Wortreich geht der Chemnitzer Journalist und Galerist Uwe Kreissig auf meinen Facebook-Post ein. Ich hatte ihn dazu beglückwünscht, direkt neben Marc Jongen, dem Thymos-Philosophen der AfD, in der Like-Liste zu einem Beitrag des Leipziger Malers Axel Krause zu erscheinen, der sich nebenberuflich vor allem als Propagandist dieser rechtsradikalen Partei hervortut.
Kreissigs Rhetorik ist geschickt, geht aber am Thema voll vorbei. Man dürfe doch auch noch Wagner hören, obwohl er Antisemit war. Und Marx lesen. Die sagenhaft unbedarfte Bemerkung aber, Marx habe den Klassenkampf erfunden, zeigt dann, dass Kreissig ihn garantiert nicht gelesen hat. Im Unterschied zu Houellebecq, der nach meiner Logik ja AfD-nah sein müsste. Tatsächlich wird der Autor gern von Rechten vereinnahmt, engagiert sich aber nicht selbst politisch. Im Unterschied zu Krause, der fast täglich irgendwelche AfD-Positionen verbreitet.
Sowieso muss man zwischen lebenden und toten Personen unterscheiden. Wagner oder Marx kann man mögen oder kritisieren, sie sind aber nicht mehr selbst aktiv. Der Vergleich zu heutigen Propagandisten geht ins Leere.
Man müsse zwischen Persönlichkeit und Werk unterscheiden. Das höre ich in letzter Zeit häufig. Muss man das wirklich? Wenn das Werk so unpolitisch daherkommt wie bei Krause, mag das auch leicht fallen. Zu seinen Bildern habe ich mich auch nie irgendwo geäußert. Aber zu seiner politischen Einstellung. Das hat gute Gründe. Die AfD ist eine rassistische, nationalistische Partei, die das Hitler-Regime verharmlost und einen autoritären, undemokratischen Staat anstrebt. Da sie speziell in Sachsen zu einer starken politischen Kraft geworden ist, kann man sie nicht einfach ignorieren, sondern muss sich aktiv mit ihr auseinandersetzen. Viele meiner realen Freunde und FB-Kontakte, die garantiert nicht rechts eingestellt sind, tun das nicht. Aus Bequemlichkeit oder Feigheit. Das nervt mich. Im Herbst kann in Sachsen eine schwarzbraune Koalition an die Macht kommen. Da Bildung und Kultur Ländersache sind, werden viele Intellektuelle die Auswirkungen zu spüren bekommen. Das Schweigen ist selbstmörderisch. Aber auch für die Apologeten der AfD-Politik ist die Karriere nicht sicher. Autokraten lieben die kleinen Mitläufer nur so lange, wie sie nützliche Idioten sind.
Da hilft dann nur, einen Schritt weiter zu gehen. So wie einst der Maler und Grafiker Richard Müller, der nicht nur überzeugter NSDAP-Anhänger war, sondern auch die erste Schau „Entartete Kunst“ in Dresden organisierte, um Kollegen anzuprangern.
Ich kenne die Zeit der ideologischen Kunstbewertung aus den 80ern noch sehr gut – und Sie auch. Und was soll daran gut und richtig sein? fragt Kreissig. Nichts, darum bewerte ich Krauses Bilder auch nicht, nur seine politischen Ergüsse. Das ist im Grunde kunstfeindlich und führt zum kritiklosen Lob jener Protagonisten, die „auf Linie“ sind. Ach so. Worin besteht denn „die Linie“? Wenn das die Politik der Bundesregierung ist, heißt die Linie ungebremster Neoliberalismus, Neokolonialismus, Rüstungsexport und militärischer Interventionismus. Welchen Künstler, der das propagiert (mir fallen spontan gar keine Namen ein) habe ich jemals gelobt? Das Denkmuster, dass jeder, der Rechtsradikale angreift, ein Mainstream-Lakai des herrschenden System sei, verdeutlicht drastisch, wie tief sich Uwe Kreissig schon die Klischees der Rechten angeeignet hat. Es gibt die breite folgsame Masse der „Linie“, und es gibt die mutigen Rebellen á la Krause.
