Eine gestern gehabte Diskussion, ob denn Kultur- und Freizeiteinrichtungen in einer Großstadt schön gleichmäßig verteilt liegen sollten, oder besser zum Klumpen geballt, lässt mich wieder einmal an den Gesetzen der formalen Logik zweifeln. Demnach wäre es tatsächlich sinnvoller, dass beispielsweise jede Kneipe ihren eigenen Kundeneinzugsradius hat, der nächsten also nicht zu nahe rückt. In der Praxis ist das Gegenteil der Fall.Da wo sich fünf Gaststätten zusammenfinden, sind ein Jahr später mit Sicherheit fünf weitere als Nachbarn hinzugekommen. Und das Ganze funktioniert trotzdem oder gerade deshalb. Siehe Gottschedstraße in Leipzig. Würde man da vorab mit „Machbarkeitsstudien“ rangehen, käme solch eine Ballung niemals zustande.
Oder ein anderes Beispiel, um von den ganz profanen Genüssen etwas abzurücken. Hätte vor zehn Jahren jemand prognostiziert, dass sich in einem ruinösen Fabrikareal am hintersten Ende von Plagwitz und Lindenau ein Kunstzentrum von internationaler Ausstrahlung festsetzen kann, den hätte man zum Psychiater geschickt. Genau das ist aber mit der Baumwollspinnerei geschehen. Da der Erfolg selbst für die Initiatoren unerwartet groß war, musste schon ein engmaschiges Sieb für Neuansiedlungen zwischengeschaltet werden. Eben deshalb entstand wenige hundert Meter entfernt ein zweites Galerienkonglomerat in der ehemaligen Tapetenfabrik. Es sieht so aus, dass Nachfrage mit dem Angebot wächst. Studien zum gegenwärtig herrschenden Interesse an bestimmten Dingen müssen wohl immer in die Irre laufen. Das erinnert an die Einschätzung eines „Experten“ vor mehreren Jahrzehnten: Ich schätze den weltweiten Bedarf an Computern auf fünf Stück ein. Genau mit dieser Expertenkenntnis urteilen viele Verantwortliche in Chemnitz, ob man denn in dieser Stadt ein Szeneviertel mit gebündelten subkulturellen Freizeitangeboten benötigt. Sicherlich nicht.