Es gibt illegale Galerien der späten DDR-Zeit, die nach der Wende ihren Underground-Nimbus erfolgreich für eine Karriere auf dem nun ganz und gar offenen Markt nutzen konnten. Judy Lybkes Leipziger Eigen+Art ist das beste Beispiel dafür. Während Lybke aber ein sicheres Gespür für neue Talente und Trends hat, verwechselt die Chemnitzer Gruppe „Clara Mosch“ das ewige Ausstellen von Stasiakten mit Kunst. Dabei gab es in den 1980ern ebenda in Karl-Marx-Stadt eine weitere Ausstellungsfläche abseits des reglementierten Künstlerbundes. Andreas Schüller öffnete sein Atelier in einer Bruchbude an der Fritz-Reuter-Straße für befreundete Künstler, von denen manche heute auch überregional einen Namen haben. Natürlich schrieben auch darüber etliche IMs Berichte. Dass bislang trotzdem kaum jemand über diese eigentliche Szene hinaus Kenntnis davon hatte, liegt wohl an Schüllers Bescheidenheit und seinem Mangel an Vermarktungstalent. Nun widmet sich die Galerie Laterne diesem Stück lokaler Kunstgeschichte mit einer sehenswerten Ausstellung und einem ebenso guten Katalog. Dass der Name „Galerie Boykott“ ein nachträgliches Konstrukt ist, stört dabei überhaupt nicht.
- Ein privates Blog von Jens Kassner zu Kunst, Literatur, Politik, Alltag und anderen Themen
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