Muss man sich nun wirklich mit den häufig ausgesprochen dummen Positionen der AfD beschäftigen, oder kann man sie einfach so stehen lassen und an seiner eigenen Sache weiterarbeiten? Seit mindestens 15 Jahren setze ich mich mit dem Rechtsextremismus auseinander, speziell den sogenannten Neuen Rechten. Als diese sich vor langer Zeit ausgerechnet den Begriff der „kulturellen Hegemonie“ des Marxisten Gramsci aneigneten, hab ich gelächelt. Mein Irrtum. Heute haben sie diese zumindest in den digitalen Medien annähernd erreicht. Nicht nur in ihren eigenen, gut besuchten Seiten. Die Kommentarspalten diverser Zeitungen quellen über vor rechter Hetze. Nur ein winziges Beispiel. Gestern schrieb die LVZ über das scheinbar unpolitische Thema, dass das Jugendparlament Leipzigs ein Fahrrad-Parkhaus am Hauptbahnhof fordert. Das reicht schon, dass dutzende Hut- und Wutbürger ihren Hass auskotzen. Widerspruch? Muss man lange suchen. Das Feld wird den Hetzern widerstandslos überlassen.
Houellebecq sei wie jeder gute Autor mindestens fünf bis zehn Jahre voraus. Man muss gar nicht unbedingt Schriftsteller lesen, sondern einfach die Schriften der Rechten, um Zukunftsvisionen zu sehen. Die Eroberung der kulturellen Hegemonie habe ich vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten. Heute schreiben sie über die Machtübernahme. Wenn die nicht per Wahlen möglich sei, dass eben durch einen Bürgerkrieg. Und dass danach ihre politischen Gegner, zu denen ich mich eindeutig zähle, nicht nur geächtet werden, sondern physisch vernichtet, wird mehrfach klar gemacht. Dazu schweigen? Wer die Klappe hält, macht sich mitschuldig, so wie vor und nach 1933 die große Mehrheit der Deutschen.
Er hätte sein „Like“ doch nur einem handwerklich gut gemachten Bild gegeben, schreibt Kreissig. Das ist eindeutig falsch. Er hat Krauses Opferlegende geliked. In Leipzig gesellschaftlich ausgegrenzt, hat dieser in Frankfurt eine neue Galerie gefunden. Diese Ausgrenzung, die in Wahrheit nur aus der Kündigung eines Vertretungsvertrages durch eine renommierte Galerie besteht, rückt Kreissig schon in seinem ersten Kommentar zu meinem Post in die Nähe von Stasi-Methoden. Zum Mitschreiben: Weder ein Axel Krause, noch ein Uwe Tellkamp, ein Werner Patzelt oder ein Tilo Sarrazin sind in ihrer sozialen Existenz bedroht, sie haben kein Berufsverbot, kein Redeverbot, werden in ihrer Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt. Aber man darf ihnen widersprechen. Und muss es tun, nach meiner Meinung. Was genau hat das jetzt mit Stasi zu tun, Herr Kreissig? Die Saat geht aber auf. „Nicht zu fassen. Die Stasi hätte ihre Freude an solch beflissenen Gesinnungswächtern.“ schreibt eine Beatrice Bieger zu seinem Artikel. Mir wird zu Recht vorgeworfen, mich häufig nicht sehr diplomatisch zu äußern. Stimmt. So kann ich zu dieser BB auch nur sagen: Dämliche Kuh! Das ist die Klientel, die Sie erreichen wollen und tatsächlich erreichen, Herr Kreissig.
Ob wir denn nicht mal beim Du waren? Kann sein. Aber ich lasse mich von Rechtsradikalen und ihren Verharmlosern nicht duzen.
Hab den Post sehr gern gelesen! Stimme mit allem überein. Als wir vor zwanzig Jahren mit unserem Kunstverein begannen (mit 17 Stipendiaten der Villa Massimo) hat Kreissig für die Freie Presse ein paar schlimme Rezensionen verfasst, die man aus heutiger Sicht salopp als präfaschistisch bezeichnen könnte. Wir haben uns gewehrt und dann war lange Schluß für diesen Möchtegern-Journalisten bei der FP. Ein altgedienter Rechter.
Lieber Klaus Fischer, ich vermute, Sie hatten etwas geraucht oder zu viel getrunken (das nehme ich keinem über 40 übel). Vielleicht hatten sie das.
