To Everything (Turn, Turn, Turn)
There is a season (Turn, Turn, Turn)
And a time to every purpose, under Heaven
(The Byrds, Turn! Turn!)
Dass in den Feuilletons schon seit langem von einem lingustic turn gesprochen wird, war mir bekannt. Um nun herauszufinden, was es mit dem spatial turn auf sich hat, der immer häufiger im Fach-Slang auftaucht, habe ich das Buch Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften von Doris Bachmann-Medick gelesen und feststellen müssen, dass es vor Turns nur so wimmelt.Schon die Kapitelüberschriften lauten Interpretive Turn, Performative Turn, Reflexive Turn/Literary Turn, Postcolonial Turn, Translational Turn, Spatial Turn, Iconic Turn. Und im Text tauchen dann noch weitere Turnereien auf. Mit diesen Wendungen, wie man es auf Deutsch vielleicht am besten ausdrücken kann, sind keine echten Paradigmenwechsel im Sinne von Thomas S. Kuhn gemeint, wie die Autorin immer wieder betont. Aber eben Verschiebungen der Sichtweise von längerdauernder Wirkung. Das Attribut epochal kann man angesichts der schnellen Aufeinanderfolge der Turns allerdings nicht verwenden. Ohnehin ergänzen sich manche Wendungen, andere nehmen vorherige zurück und lenken den Blick wieder in eine andere Richtung. Damit kommt der Verdacht auf, es handele sich bei der Postulierung der diversen Turns um ein Spiel der Wissenschaftler mit dem Ziel, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bei der Aquise von Fördermitteln ist das immer von Vorteil. Jedenfalls spielt es in der publizistischen Darstellung stets eine Rolle, bei wem der Begriff erstmals auftaucht.
Die Autorin hat dieses Argument wohl nach der Erstveröffentlichung des Buches häufig gehört und versucht es im Nachwort der dritten Auflage, die ich mir einverleibt habe, zu entkräften. Das gelingt nur teilweise. Es bleibt der Beigeschmack der Wichtigtuerei mit ökonomischem Hintergrund.
Gerade bei spatial turn, für den ich mich speziell interessiert habe, ist das nicht zu übersehen. Es erscheint ziemlich logisch, dass sich die Geografen gegen diesen Begriff wehren, wie ich aus einer anderen Publikation erfahren habe. Die Behauptung, seit der faschistischen „Volk ohne Raum“-Ideologie sei der Begriff des Raumes in den Gesellschaftswissenschaften für Jahrzehnte obsolet gewesen, ist doch reichlich konstruiert. In der Geografie wie auch der Architektur und Stadtplanung, mit der ich mich in den letzten zwanzig Jahren häufig beschäftigt habe, ist es einfach unmöglich, den Raum zu vernachlässigen. Wenn nun neuerdings die Literatur- und Kunstwissenschaften von mapping, der Entdeckung von Landkarten und der Lesbarkeit der Stadt sprechen, frage ich mich, in welchem Elfenbeinturm diese Leute zuvor eingesperrt waren.
Interessant ist das Buch trotzdem. Vor allem dann, wenn man erfahren will, wie manche Gesellschaftswissenschaftler gegenüber der fördermittelausschüttenden Politik die Wichtigkeit ihres Bereiches herauszuheben versuchen.
Turn turn turn
ist nicht von den Byrds, es ist VIEL älter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Turn!_Turn!_Turn!_(To_Everything_There_Is_a_Season)
Aber ist ist ohne Frage ein guter Song.
GvH
Offensichtlich gab es sogar schon in der Bibel diverse Wendungen.