Leipzig. Die Gewaltbereitschaft der sogenannten Art-Hooligans bleibt nach Aussage des Leipziger Polizeichefs Herbert Wajzek trotz der Bemühungen verschiedener gesellschaftlicher Kräfte ein ernst zu nehmendes Problem. Angesichts des angekündigten Transfers Theo Rauchs von der Galerie Eigenfahrt zur Galerie AMDN für eine hohe siebenstellige Ablösesumme rechnet er sogar mit einer weiteren Eskalation in den kommenden Wochen. „Der Krisengipfel zwischen den beteiligten Galerien und Fanbeauftragten verlief zwar in konstruktiver Atmosphäre“, so Wajzek, „doch Ultras beider Lager haben bereits angekündigt, sich nicht an die Vereinbarungen zu halten.“
Im Januar war es nach dem Winter-Rundgang, bei dem alle Galerien und sonstigen Kunsteinrichtungen auf dem Gelände der früheren Baumwollspinnerei in Plagwitz gleichzeitig neue Ausstellungen eröffneten, zu schweren Ausschreitungen gekommen. Insgesamt 47 Fahrzeuge von Anhängern jeweils gegnerischer Blöcke waren mit unlöslicher Nitrofarbe teils abstrakt, vor allem im expressiven Dripping-Stil, aber teils auch mit enormer krimineller Energie in schwer enträtselbaren und detailreichen Figurationen bemalt worden. Der Kleinbus eines aus Holland angereisten Sammlers wurde von den Hooligans mit Äthanol geflutet, in dem ein echtes Hai-Baby schwamm. Auf der Frontscheibe stand „Damian kriegts du nie!“ geschrieben.
Judy Libke, Kunstdirektor der Galerie Eigenfahrt, will die Vorfälle nicht überbewertet wissen, obwohl er vom Verband deutscher Kunsthändler schon von der vorigen Art Basel kurzfristig ausgeschlossen worden war: „Viele der gar nicht mal so dilettantisch umgestalteten Autos konnten die Eigentümer unterdessen für beträchtliche Summen in den USA verkaufen. Da gibt es einen großen Markt für das Phänomen, das in Übersee schon länger besteht als bei uns.“ Auch von fremdenfeindlichen Hintergründen hält er nichts. „Fast alle Galerien haben Ausländer unter Vertrag. Und schwarze Bilder hat doch jeder schon mal gemalt. Das hat mit Rassismus nicht im Entferntesten zu tun.“
Polizeichef Wajzek hält nicht viel von solchen Beschwichtigungen. Zwar gebe es noch keine gerichtlich verwertbaren Beweise, doch sei die Annahme, dass es auch Körperverletzungen in nicht zu unterschätzendem Umfang in der Fanszene gebe, sehr wahrscheinlich. Fast jedes dritte Tatoo in Leipzig weise aufgrund seiner Ikonografie darauf hin, dass es den Hautträgern von verfeindeten Hools wider Willen zugefügt worden sei. Namhafte Kunsthistoriker, die als Gutachter hinzugezogen wurden, hätten dies bestätigt. „Leider stößt man bei den Ermittlungen unter den Fans auf eine Mauer des Schweigens. Und das trotz der enormen Schmerzen, die eine Tätowierung nach Motiven Martin Äders auf dem Oberarm verursacht.“ Jedenfalls wird die Polizei am letzten Aprilwochenende, wenn in der Spinnerei der nächste Rundgang ausgetragen wird, mit mehreren Hundertschaften präsent sein. Die Kosten hat wieder einmal der normale Bürger, der mit Kunst überhaupt nichts im Sinn hat, zu tragen. Und wie immer schweigt der Leipziger Kulturbürgermeister Michael Waber zu dem heftig umstrittenen Geschehen. Ein Skandal!