Aber zeigen Sie doch bitte die angeblichen „salopp präfaschistischen“ Texte aus meiner Hand, die ich damals in den 90ern für die „Freie Presse“ schrieb, ich, der „altgediente Rechte“ (ist das eigentlich schon justiziabel, ich werde mich als zahlender Inhaber einer Rechtsschutzversicherung vielleicht mal informieren, nehmen Sie das bitte sportlich) Ihren Lesern. Richtig ist, dass mir auch in Zwickau damals gern mal im schönen Museum an der Lessingstraße auf die Schulter geklopft wurde, wenn eine bestimmte, andere Einrichtung (die Blöden, irgendwo) oder die Ausstellung bestimmter Künstler (Altgestrige) in einer Rezension bei mir durchfiel. Denn da traf es „die Richtigen“, und das war natürlich nicht „präfaschistisch“. Niemals.
Richtig ist auch, dass 1998 oder 1999 ein Beschwerdeschreiben aus Zwickau in der „Freien Presse“ in Chemnitz ankam (ich möchte die Unterzeichner jetzt nicht nennen). Hauptkritikpunkt war wohl, wenn ich mich korrekt erinnere, die Rezension einer Ausstellung des Kunstfonds 1998 in den Kunstsammlungen Gera unter Ulrike Rüdiger, in der Ankäufe präsentiert wurden, darunter zahlreiche Objekte aus der damals enorm erfolgreichen „Konzeptkunst“. Darüber schrieb ich, und ich habe mich darüber an einigen Stellen lustig gemacht. Doch ich konnte den dort präsentierten Unsinn mit Leichtigkeit belegen.
Die Qualität einiger, dort gezeigter Arbeiten war nämlich außerordentlich schwach, vorsichtig ausgedrückt. Nicht wenige Künstler, die hohe Maßstäbe an die Qualität ihrer Arbeiten anlegten, fühlten sich in der zweiten Hälfte der 90er nur noch verarscht, weil man in der Folge des schier ungebremsten Booms der Konzeptkunst (große Namen von heute waren dabei), der durch die „documenta X“ ausgelöst wurde, mit gemalten Bildern, anspruchsvollen Graphiken und Zeichnungen oder souveränen Plastiken, denen ein Sinn und optische wie inhaltliche Qualität zugrunde lagen, nahezu für verrückt erklärt wurden. Diese Konzeptkunst à la „documenta X“ verschwand kurz nach 2000 so schnell wieder von der Kunst-Tagesordnung, wie sie gekommen war, und ausgerechnet jene Ausstellungsmacher und kommerziellen Galerien, die sie gepusht hatten, ließen sie ebenso schnell wieder fallen. Der folgende Boom gemalter Bilder und der „Neuen Leipziger Schule“ in Deutschland und weltweit hängt übrigens direkt mit dem Verfall der Konzeptkunst der Endneunziger zusammen. Die Leute wollten das nicht mehr sehen und die Käufer erst recht nicht mehr kaufen (das war wohl der Hauptgrund für das schnelle Ende), auch nicht mehr mit den angeklebten, geradezu lächerlichen Katalog-Erklärungstexten, aus denen man erfuhr, warum ein verzinkter Blecheimer mit eingebauten Minidisc-Player, den man sich über den Kopf stülpen sollte, die ganz große Sache ist, mit dem wir die Zukunft künstlerisch erleben.
Aus jenem Beschwerdebrief an die „Freie Presse“, mit dem Sie (ich glaube, Sie selbst hatten gar nicht unterschrieben) sich „wehrten“, folgte rein gar nichts (was mich wunderte, ich danke hier vor allem Ulrich Hammerschmidt) für diesen „Möchtegern-Journalisten“ wie mich (geht’s 30 Jahre nach der Wende noch überheblicher, Sie kleiner Wessi, denn ich kann tatsächlich „schreiben“), weil die darin aufgestellten Behauptungen nämlich gegenstandslos waren: Denn nichts von den Vorwürfen ließ sich in den beanstandeten Artikeln belegen. Sie waren einfach nur kritisch verfasst, nicht mehr und nicht weniger und sie waren erst recht nicht rechts oder gar „präfaschistisch“. Waren sie vielleicht gar links? Keine Ahnung. Wiederum andere Artikel von mir, die Ausstellungen in drei bestimmten Kultureinrichtungen in Zwickau und Gera völlig zurecht wohlwollend spiegelten, nahm man dagegen gern in den Leitungen an. Und viele Jahre später (2012) vermittelte mir Dr. Petra Lewey (ich dachte schon, die alten Differenzen sind absolut neutralisiert) freundlicherweise ein Interview mit Klaus Staeck (Anlass war die hervorragende Ausstellung Staecks im Städtischen Museum Zwickau), und ich führte dieses Interview tatsächlich bei Ihnen im Garten des Vereinshauses der „Freunde Aktueller Kunst“ in Zwickau, in dem die Postkarten Staecks ausgestellt waren, und auch Li Erben war da. Ich erinnere mich genau an dieses Gespräch, Staeck sprach in Hochform, ich werde es nie vergessen. Ja, so war es. Und ich habe sie alle noch, diese „präfaschistischen Texte“, wie ich vor kurzem im Keller zufällig feststellte, als ich einen Karton ausräumte. Ich lese sie, und es gefällt mir wieder – die Begegnungen mit wirklichen Persönlichkeiten und Kunst, die etwas taugt. Es war schön. Und irgendwie nicht präfaschistisch, was immer das ein soll (Faschismus-Theorien war eines meiner Spezialgebiete im Studium). Davon haben Sie vermutlich keine Ahnung. Denke ich.
