Mein erster Theaterbesuch seit einiger Zeit am gestrigen Abend war mit mehreren Überraschungen verbunden. Entgegen den so häufig zu hörenden Behauptungen, das Centraltheater leide unter einer katastrophal geringen Auslastung, war der Saal voll fast bis auf den letzten Platz. An einem Montag. Und es war ein bunt gemischtes Publikum vom Teenager bis zum traditionellen Theatergänger der alten Schule.
„Arsen und Spitzenhäubchen“ stand auf dem Programm, inszeniert vom Enfant terrible Sebastian Hartmann himself. Glaubt man den Presseberichten der laufenden Spielzeit, hätte man also mit pausenloser Brüllerei, Sex on Stage und politischen Provokationen rechnen müssen.
Stattdessen: Klaumauk bis zum Gehtnichtmehr auf einer ganz und gar altbacken gestalteten Guckkastenbühne. Die Darsteller haben offensichtlich Spaß daran, ihre komödiantischen Fertigkeiten voll ausleben zu dürfen (was sie durchweg gekonnt tun), ohne auf die Inhalte achten zu müssen. Die gibt es nämlich nur in Ansätzen. Aber ohne jeden Tiefsinn. Obwohl das Stück von Joseph Kesselring während des Zweiten Weltkrieges entstand, bleibt das Politische außen vor. Selbst die Rolle des geistig verwirrten Tedd, der sich für den US-Präsidenten hält, wird nicht für Anspielungen auf Gegenwärtiges ausgeschlachtet.
Das Publikum findet mehrheitlich Gefallen an der wüsten Klamotte. Wozu dies aber gemacht wurde, bleibt etwas schleierhaft. Slapstick-Humor kann man anderswo als im kommunalen Theater auch erleben, wenn auch nicht unbedingt auf fast drei Stunden ausgewalzt. Da der Hautdarsteller ein Theaterkritiker ist, ein Polizist in der Nebenrolle hingegen verhinderter Bühnerautor, und demzufolge auch immer wieder und zum Ende hin gesteigert mit der Perspektivenverschiebung Spiel-Realität gearbeitet wird, liegt die Vermutung nahe, dass es eine kleine Rache Hartmanns ist an der nicht abreißenden Kritik an seiner Intendantenrolle sein könnte. Der Aushilfskritiker Mortimer wird zwar nicht direkt zum Trottel gemacht (das ist eher der Möchtegernautor), aber seine Kompetenz doch reichlich beargwöhnt. Ein Schlüsselsatz der Inszenierung ist deshalb vielleicht dieser, als Mortimer, nachdem er von seinen mörderischen Tanten einen Spiralblock bekommt, ausruft: „Da kann ich den Text über diesen Scheiß ja schon auf dem Weg ins Theater aufschreiben.“
Ich habe diesen Text allerdings erst einen knappen Tag danach verfasst. Ist ja aber auch keine professionelle Kritik.
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