Des Zentralgestirns Wirkmächtigkeit

Manchmal schaffen es auch sogenannte Selbstständige, an einem regulären Sonntag einfach so auf der Wiese zu liegen. In unserem Falle das Neue Rathaus der Heldenstadt im Blickfeld, trotzdem ziemlich ruhig, abgesehen von schimpfenden Raben, die auf Restbestände vom Grillgut warten. So rumhängend denke ich Sonne tanken oder Batterien aufladen und schon ist es vorbei mit der seelischen Ruhe. Wie sind wir (oder ich, um niemand in Sippenhaft zu nehmen) doch in der Technikabhängigkeit gesunken, wenn einem nur solche Metaphern einfallen. Was haben gestresst-prekäre Intellektuelle vor Erfindung von Eisenbahn, Glühbirne, Ottomotor in solchen Fällen gedacht? Da muss ich mal Andreas Eichler fragen, derzeitiger Vorsitzender des Sächsischen Schriftstellervereins. Ihn kenne ich zwar seit zwanzig Jahren recht gut, aber etwas verdutzt habe ich vor einem Jahr trotzdem geguckt, als er bei einer Podiumsdiskussion auf meine Frage, welche Bücher der letzten Jahre ihn beeindruckt hätten, antwortete: „Ich lese keine Gegenwartsliteratur, nur 18. Jahrhundert.“ So geht es auch, da hat man immer ein Herder-Zitat zur Hand, sogar zum Ozon-Loch. Dann verwundert es auch nicht, dass ich in diesem unwichtigen Posting keinen Link zum Sächsischen Schriftstellerverein setzen konnte. Der hat naturgemäß keine Internetseite.

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Eine Antwort auf Des Zentralgestirns Wirkmächtigkeit

  1. Tobias Prüwer sagt:

    Ja, das ist fürwahr ein eigenartiges Phänomen. Im täglichen Sprachspiel zumindest hat sich La Mettries lapidarer Befund durchgesetzt: „Der Mensch eine Maschine“. Im „Walten und Schalten“ „funktionieren“ wir, arbeiten manchmal im „Leerlauf“. Uns fehlt der „Antrieb“ oder wir sind komplett „ausgebrannt“. Hier ist ein Wandel im Mensch-Maschine-Verhältnis zu beobachten. Hat man also ehemals die Apparate anthropologisiert, um sie sich verständlich zu machen, dienen gerade diese uns gegenwärtig als Muster für den Menschen. So sind beispielsweise die ersten Rechenmaschinen als elektronische Hirne quasi vermenschlicht worden, während nun genau diese Apparate und das ihnen unterliegende binäre Schema als Ideal von Intelligenz gilt. Heinz von Förster hat dies einmal als „anthropomorphia inversa“, also umgedrehten Anthropomorphismus genannt. Die einst metaphorisch gedeuteten Objekte finden sich wieder als Deutungsvorbild. Was nun Heine dazu gesagt hätte, damit kann ich nicht dienen. Aber ein Nietzschezitat beifügen: „Prämissen des Maschinen-Zeitalters. – Die Presse, die Maschine, die Eisenbahn, der Telegraph sind Prämissen, deren tausendjährige Conclusion noch Niemand zu ziehen gewagt hat.“

    Beste Grüße,

    Tobias Prüwer

    P.S.: Zum Thema Technikphilosophie habe ich auch einmal einen Blindflug gewagt (fall es von Interesse ist): http://www.cultiv.net/cultranet/1148141566Nur_eine_Frage_der_Technik.pdf

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