Vier Vorstellungen der Dokfilmwoche habe ich geschafft: ein Programm internationaler Animationsfilme, die traurige Dokumentation „Das Venedig Prinzip“, eine Zusammenstellung von Crossmedia-Projekten sowie den Sachsen-Fokus mit dem Film über die fantastische Band AG Geige. Die Vorstellungen waren entweder ausverkauft oder ziemlich voll, und das Festival meldet ja auch wieder mal einen neuen Zuschauerrekord. Da stellt sich dann die Frage, was passiert eigentlich mit all den Filmen hinterher? Gut, manche der Crossmedia-Sachen sind im Netz zu finden, so der Bericht über das seltsame Moskauer Kunstsammlerpaar Bielutin. Und auch den über Streetart-Künstler in verschiedenen Städten der Welt. Doch dass man die sächsischen Filme mal bei MDR wird sehen können, ist völlig ausgeschlossen, auch wenn AG Geige einst „Volkskunstkollektiv der ausgezeichneten Qualität“ war, insofern da ins Schema passen müsste. Und selbst auf Arte, ZDF Info oder Phoenix wird man kaum einen der guten Filme finden, dafür die hundertste Rückschau über irgendwelche Nazigrößen. Vor allem frag ich mich, was mit den vielen wunderbaren Animationen passiert, die nicht für Kinder gemacht sind. Wohin verschwinden die auf Nimmerwiedersehn?
- Ein privates Blog von Jens Kassner zu Kunst, Literatur, Politik, Alltag und anderen Themen
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Alle guten Dokfilme laufen früher oder später im Fernsehen!
Spontan fallen mir Glawoggers „Workingman’s Death“, Grönings „Die große Stille“, Marshs „Man on a wire“, Strigels „Die Siedler am Arsch der Welt“, Dammbecks „Das Netz“, Schueppels „Der Tag“, Freis „War Photographer“, Dill-Riaz‘ „Eisenfresser“, Franke-Loekens „Losers and Winners“, Koelbls „Die Meute“ und Gimes‘ „Bad Boy Kummer“ ein, die Liste ist beliebig fortsetzbar. Die Filme liefen hoch und runter auf den Sendern, welche die Finanzierung ermöglicht haben, Arte, EinsFestival, Phoenix, die Dritten.
Wer etwas über weibliche Fußballfans im Iran erfahren will, muss nicht zur Dokfilmwoche, sondern kann vor der Glotze hocken bleiben. Claas Danielsen erzählt zwar seit Jahren Gegenteiliges, aber was weiß der schon? Er kriegt nicht mal mit, dass er aus einem unaufgeregten, angenehmen, zugegeben etwas verstaubten Festival ein hektisches, überlaufenes, überteuertes Event gemacht hat, dem jede Seele fehlt. Und bei dem Säle mitunter halbleer bleiben, obwohl die Kasse ausverkauft vermeldet. Ein Kartensystem, das man sich dümmer nicht hätte ausdenken können.
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen läuft viel falsch, keine Frage. Aber einen Mangel an hochwertigen Dokumentationen gibt es nicht. Gerade erst zeigte Arte „Material“:
http://videos.arte.tv/de/videos/material–7014020.html
Fernseh-Bashing ist in diesem Fall so ungehörig wie ein „Bekackt“ über einer Castellucci-Besprechung. Ich habe das aktuelle Stück nicht gesehen, kenne Castellucci aber gut genug, um im Zweifelsfall den Fehler eher beim Rezensenten zu suchen 😉
Die Dokwoche hatte einst für mich Kompass- und Leitfunktion. Die hat sie eingebüßt.
Zweifellos laufen speziell auf Arte viele Dokus, das ist auch der Sender, der bei uns am häufigsten eingeschaltet ist. Aber die interessantesten kommen eben doch meist spät abends. Zwar kann man dann im Netz noch eine Woche „nachsehen“, aber aufwändig ist das schon. Richtig ist die Bemerkung „auf den Sendern, die das finanziert haben“. Und damit haben es dann ausländische Produktionen schwerer, rein zu kommen. Und solche, die keinen Sender gefunden haben, wie „Das Venedig Prinzip“, obwohl das ein wichtiger Film ist, der schnell zur besten Sendezeit laufen sollte.
Und die Frage zum Verbleib der vielen sehenswerten Animationen für Erwachsene bleibt ganz unbeantwortet. Da wird man selbst bei Arte kaum fündig.
Beim Rezensenten liegt der Fehler grundsätzlich immer. Obwohl das hier gar keine Rezension war, sondern wirklich eine Nachfrage. Doch bei Castellucci nun zu sagen: das ist ein großer Name, da muss man Ehrfurcht haben, egal was er macht – das lehne ich ab. Das ist nur das Standardargument, Kritik überhaupt zu verhindern (und dann zu schimpfen, dass es heute ja keine richtige Kritik mehr gibt). Ich fand die Inszenierung wirklich schlecht. Und die Überschrift rührt eben aus dem Hauptrequisit des Stückes her. Warum dürfen Künstler radikal sein und werden dafür gefeiert, die Rezensenten aber müssen Airbags um jedes Wort anordnen?
Als Nicht-Fernseher-Besitzer, der, wenn überhaupt, ausschließlich am Rechner schaut – mit zattoo z.B. – gefallen mir Angebote wie Arte+7 und die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen sehr gut. Das ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Reichweite der Dokus, würden sie auch (nämlich zusätzlich) im TV ausgestrahlt (womöglich zu für viele annehmbarer Sendezeit), wäre wohl trotzdem höher.