90 Meter hoch sollen die nachgebildeten Elemente der Berliner Mauer werden, um sich perfekt in das Leipziger Stadtbild einzufügen und eine adäquaten Bezug zum Völkerschlachtdenkmal zu bilden. Immerhin noch acht Meter sind für den Schriftzug „Nie wieder Deutschland!“ vorgesehen.
Sophie Vollmar meint es ernst mit ihrem Vorschlag für das Freiheits- und Einheitsdenkmal für den Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig. Zwar hat sie ihn nicht beim entsprechenden Wettbewerb eingereicht, da dort ein Nachweis der persönliche Geschichtsträchtigkeit gefordert gewesen sei, ein Mumifizierungspass sozusagen. Doch als Diplomarbeit steht er nun im Maßstab 1 zu 20 im Lichthof der Hochschule für Grafik und Buchkunst.
Zweifellos hätte die Studentin weder bei der Jury des Wettbewerbes noch bei der Bevölkerung von Leipzig und weit darüber hinaus Mehrheiten errungen. Auch wenn sie sich auf das Zitat „Deutschland? Nie wieder!“ von Marlene Dietrich beruft, scheint doch der Slogan gerade so kurz nach dem kollektiven Fähnchenschwenken der EM-Zeit nicht massenkompatibel zu sein. Zum Denken könnte er schon anregen, was ja ein Denkmal eigentlich soll.
„Dieses Einheits- und Freiheitsdenkmal soll symbolisch für eine Kehrtwende deutscher Innenpolitik stehen. Nach 22 Jahren Wiedervereinigung müssen wir uns eingestehen, dass die sogenannte Mitte der Gesellschaft keineswegs die freiheitlich demokratische Gesellschaft ist, die wir bisher propagierten“, schreibt Sophie Vollmar in der fiktiven Rede zur Begründung des Juryentscheides. Und: „Wir haben uns für diesen Entwurf entschieden, weil Deutschland sich seine Verbrechen der Geschichte nicht verzeihen darf. Schon gar nicht ein wiedervereinigtes Deutschland, das in Europa eine herausragende Stellung erlangt hat und innenpolitisch auf ganzer Linie versagt, indem es linke und rechte Strömungen gleichsetzt und somit antifaschistischen Widerstand kriminalisiert.“
Nach traditionellen ästhetischen Kriterien ist der Entwurf sicherlich keine große Leistung. Anders sieht es aus, betrachtet man ihn als Konzeptkunst, bei der die bildhaften und handwerklichen Qualitäten in den Hintergrund treten. Und dann kann man die „richtigen“, also zum Wettbewerb eingereichten und auch die drei ausgewählten Vorschläge zum Vergleich hinzuziehen. Dann wird klar: Es gibt keinen wirklich guten Entwurf. Das Versagen ist totaler Art. Das kann man nicht den Künstlern zum Vorwurf machen, höchstens soweit, dass sie sich der Aufgabe nicht verweigert haben. Das Versagen liegt seitens der kommunalen Initiatoren. Wofür braucht man ein Denkmal denn? Meist wird es für Tote errichtet, die nicht vergessen werden sollen. Die Initiative sagt also einiges aus über den gegenwärtigen Zustand der Freiheit. Schnell noch mal daran erinnern, so als Hauch aus der Gruft. Sachen, die nur im dynamischen Zustand lebensfähig sind, kann man nicht sinnvoll in Beton oder sonstiges festes Material einschließen. Da helfen keine Begärtnerungen, mitnehmbare Lego-Steine und auch keine Verschaukelung wie in Berlin für ein ähnlich unsinniges Projekt.
Nicht ganz zufällig ist vermutlich Sophie Vollmars Verweis auf das Völkerschlachtdenkmal. Vor dem Hintergrund des bevorstehenden zweihundertsten Jahrestages des Gemetzels und des einhundertsten des Steinhaufens macht sich ja gerade ein CDU-Abgeorneter dafür stark, das Badewannenrennen auf dem See der Tränen zu verbieten. Das passt. Aber nicht, weil das Denkmal seine angebliche Aufgabe, vor dem Krieg zu warnen, je erfüllt hätte. Vielmehr hat es zur Einweihung 1913, wenige Monate vor der geplanten Einleitung des von Deutschland ausgehenden Ersten Weltkrieges, seine Funktion zur Anstacherlung soldatischen Heldentums und nationalistischer Überhebung hervorragend erfüllt. Wie darf man solch ein Anliegen mit einem gar nicht so ernst gemeinten Wettkampf veräppeln? Das wäre doch fast so, als würde man vor dem Schriftzug „Nie wieder Deutschland!“ ein Public Viewing zur nächsten Fußballschlacht veranstalten.