Und es wäre auch eine großartige, moralisch absolut saubere Leistung von steuerfinanzierten Kulturmachern (was mich per se null stört, im Gegenteil, denn Profis sollen für ihre Arbeit anständig bezahlt werden, auch in der Kultur und Kunst und im Feuilleton und nicht nur im Radsport, in Hollywood oder in der ARD) gewesen, einem freien Journalisten, der damals, 1999, in einer 40-Stunden-7-Tage-Woche (zwischendurch mit Zeit für eine Erzgebirgsrunde Radtraining, das gebe ich zu) mit Abend- und Wochenendterminen knapp 1.200 DM für einen Monat Arbeit „verdiente“ (ohne Urlaubsanspruch und Krankengeld, das versteht sich, aber noch mit „Kilometergelderstattung“ fürs Auto), erfolgreich ein Berufsverbot auferlegt zu haben, weil er „falsch“ schrieb. Es wäre auch ein großartiges und vorzeitiges Signal für die Entwicklung der Meinungs- und Kunstfreiheit in Deutschland gewesen: Wer nicht so schreibt, wie „wir“ wollen, dem muss es eben unterbunden werden, wie auch immer. Er ist ja selbst schuld. Er muss ja nur anders schreiben. Er darf nur nicht die Wende verpassen, wenn der Wind sich dreht.
In Wirklichkeit ging ich bei der „Freien Presse“ nach durchaus schönen vier Jahren (was vor allem die angenehmen festangestellten Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt die Aufträge betraf) als „Freier“ im Frühjahr 2000, weil man mir trotz höflicher Anfrage nicht einmal eine minimale Aufstockung des bescheidenen Zeilenhonorars gewähren wollte und weil ich irgendwie fand, dass man als treuer, kompetenter Autor mit Uni-Eins-Abschluss, der wirklich, wirklich jeden Termin annahm, auch am 20. Dezember bei Tiefhochschnee in Annaberg-Buchholz, wo man sich den Lada Samara vor dem Winterstein-Theater von Premierenbesuchern anschieben ließ, vielleicht auch 1.700 DM im Monat verdienen könnte, vielleicht, irgendwie, irgendwo, irgendwann, vielleicht auch mit mehr Arbeit, „und, wie sieht es aus?“. Die Aussage des Verantwortlichen (es war nicht der Chefredakteur) lautete dann in etwa so: „Wir schätzen das sehr, was Sie machen, und zum Frühstück schaue ich immer zuerst nach, ob ein Text von Ihnen drin ist, denn den lese ich zuerst. Aber ich gehe davon aus, dass Sie weiter für uns schreiben, auch wenn wir das Honorar nicht erhöhen…“ Das war eine deutliche, unmissverständliche Ansage, denn in Chemnitz gab es damals keine anderen Jobs, in denen man über Kunst und Kultur schreiben konnte, und heute vielleicht auch nicht. Und dann schrieb ich aus Israel, wohin ich daraufhin frustriert als strammer Neonazi logischerweise reiste, in meinem Pilgerhospiz in Jerusalem oder in der Soldatinnen-Studentinnen-WG in Tel Aviv (obwohl ich von Geert Wilders noch nichts wusste) ein paar Bewerbungen. Es kommt mir so vor, als wäre es gestern.
