Wie ich schon beim Kurzbericht zum Kurztrip nach München angedeutet habe, hat das Nachdenken über die Zukunft von Chemnitz bei mir zu einem Umdenken geführt. Es ist ja wirklich nicht so, dass die meisten Chemnitzer unglücklich sind mit ihrer Stadt. Im Gegenteil, die große Mehrheit scheint zufrieden zu sein. In einem demokratischen System ist es dann eben so, dass Minderheiten sich zu fügen haben. In diesem Sinne handeln GGG-Spitze, Stadtverwaltung und Parteien ganz richtig, wenn sie Werte wie Ordnung, Ruhe und Sicherheit in den Vordergrund stellen. Im Kommunalwahlkampf plakatierten NPD und Linke direkt nebeneinander mit ebenjenen Begriffen. Somit sind Versuche wie das Experimentelle Karrree oder die Belebung des Brühls Störfaktoren, die aus einer Verkennung der Mehrheitsverhältnisse resultieren.
Da in ganz Deutschland die Einwohnerzehl sinkt, können nicht alle Städte Gewinner im Kampf um junge Zuwanderer sein. Die fehlen dann woanders. Also ist dieses Wettrennen sinnlos. Chemnitz sollte endlich die offizielle Strategie der tatsächlichen Entwicklung anpassen und klar erklären, dass es das Paradies für kleinbürgerliche Lebensweisen ist (die nicht nur bei älteren Menschen vorkommen). Dann wissen alle, die da nicht reinpassen, unmissverständlich Bescheid, dass sie sich woanders einen Wohnsitz suchen sollten.
Das, was ich gerade erlebe, ist alles andere als der (gewohnte) Flair einer Stadt, die sich auf Tugenden wie Bescheidenheit, Fleiß und Verzicht – die „drei Schwestern“ (frei übersetzt: Selbstverleugnung, Stechkarte und vorauseilender Gehorsam = summasummarum Masochismus) beschränkt, das, was ich gerade erlebe, ist vielmehr ein selbstbewusstes Wachstum von unten (nennt es von mir aus Wildwuchs, ich nenne es ein ORGANISCHES Wachstum), in Worten: ein EXPERIMENTELLES KARREE, das mich in diesen Tagen in seiner Eigendynamik an Berlin erinnert (einen Kietz, der auf jegliche staatsgewaltliche Bevormundung schon immer jeschissen hat) – LASST ES WACHSEN!!!!!
Solange es (m)ein Berlin in Chemnitz gibt, einen lebendigen Kietz inmitten von Neverland, das Wagnis Demokratie inmitten von blinder Büro-/Technokratie (die nichts anderes ist als Angst vor der Freiheit, absurderweise in Tateinheit mit verordneter Flucht vor der MODERNE!!!!),
solange es noch Anzeichen einer Widerbelebung von Geisteshaltung inmitten von Sprachverwirrung und Stummschaltung gibt, solange wird man mir den (infantilen?) Glauben an ein Yes-we-can nicht nehmen und mich allenfalls mit den Füssen zuerst aus diesem (Ach is det niedlich!) Vorort von Prenzlberg entfernen können.
Sprich: der Gedanke an einen Weggang liegt mir in diesen Tagen ferner denn je.
Klar, ich hab noch einen Koffer in Berlin. Aber auch noch n Konvolut jebügelter Hemden in Downtown.