Man kann sicherlich am Prozess der Kulturhauptstadt Chemnitz vieles kritisieren. Man kann auch sagen: Interessiert mich nicht. Dann gibt es aber Leute, die sehr kulturbeflissen sind, auch vielfältig involviert, die aber gern alles infrage stellen und mit masochistischer Lust an einem Scheitern arbeiten.
Ein Post vom Lars Fassmann, vorige Woche auf Facebook veröffentlicht, ist ein herausragendes Beispiel dafür. Thema sind die Mikroprojekte. Das Programm ist schon 2019, also in der Bewerbungsphase, angelaufen. Gerade wurden die Entscheidungen für die 13. Runde bekanntgegeben. Anlass für Fassmann, das Ganze in Frage zu stellen.
Auch wenn sich Fassmann nach einem späteren Kommentar gegen den Vorwurf der Polemik wehrt, fällt schon der erste Satz unter diese Rubrik: „Da die Kulturhauptstadt Chemnitz die Kulturhauptstadt nicht völlig alleine machen darf, hat man sich das Konzept der Mikroprojekte ausgedacht, wo sich jede/r mit Ideen bewerben kann, die aufgrund ihrer vorgegebenen Größe aber keine unkontrollierbare Dynamik entwickeln.“ Die Kulturhauptstadt darf also nicht alleine machen? Falls damit die GmbH, seit Januar gGmbH gemeint ist, war nie vorgesehen, dass sie alleine „machen darf“ und das auch nie wollte. Darum hat man die Mikroprojekte erfunden, Jahre vor Etablierung der GmbH. Das ist also überhaupt keine Polemik.
„In der nunmehr 13. Runde verkündet man stolze 150 Bewerbungen, als hätte man die alle selbst geschrieben.“ Nein Lars, bei keinem Förderprogramm schreiben die Verwalter die Anträge selbst. Und die Quote von 13 % ist keine Erfolgsquote, sondern die der Bewilligung. Dass das Verhältnis von Antragsvolumen zu Bewilligungen schlechter ausfällt, hat zwei Gründe: Das Verfahren ist einfacher als bei anderen Förderungen, vor allem aber bedarf es keines Anteils an Eigen- oder Drittmitteln. Das kommt selten vor.
„Wieso berichtet die Presse über ein „Erfolgsmodell Mikroprojekte“? Ist es wirklich erfolgreich, mit einem gigantischen Verwaltungsaufwand nur einen Bruchteil von tollen Ideen zur Umsetzung zu bringen?“ Keine Polemik? Dass man bei einem begrenzten Budget nur einen Bruchteil umsetzen kann, ist logisch. Bisher wurden rund 250 Projekte bewilligt, viele davon sind schon abgeschlossen. Lars Fassmann möchte aber das alles rückabwickeln, damit irgendwer (wahrscheinlich der Verein Kreatives Chemnitz, Vorstand Lars Fassmann) 120 Ideenskizzen prämiert, die dann ohne Pflicht der Abrechnung 2000 Euro in die Hand gedrückt bekommen.
Der „gigantische Verwaltungsaufwand“, an anderer Stelle auch Wasserkopf genannt, hat einen Namen: Jan Pietschmann. Seit einem reichlichen Jahr in der gGmbH für die Aufgabe zuständig, während das Programm vorher nebenbei im Kulturbetrieb mitverwaltet wurde. Ob das eine Vollzeitstelle ist, frage ich nach, wenn ich aus dem Nahurlaub in Thüringen zurück bin.
Fassmann selbst kennt sich in den Fördermechanismen hervorragend aus, die mit ihm verbandelten Vereine sind Profis in der Antragstellung. Nicht aber die Claqueure seines FB-Posts. Hier kann man hervorragend studieren, wie Populismus funktioniert. Es wird etwas zu einem spezifischen Thema behauptet, ohne Fakten dazu bringen zu müssen. Die Kommentatoren springen schnell darauf an, nur wenige zum konkreten Thema. Es folgt ein Potpourri an Einwänden: es werden Projektideen einfach geklaut, normale Kulturförderung funktioniert ohne Verwaltungsaufwand. Kulturförderung ist generell Mist, meine geniale Idee stieß auf Ablehnung und so weiter. Natürlich muss auch ein straff Rechter seinen Müll beisteuern, nach dem er in meine Biografie geguckt hat.
Einzig Juliane Schwarz-Bierschenk widerspricht, wird aber auch gleich belehrt. Herr Kassner könne sich „andere erfolgreich praktizierte Formen der Förderung wie Lump Sum Grants oder Preisgelder nicht mal im Traum vorstellen“. Lump Sum Grants wird in der Förderung von wissenschaftlicher Foschung angewendet und heißt, dass Fördersummen sofort komplett ausgezahlt werden. So läuft es bei den Mikroprojekten im Prinzip auch. Man kriegt das Geld, muss es später abrechnen. Und die Verlosung von Preisgeldern aus Steuermitteln ohne Rechenschaftspflicht will ich mir nicht vorstellen. „Konservative Presse“ nennt sich meine Verweigerungshaltung dann bei Fassmann.