Und dann nahm ich eine Stelle bei einem Unternehmen in München an (ganz ohne Ihr vorhergehendes Einwirken), bei der ich zum ersten und letzten Mal in meinem Leben extrem sehr gut bezahlt wurde und sich zudem niemand an meiner ostdeutschen Herkunft stieß. Das interessierte dort keinen. Als ich aus rein privaten, leider tragischen Gründen nach Chemnitz (was mich als Karl-Marx-Städter nicht so sehr störte) zurückgehen musste, eröffnete ich bald nur aus den Erlebnissen der Vergangenheit heraus (auch in Zwickau, ich erinnere eine herrliche, alkoholschwere, lustige, anspruchsvolle Vernissage von Frank Maibier 1996 im Haus an der Lessingstraße) eine kommerzielle Kunstgalerie an der Zwickauer Straße (auch das noch), die von eigenem Geld getragen wurde. Zu dieser Zeit begann leider schon der blöde Medien-Trend, Ausstellungen kommerzieller Galerien gar nicht mehr oder nur sehr kurz und vor allem kurz vor Schluss rezensieren. Ich hätte mich damals sogar über schlechte Rezensionen der Ausstellungen gefreut (die Künstler vermutlich weniger), nur damit überhaupt etwas in der Zeitung oder im Stadtmagazin steht. Und jetzt gab es eigentlich nur noch „Beschreibungsrezensionen“, in denen der Inhalt der „Sache“ aus der Presseinfo wiedergekaut wurde (kann man gut mit Strg C reinkopieren und muss nicht mehr denken und auch noch selbst tippen) und am Ende drei Zeilen Lob stehen, weil man es im Grunde sowieso nicht versteht, was da an der Wand hängt oder auf der Bühne läuft.
Was für ein Irrsinn herrscht hier inzwischen? Wir waren vor kurzem in Oberägypten in Gebieten (die Geheimdienstler am achten Checkpoint wollen einen da am liebsten gar nicht mit Mietwagen als Selbstfahrer reinlassen, weil sie die Strafe, wenn etwas mit den Fremden „passiert“, nämlich auch noch bekommen), wo die Menschen gar nichts haben, außer genug zu essen, aber 50 Kilometer weiter steht der allerschönste Tempel aus ptolemäischer Zeit mit Kleopatra und Cäsar und Cäsarion auf dem zweiten Pylon links, und dann denkt man anders über die Dinge des Lebens. Und über die aufgeblasenen Dinge, denen man im reichen Deutschland nachjagt, ohne noch eine Minute nachzudenken. Hauptsache, man denkt richtig.
Denn der Ausgangspunkt dieser mysteriösen wie eindimensionalen Angriffe (und dieses schönen Textes der Erinnerungen, ich danke Ihnen, Herr Fischer) war ein klitzekleiner „Facebook-Like“ für ein Bild von Axel Krause, das mir gefallen hat (weil es schön ist) und dass auf meiner Seite durch die automatisierte Facebook-Supersoftware eingespielt wurde. Ich bin Axel Krause nie (wissentlich) begegnet, sondern habe erst durch den „AfD-Skandal“ von ihm erfahren. Ist er okay, ist er ein Blödmann, ich weiß es nicht.
Auch zu dieser AfD-Sache kann ich nichts sagen, aber im Grunde ist es mir bei einem „Facebook-Like“ erst mal egal, ob er tatsächlich AfD wählt (Wer will das so genau wissen, wie die Leute am Ende wirklich wählen?). Und auch das könnte eine Demokratie wie hierzulande durchstehen. Sie hält interessanterweise auch ganz andere, völlig bekloppte Sachen aus, für die man in einigen Ländern dieses Planeten sofort in den Knast käme.
Ein banaler „Facebook-Like“ für ein schönes Bild ist vermutlich eine zeitgenössische Abwandlung der Meinungsfreiheit. Dass man dafür an den Facebook-Pranger mit Screen-Shot (von Jens Kassner, den ich in den 90ern geschätzt habe, auch wenn er schlecht gekleidet war und meistens schlechte Laune hatte, aber auch er schrieb kritisch für vermutlich sehr wenig Geld über Ausstellungen in Chemnitz und so mancher Künstler der einst berühmten Galerie Oben regte sich schwer darüber auf, nicht weil er falsch, sondern weil er kritisch schrieb) gestellt wird, muss man wohl inzwischen hinnehmen, auch wenn es völlig bescheuert ist. Das, was Sie, sehr geehrter Klaus Fischer, geschrieben haben, ist allerdings eine Stufe höher oder zwei oder drei. Aber ich vermute, Sie hatten etwas geraucht oder zu viel getrunken. Und das nehme ich keinem über 40 mehr übel. Ich weiß, wie das ist.