Wie meinen? Der Augustusplatz etwa? Benannt nach einem Dickschädel, zwischenzeitlich auch mal nach einem nicht weniger prägnanten Haupt, zudem Sitz der reichlich 600 Jahre alten Uni, von wo aus Synapsen die ganze Welt verknüpfen?
I wo! Bajuwarisch steht in Leipzsch ganz oben. Da wo die Nürnberger eine leichte Steigung nimmt (das gibt es tatsächlich in Leipzig!), trifft sie auf den Bayrischen Platz. Der noch ziemlich junge Kopfbau an der Ecke ist das Kopfzentrum der Universitätskliniken. Alles, was sich am menschlichen Haupt durch äußere Eingriffe reparieren lässt, wird dort zumindest versucht. Durch den Neubau ist ein viel älteres Gebäude in die zweite Reihe getreten, ein Hotel. Dort ist Karl Marx abgestiegen, der nicht nur eine beeindruckende Haarfülle hatte, sonder auch viel unter der Schädeldecke. Er nächtigte hier, um in Wilhelm Liebknechts Verlag den Druck seines Kapitals (sic!) zu besprechen.
Steht man an der Straßenecke, ergeben sich ungewöhnliche Weitsichten. Auf der einen Seite blinkt die immer noch güldene Spitze des früheren sowjetischen Messepavillons in der Sonne, bald Sitz des vergeistigen Stadtarchivs. Auf der anderen Seite sieht man das Neue Rathaus, neuerdings teilweise von Geistlichen zugemauert.
Nach Querung der breiten Straße, die nach dem Datum eines hirnlosen Gemetzels benannt ist, steht man vor einem Kopfbahnhof. Einem Ex-Kopf. Bayerischer Bahnhof, vom Platz unterscheidet ihn ein zusätzlicher Buchstabe. Sollte das nicht zu denken geben? Der historische Portikus wurde hin und her geschoben, nun ist der Bahnhof tiefergelegt eine Station des City-Tunnels, also kopflos. Dafür wird nebenan in der Gaststätte selbstgebrautes Gose-Bier ausgeschänkt, das richtig in die Birne geht bei ausreichendem Genuss.
Und dann? Zunächst mal verdröselt sich das Gelände. Kohlenstraße, ein bezeichnender Name. Wer aber war Arthur Hoffmann, der damit bestraft wurde, für eine in dieser Richtung nur von öffentlichen Vehikeln befahrbare und auch sonst recht öde Straße zum Paten zu werden?
Jenseits der breiten Schneiße geht es weniger intellektuell kopflastig zu.Vor einem Plattenbau steht ein sozialistisch bronzenes Sportlerpaar, seit Jahrzehnten die Balance einübend. Der Späti dahinter ist gelebtes Multikulti. Die asiatischen Betreiber bekommen von der urdeutschen Säuferschaft nicht nur freundliche Worte, sondern manchmal auch ein Fläschchen Prosecco spendiert. Geht doch!
Die Bäckerei nebenan hat auch Sonntags geöffnet und wird dann mehr noch als an den restlichen Tagen der Woche zum Treffpunkt genussüchtiger Anwohner. Backparadies Dünkel stand da mal dran. Jetzt nur noch Lukas. Schade, der alte Name hätte so gut zur These der Verkopfung gepasst. Backparadies Dünkel – das muss man sich mal durchdenken! Haut den Lukas!
Dann wieder eine Straßenquerung, die der Fußgänger nicht in einer Grünphase der doppelten Ampeln schafft. Und noch ein Kopfbau, klar. Aufgeständert wirbt ein städtisches Immobilienunternehmen dafür, bei ihm zu mieten. Darunter ein eingeschobener Flachbau, einst wegen der uneingeschränkten Öffnungszeiten beliebtes Absackerlokal von Partyheimkehrern, dann kaputtsaniert, nun Drogeriemarkt. Besser für die Gesundheit, nicht nur des Kopfes.