Bekackt

Ein Mann in Anzug und Schlips müht sich mit seinem alten Vater. Auf dem etwa acht Meter langen Weg vom Sofa zum Bett kackt dieser sich drei Mal in die Windeln. Verzweiflung beiderseits. Doch Themen des Stückes „Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn“ des Italieners Romeo Castellucci sind weder demografische Verschiebung noch Pfegenotstand. Angesichts seiner Plagen beginnt vielmehr der Sohn an Gott zu zweifeln.

Dem zwar perfekt gespielten, doch naturalistischen, ohne künstlerische Verfremdung dargestellten häuslichen Geschehen folgt eine Orgie von Effekten. Zuerst bewerfen Kinder das übergroße Jesusbild mit Spielzeuggranaten, dann wird auch dieses Bild mit Kacke überzogen, schließlich zerfetzt, die Schrift „You are (not) my shepherd“ erscheint leuchtend.

Radikal soll es sein, das Eröffnungsstück der diesjährigen euro-szene Leipzig. Radikal mag der Mut der Verantwortlichen der Peterskirche sein, solch eine Aussage gerade in einem Kirchenraum zuzulassen. Das Spektakel ist vor allem eines: flach. Dass man seinen Glauben verlieren kann, sofern man einen überhaupt hat, wenn der Alltag all zu hart wird, ist banal. Die dramatische Verarbeitung Castelluccs fügt der simplen Aussage nichts hinzu, was nicht jeder weiß. Mit solchen Plattitüden wird es sicherlich schwierig, die für 2013 existenziell wichtige Sponsorensuche des Festivals zu bewältigen.

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