Der Chefredakteur der Freien Presse als Veranstalter war selbst etwas überrascht, dass der Saal im Chemnitzer Industriemuseum gut gefüllt war, etwa 300 Leute waren zur Dikussion über „Chemnitzer Perspektiven“ gekommen. Wer vorab meinte, Klaus-Gregor Eichhorn, der schon zuvor einen Essay zum Thema veröffentlicht hatte, sei als Quotenrebell ins Posium geladen wurden, irrte. Der Rebellenrolle wurde er gerecht, doch auch andere Diskutanten gaben der Oberbürgermeisterin heftig Paroli, die da meinte, ihre Stadt sei auf dem besten Wege, wieder zu der Industriestadt zu werden, die sie einst war. Sogar Micaela Schönherr, Geschäftsführerin eines großen Maschinenbauunternehmens meinte, dass sich eine Stadt Sachen leisten muss, die kurzfristig scheinbar ineffektiv sind, aber strategisch notwendig. Dazu gehört eben das Experimentelle Karree, das die GGG mit Duldung von Verwaltung und Stadtratsfraktionen platt macht. Und Christian von Borczyskowski, früherer Rektor der TU empfahl schließlich sogar illegale Hausbesetzungen, wenn nichts anderes mehr hilft.
Eigentlich müssten bei Barbara Ludwig die Alarmglocken anschlagen, wenn dann in der offenen Diskussion einer der wenigen jüngeren Künstler von Chemnitz, Erik Neukirchner, sagte, dass die Hoffnung, die Intellektuelle bei ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin hatten, lange verflogen sind und er überlegt, nun auch wegzuziehen. Aber sie verteidigt weiter den Kurs, dass es vor allem auf wirtschaftliche Prosperität und neue Bauten in der City ankäme. Unzufriedene Nonkonformisten kann man da als Kollateralschaden betrachten.
Eichhorn brachte es auf den Punkt, dass ein Haupthindernis der fehlenden Atmosphäre von Chemnitz der übermächtige Kontrollzwang sei, nichts dürfe von unten wachsen. Er meinte, dass der Beatles-Song Let it be mit Lass es geschehen zu übersetzen sei. Und davor habe man hier Angst. Viele Beobachter der kommunalen Politik kommen deshalb eher zu der Interpretation Lass es sein.