Die Ratlosigkeit ist groß, wie es denn mit den Chemnitzer Bühnen weitergehen soll. Nach Rückkehr zum Flächentarifvertrag werden für das kommende Jahr fast vier Millionen Euro mehr an Fördermitteln benötigt, oder Entlassungen stehen an. So groß wie die Probleme ist aber offensichtlich auch das Interesse am Theater, wie die Diskussionsveranstaltung am gestrigen Abend im überfüllten „Weltecho“ zeigte.
Das Podium stand unter der Überschrift „Quo vadis Theater – wer will unsere Bühnen kaputtsparen!“. Eine gewisse Demagogie kann man diesem Titel nicht absprechen. Die städtischen Zuschüsse sind in den letzten Jahren konstant bei etwa 14,8 Millionen geblieben, von Kaputtsparen kann also keine Rede sein. Doch um die Behauptung noch zu unterstreichen, steht statt des eigentlich korrekten Fragezeichens gleich ein Ausrufezeichen hinter dem Satz.
Moderator Egmond Elschner, Vorsitzender des Kulturbeirates, diskutierte mit Generalintendant Bernhard Helmich, Kulturbürgermeisterin Heidemarie Lüth, Betriebsrat Steffen Hase und Jörg Scholz vom Orchestervorstand.
Einig waren sich eigentlich alle, dass schon in den letzten Jahren ein Plan für die Zeit nach Ende des Haustarifvertrages hätte ausgearbeitet werden müssen. Wurde aber nicht. Nun steht eben die Forderung im Raum, schnell mal vier Millionen herbeizuzaubern. Oder? Selbst Entlassungen sind keine ernsthafte Alternative, weil dann Entschädigungszahlungen in ähnlicher Höhe anstehen. So bleibt wohl erst einmal nichts weiter übrig, als weniger Inszenierungen und Aufführungen bei längerer Arbeitszeit anzusetzen. Die Angestellten werden also gut bezahlte Freizeit haben. Das soll ja ein guter Nährboden für kreative Ideen sein.
Nun hat sicherlich Chemnitz ein hochwertiges Theater tatsächlich nötig. Fakt ist aber auch, dass den bisherigen 23 Millionen Euro Förderung der Bühnen (mit Kulturraummitteln) ganze 1,3 Millionen für alle Träger der Freien Szene zusammen gegenüberstehen. Eine Erhöhung in diesem Bereich um nur 500.000 würde dort paradiesische Zustände ausbrechen lassen. Damit könnte man unter anderem die de facto in Chemnitz überhaupt nicht existente Off-Theaterlandschaft ankurbeln als konstruktive Konkurrenz zu den kommunalen Häusern.
Da der Saal gestern wohl überwiegend mit Angestellten und Freunden des Theaters gefüllt war, kam ich mit meiner Forderung, dass eine Erhöhung des Bühnenetats um vier Millionen unbedingt mit einer halben Millionen mehr für die Freie Szene verbunden sein müsse, nicht sonderlich gut an. Man solle die Sparten nicht gegeneinander ausspielen, meinte Elschner nur dazu. Wieso ausspielen? Ich will doch den großen Mimen nichts wegnehmen.
Selbst wenn die Mittel für die Kleinen nicht gekürzt werden, sinkt die real verfügbare Summe wegen Inflation und Energiekostensteigerung. Viele bemühen sich zwar, die wenigen Angestellten in Anlehnung an den Tarif zu bezahlen, aber einen Anspruch darauf gibt es nicht. Wenn dann Kürzungen oder gar Stellenstreichungen nötig sind, steht auch kein Problem der Abfindungen. Die gibt es nicht. Verdi oder andere Gewerkschaften interessiert das nicht die Bohne.
Eigentlich leben die Theaterleute also in gemütlichen Verhältnissen, trotzdem ist das Flennen dort groß. Doch Sozialismus für eine exklusive Gruppe – das kann eigentlich kein Normalzustand sein. Alle oder keiner!