weiterreise nach Italien. Eigentlich hatten wir ab dem 11. September in Chioggia gebucht. Am nächsten Tag kam eine Mail, dass erst ab dem 12. frei ist. Darum haben wir einen Zwischenstopp gesucht und dabei Gorizia gewählt, ein nicht all zu tolles Appartement gebucht.
Im vorigen Jahr hatte ich Sendi Mango von der Künstlergruppe Bridaaus Nova Goca zwar nicht persönlich kennengelernt, aber einen Artikel über ihren Aufenthalt in Chemnitz für die FP geschrieben, der gut ankam. Wie Chemnitz ist die Stadt 2025 ECoC, also European Capital of Culture. Als ich auf Facebook postete, dass wir in Slowenien sind, kam von Sendi gleich eine Einladung zum Kaffee. Ich schrieb ihr, dass wir zum Zwischenstopp in Gorizia sind. Wir sollen doch bei ihnen kurz vorbeikommen. Das heißt, in Sempas, einem Dorf etwa zehn Kilometer östlich von Nova Gorica. Mit etwas Mühe fanden wir das Anwesen. Ein sehr schönes Haus, dass Jurij, Sendis Mann, geerbt hat. Eltern und Schwester leben nebenan in einem Neubau. In dem Haus bringen sie auch Künstler bei Residenzen unter, vermieten zwischendurch über AirBnb. Nach dem Begrüßungskaffee entschieden wir uns zum Mittagessen in der Dorfkneipe namens Olga. So heißt die Großmutter des heutigen Betreibers. Es gab regionale Küche. Bei (meiner) Olga Forelle, bei mir gefülltes Schnitzel nach Ljubljanaer Art. Gut und preiswert.
Dieser 24. Februar begann dramatisch. Ich war in Berlin, um meine Enkelin zu betreuen. Es war ein Donnerstag. Buchtag in der Kita. Am Abend hatten wir schon das Buch ausgesucht, das sie beim morgendlichen Gesprächskreis vorstellen möchte, und im Korridor bereit gelegt. Dort lag es auch noch, als wir uns der Kita näherten und ich die Fehlstelle bemerkte. Mea culpa. Als ich es Nala gestand, war sie verzweifelt. „Kein Buch! Nein, ich gehe nicht in die Kita!“ Musste sie aber, meine Rückfahrt nach Leipzig ließ sich nicht verschieben.
Auf der Fahrt zum Hauptbahnhof hatte ich endlich Zeit, in die Nachrichten zu schauen. Russland hat die Ukraine überfallen, ist von drei Seiten einmarschiert. Horror.
Auf der Suche nach einem Buch fielen mir vor Kurzem mehrere Bände über Grafidesign in den 1990er Jahren in die Hände: Neville Brody, David Carson, Why not? Beim Blättern kommen nostalgische Gefühle auf. Diese fröhliche Anarchie. Dieses postmoderne „Anything goes“, das sich in der Architektur zu dieser Zeit schon überlebt hatte. Die Möglichkeiten früher Bildbearbeitungs-, Grafik- und Satzprogramme wurden bis an die Grenzen getrieben. Gesetze von Gestaltung und Typografie galten nicht mehr, bis hin zur Unlesbarkeit.
Von der Zeitschrift „Lowdown“ habe ich etliche Exemplare trotz prekärer finanzieller Situation gekauft und immer noch im Regal stehen, obwohl mich die Kernthemen Hip Hop und Skaten gar nicht interessieren. Allein die Frechheit des Layouts hat mich fasziniert.