In den Feuilletons hält das Gejammer an, dass „unsere Intellektuellen“ sich nicht mehr in gesellschaftliche Prozesse einmischen, so wie das früher angeblich üblich war. Mit den angeklagten Intellektuellen meinen die beschwerdeführenden Intellektuellen zumeist Schriftsteller. Zu den Ausnahmen, die offensichtlich nicht gemeint sein können, gehört Juli Zeh. Nicht zum ersten Mal erscheint nun eine Sammlung ihrer Aufsätze zu politischen Themen, von 2005 bis in die Gegenwart reichend.
Zwei Kernthemen, die sie miteinander zu verknüpfen versteht, sind die Demokratie und das Internet. Auf beiden Feldern wird ihr Erstberuf als Juristin spürbar, den sie vor der Schriftstellerei erlernt hat.
Gleich im ersten Text geht es um die Menschenrechte. Ähnlich wie bei den zehn Geboten meint jeder zu wissen, was drinsteht. Soll er sie aber zitieren, kommt er zu seiner eigenen Überraschung nicht über die ersten Artikel hinaus. Während manche Juristen ihr Expertenwissen nutzen, um Lücken und Widersprüche auszunutzen, verteidigt Juli Zeh nicht nur die Menschenrechte, sondern auch rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien, ohne dabei blind zu sein vor den Mängeln und Verformungen der realen gesellschaftlichen Praxis.
Ob es um Fragen wie die (Un-)Zulässigkeit von Folter zur Aufklärung von Straftaten geht oder den Generalverdacht gegen Muslime bzw. Menschen, die nur aus muslimisch geprägten Ländern stammen – immer argumentiert sie so leidenschaftlich wie auch fachlich fundiert.
Nicht anders ist das bei ihrem zweiten großen Thema, dem Internet und dessen Freiheit. Sie hält Politikern vor, lange vor Angela-Merkels „Neuland“-Äußerung, auf die sie dann auch eingeht, das Internet lediglich zu nutzen, aber nicht mit ihm sachkundig umzugehen. Sie geht dann unter anderem mit Kollegen ins Gericht, die naiv die Profitinteressen der Großverlage verteidigen und dabei glauben, es sei im Interesse ihrer eigenen Urheberrechte.
Dass sich manches Motiv wiederholt, ist natürlich bei so einer Sammlung unabhängig entstandener und erstveröffentlichter Texte. Was aber auffällt, ist die zunehmende Routine des Schreibens im negativen Sinne. In den frühen Texten erfindet sie virtuelle Handelnde oder Gesprächspartner, um den Text lebendig zu gestalten. Dieses schriftstellerische Element schwindet zunehmend. Übrig bleiben professionelle, dabei aber zu „normale“ Texte. Schade.
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