Eine Bitte um Rezension lag der mit Buntstiften beschrifteten Postsendung nicht bei. Dennoch spürt man die Sehnsucht des Verlegers nach einer solchen. Aber wie das so ist mit Gefälligkeitskritiken …. Man kennt Autorin oder Autor, findet sie sympathisch oder ist gar befreundet. Wie verpackt man dann die Dinge, die einem nicht so ganz gefallen?
Hans Brinkmanns neuester Gedichtband „Die Unheit“ steckte im Umschlag des Eichenspinner Verlages. Zum Glück habe ich nachgesehen, was ich zum vorherigen Buch Brinkmanns geschrieben habe. Sonst wäre vielleicht ein annähernd identischer Text entstanden. Ist ein Schriftsteller zufrieden, wenn man die Rezension in zwei Worten zusammenfasst? Gewohnt gut, könnten diese lauten. Wahrscheinlich findet er es nicht all zu schmeichelhaft.
Gut an seinen Gedichten ist, dass sie auch für Nicht-Spezialisten zeitgemäßer Lyrik verständlich sind, ohne aber flach zu werden. Auch da, wo er auf so traditionelle Mittel wie Reim und Strophe verzichtet, muss man nicht Germanistik studiert haben, um beim Lesen Genuss zu haben.
Hans Brinkmann passt mit seiner Art in keine der gängigen Kategorien. Für die großen Lyrik-Preise und Anthologien ist er zu volkstümlich, nicht elitär genug. Zur Slam-Szene, über die er sich vor Jahren selbst sehr despektierlich geäußert hat, gehört er aber eben so wenig. Er macht sein einsames Ding im Chemnitzer Plattenbauturm, blickt auf die Stadt herunter, in der es erbärmlich wenige Schriftsteller gibt.
Wenn ich sage „gewohnt gut“, steckt außer dem gut eben auch das gewohnt drin. Sein beliebtestes Ausdrucksmittel ist das Spiel mit Redewendungen. Das kann sich einem Thema unterordnen, so der wie ein roter Faden sich durchziehenden Konsumkritik. Häufig genug ist es aber auch Selbstzweck: „… verdrehe die Wörter nur noch zum Spaß, und wird mir ein Strick draus?“ Auf die Spitze treibt er es in „Die Wiederbelebung des toten Winkels“, wo Spielereien von „Wollen Sie etwa bezweifeln, dass ich lüge?“ bis „Meinen Sie das unernst?“ aneinanderreiht. Hier meint er es vermutlich unernst. Anders in Gedichten, wo es um Protestwähler oder den Kommunismus geht.
Es wird viel Welt reflektiert, manchmal tagespolitisch, mal an den ewigen Werten kratzend. Doch man erfährt wenig über die konkrete Person Hans Brinkmann, seine Gefühle, Nöte und Freuden. Es sind meist konstruierte Ansprechpartner, denen er beispielsweise zuruft: „Durch Übernahme von Eigenverantwortung fürs Fremdbestimmte sich selbst imponieren – das kannst auch du!“ Selbst da, wo ein Ich benannt wird, ist es ein literarisches Ich, das nicht schläft, Zähne putzt, isst und aufs Klo geht.
Seinen Stil hat Brinkmann in den achtziger Jahren entwickelt. Die heute noch zu findenden Merkmale sind schon in den in der DDR erschienenen Bänden „Wasserstände und Tauchtiefen“ und „Federn und Federn lassen“ ausgeprägt. Wer zum ersten Mal etwas von ihm liest, kann von „Die Unheit“ begeistert sein, sofern der Leser eben nicht auf die hermetische Hyperlyrik steht. Doch bei Wiederholungstätern wie ich es bin, kann sich auch eine gewisse Langeweile einstellen. Die Gedichte sind vorhersehbar geworden. Und nachahmbar.