MeinIch: Wieder so eine Ausstellung, wo eine Galerie mit dem Multiplex-Kino verwechselt wird.
AuchmeinIch: Ja und?
MeinIch: Wenn ich in eine Kunstausstellung gehe, will ich nicht Filme gucken. Das kann ich zu Hause im Sessel oder eben vor großer Leinwand, mit Dolby Surround und einem Eimer Popkorn.
AuchmeinIch: Häähh?
MeinIch: Okay, das mit den Popkorn war nicht so gemeint, ist wirklich ekelhaft. Aber mal prinzipell gesagt: Das Medium ist die Botschaft! (Netter Spruch, ist mir grad spontan eingefallen, sollte ich Gebrauchsmusterschutz anmelden.) Falsches Medium am falschen Platz gleich falsches Konsulat in meinem Hinterhirn.
AuchmeinIch: Guten Morgen, Mister McLuhan. Aber was stört dich denn nun wirklich an den Videos in Galerien? In den harten Stühlen schläfst du nicht ein wie jeden Abend ab halb zehn vor dem Fernseher. Das Programm ist intellektuell anspruchsvoller als bei Arte und 3Sat. Und GEZ zahlt für dich der Veranstalter, da du dich ja gern ohne Eintrittskarte als Presseheini reinmogelst, um hinterher rumzumeckern.
MeinIch: Mein bestes Recht. Die Schemel sind wirklich eine Zumutung und die Filme zu lang.
AuchmeinIch: Aber ins Programmkino gehen, um acht Stunden lang Warhols statischen Blick auf das Empire State Buildung zu glotzen.
MeinIch: Hab ich nie gemacht.
AuchmeinIch: Würd ich dir aber zutrauen.
MeinIch: Nee, echt nicht. Aber „Flesh“ von Warhol habe ich gesehen. Schön lange Einstellungen auf nackte Menschen.
AuchmeinIch: Also das reizt dich, schon mal was von ….
MeinIch: Ich weiß, es gibt Videotheken mit P18-Abteilungen hinter raschelndem Vorhang. Das ist es nicht. Ich liebe experimentelle Filme, kurz oder lang. Aber dazu gehe ich nicht in die Galerie oder ins Museum.
AuchmeinIch: Warum nicht?
MeinIch: Da will ich Bilder sehen.
AuchmeinIch: Und die müssen stillhalten, nicht rumzappeln!
MeinIch: Quatsch. Ich war im Sommer in Salzburg (du warst ja auch mit, fällt mir grad ein). Da gab es im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg diese wunderbare Ausstellung von Robert Wilson: Flachbildschirme mit Stills, bei denen erst nach einer Weile sichtbar wird – da lebt was. Klasse!
AuchmeinIch: Das gab es doch vor kurzem in der Meisterschüler-Ausstellung der HGB Leipzig auch zu sehen in der Arbeit von Nadine Neuhäuser.
MeinIch: Hab ich natürlich bemerkt. Aber ich meine doch nicht, dass nun alles so aussehen soll wie bei Wilson. Wäre ja auch langweilig. Nur: Videokunst hat offensichtlich ein halbes Jahrhundert nach den Anfängen immer noch viel zu selten eine Form gefunden, die sich von Kino und Fernsehn unterscheidet und darum zu Recht ihren Platz in den Galerien hat.
AuchmeinIch: Sieh es mal so: Die Konventionen in der Kunst wandeln sich. Obwohl du schon 50 bist, willst du doch ausgesprochen ungern als konservativ gelten. Geh mal in so eine Ausstellung, nimm dir ein Sitzkissen mit und eine Tube Voltaren, lass dich endlich ein auf den Gedanken, drei Stunden in einer Galerie zuzubringen, Filme guckend.
MeinIch: Interessanter Gedankengang. Aber da gibt es noch was.
AuchmeinIch: Deine Inkontinenz?
MeinIch: Lass den Schnee. Wenn, dann hättest du sie ja auch.
AuchmeinIch: Und, was juckt dich wirklich?
MeinIch: Gutes Stichwort. Wenn ich mich durch schwarze Vorhänge kämpfen muss, um in den Darkroom zu gelangen, juckt es mich wirklich irgendwo. Und dann, nach geschätzten fünf Minuten Adaptation, kann ich mich weitertasten über die zwei sonstigen Filmgucker hinweg …
AuchmeinIch: … hast du nicht behauptet, da wäre nie jemand in solchen Ausstellungen nach der Vernissage?
MeinIch: Ich bin doch wirklich meist bei der Eröffnung, aber manchmal trifft man unverhofft auch an anderen Tagen dann gerade im Dunkeln doch irgendwen.
AuchmeinIch: War der Kontakt immer so unangenehm?
MeinIch: Ich gehe nur wegen der Kunst hin!
AuchmeinIch: Ja klar, gibt es sonst noch Argumente?
MeinIch: Ausreichend. Während bei einer Bilderausstellung der schlimmste Fall darin besteht, dass das Schildchen daneben fehlt, ist bei diesen Videoausstellungen immer was faul. Entweder läuft gar nichts, oder der Ton fehlt oder das Bild zieht Streifen.
AuchmeinIch: Da kann man sich an das Personal wenden.
MeinIch: Ha ha.Die Aufsichtskraft beteuert glaubwürdig, von den Geräten keine Ahnung zu haben, der Haustechniker sei aber gerade ganz dringend in den Kindergarten gefahren, weil sein Sohn von einer Hummel gestochen wurde.
AuchmeinIch: Hummeln stechen nicht.
MeinIch: Das wissen wir beide, aber weder Aushilfsaufsicht noch Haus- & Wiesentechniker. Außerdem kommt es vor, dass ich den taiwanesischen Film französisch überquatscht und englisch untertitelt bekomme.
AuchmeinIch: Du kannst doch Englisch?
MeinIch: Besser als taiwanesisch. In Bewerbungsschreiben gebe ich immer „Sehr gut“ an.
AuchmeinIch: Übersetze mal: The Kids are allright!
MeinIch: Die Kinder sind alle rechts. Stimmts?
AuchmeinIch: Wird schon stimmen. Du bist einfach noch nicht reif für Videokunst in Ausstellungen.
MeinIch: Und?
AuchmeinIch: Was und? Damit werden die Künstler und Kuratoren wohl leben müssen.
MeinIch: Vielleicht haben sie den falschen Beruf gewählt?
AuchmeinIch: Und du?
MeinIch: Und du?
AuchmeinIch: Gehen wir was trinken?
MeinIch: Du bezahlst.