Da ich die FAZ nicht täglich lese, bin ich über den Eintrag auf heldenstadt. de auf den Artikel Das Happy End in der Dauerschleife von Andreas Platthaus in der vorgestrigen FAZ gestoßen. Und ich wundere mich. Zunächst mal über die Bemerkung bei heldenstadt. de, der Autor sei beim Rundgang gewesen. Nicht nur wegen des Erscheinungstermins des Artikels fast einen Monat später ist das nicht glaubwürdig. Vor allem aber wundere ich mich über die zusammenfassende Aussage des Autors Sehr zum Leidwesen der Besucher: Ein Rundgang durch die Galerien der Leipziger Baumwollspinnerei zeigt krasse Niveauunterschiede. Ein frischer Wind fehlt.
Wie er denn das heftige Leiden der Besucher festgestellt hat, lässt Platthaus offen. Wichtiger aber ist, dass für den Leser des Artikels nicht erkennbar wird, worin die krassen Niveauunterschiede denn bestehen sollen. Was ist für ihn Müll, was Spitze? Vielleicht kann man unter dem Abfall die nur am Rande erwähnten Aris Kalaizis, Christoph Ruckhäberle oder Undine Bandelin verstehen. Ausdrücklich gelobt wird lediglich David Schnell. Und dann auch noch David O´Kane, der zunächst auch in der pauschalen Aufzählung vorkommt. Platthaus begründet nicht, was er aus welchem Grund schlecht findet. Eigentlich wird gar nicht klar, was er mit der Überschrift Das Happy End in der Dauerschleife wirklich meint.
Auch bei der Ausstellung, der er sich am intensivsten widmet – die Gruppe Famed bei ASPN, ist nicht zu erkennen, ob er sie am oberen oder unteren Ende des von ihm konstatierten Niveaugefälles ansiedelt. Er beschreibt nur, was stattfindet nebst der auch sonst durchgängigen und durchgängig nervenden Preisangaben der Werke. Muss über solch einem Text nicht in 5-Punkt-Schrift Anzeige stehen?
Wohl kaum, denn trotz der Auspreisung wünscht er sich wohl keinen Verkaufserfolg. Er vermisst ja generell den frischen Wind in der Leipziger Kunst, so wie er offenbar in Frankfurt weht. Im eigenen Saft darf man in Leipzig nämlich trotz der großen Künstlerdichte in der Stadt nicht kochen. Klar, Inzest ist tatsächlich nie sehr innovativ. Dass aber mehrere der Künstler keine lokalen Eigengewächse sind, hat er wohl nicht festgestellt und meint es vielleicht auch nicht. Wenn er schreibt Sind Farbvaleurs der neue Wert? , wird erkennbar, dass Andreas Platthaus eigentlich wünscht, die Leipziger Kunst solle doch endlich mit der Düsseldorfer, Hamburger, Münchner verwechselbar sein. Das wäre dann wirklich mal ein frischer Wind.
Mir ging es ganz genauso. Ich habe den Artikel bei Heldenstadt entdeckt, mich über das Erscheinungsdatum gewundert und nicht verstanden, was genau mir der Autor eigentlich mitteilen will. Ich befürchtete allerdings, ich sei vielleicht einfach nicht gut genug informiert über die frische Kunst anderswo. Mich beruhigt daher, dass Sie auch irritiert waren.
Das mit der Glaubwürdigkeit finde ich putzig. Es sagt eher etwas über Jens Kassner als über die FAZ aus. Leipzig ist selbst aus Frankfurter Sicht weit im Off. Da liegt ein Artikel schon mal wochenlang auf Halde, bis nichts anderes interessanter ist. Was soll daran „nicht glaubwürdig“ sein?
Platthaus schreibt seit Jahren über die Spinnereirundgänge. Er blendet dabei konsequent alles Interessante aus und fokussiert auf die langweiligen Verkaufsausstellungen. Erstaunlich immerhin, dass er das Prinzip mit den vier Winkeln im Dogenhaus (ja, ja, ich weiß) nicht kapiert hat. Oder irre ich und da wurde wirklich „eigens“ ein brauner Quader in die Galeriehalle gesetzt?
Hätte Platthaus anspruchsvolle Arbeiten gesucht, hätte er sie in „Viaggio in Italia“ von Tina Bara und Alba d’Urbano mit Schülern und Gästen gefunden.
Hätte er einen sehr interessanten Ansatz, der nicht wirklich aufging, gesucht, wäre er in Halle 14 in der „Biografie der Bilder“ fündig geworden.
Ohnehin muss er am Rande der Bewusstlosigkeit gewesen sein, wenn er nicht die energetische Veränderung gemerkt hat, die sich in Halle 14 vollzogen hat. Dieser marode, ehrwürdige, leere Bau, der vor Jahren hervorragende Ausstellungen beherbergte, hat sich in ein quirliges Kunstzentrum verwandelt, wundervoll eigentlich, wenn auch mit Schönheitsfehlern: Die Qualität der Ausstellungen hat arg nachgelassen, die Bibliothek verschweigt verschämt ihre Hauptquelle: Die Art Basel.
Hätte Platthaus ein anrührendes, wahnwitziges Ereignis gesucht, er wäre am Sonntagabend des Rundgangs im Bimbo-Town-Garten am rechten Ort gewesen, wo das Bimbo Town Orchester der Kraftlosigkeit in den Galeriebereichen den Marsch blies.
@rohl: Das solch ein Artikel eine Weile auf Halde liegt, kann ich mir vorstellen. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob Platthaus tatsächlich am Rundgangswochenende da war. Er selbst behauptet das ja im Text auch gar nicht. Insofern ist meine Bemerkung mehr auf die Interpretation von Heldenstadt.de gerichtet.
Ganz zustimmem kann ich, dass man (auch)außerhalb der Verkaufsgalerien einiges Interessante finden konnte. Doch dann hätte der Autor ja sein Prinzip der Preisnennung aufgeben müssen, das ihm offenbar sehr wichtig ist.
Kurze Anmerkung zum Nennen von Preisen in der FAZ: Der Artikel erschien auf den Kunstmarktseiten der FAZ, und nicht im Feuilleton. Im Kunstmarkt, jeweils samstags zwei bis drei Seiten, enthalten sämtliche Beiträge Angaben zu Preisen von Kunstwerken in Galerien, auf Messen und Auktionen. Insofern also „Normalbetrieb“.