Es gehe um Weiterentwicklung, nicht um einen Neuanfang, sagt Alfred Weidinger, seit 1. August Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig. Was er dann aber aufzählt an Vorhaben, klingt doch ziemlich nach Reset-Taste.
Das geht schon los mit der Raumstruktur der Glaskiste. So viel ungenutzter Raum, der nach einer Bespielung ruft. Da dieser Raum sich hauptsächlich vertikal erstreckt, werden es wohl keine Gemälde, Grafiken und Bronzeplastiken sein, die da aufgehängt werden. Carsten Höller oder Ai Weiwei stehen ohnehin nicht für solche traditionellen Medien. Schillernde Namen der aktuellen Kunstszene ins Haus zu holen ist die eine Seite des Konzeptes. In der Hoffnung, damit die Einnahmen zu steigern, soll auf der anderen Seite der Nachwuchs gefördert werden, speziell der lokale. „Connect Leipzig“ nennt sich eines der Projekte. Mal dahingestellt, warum es unbedingt ein Anglizismus sein muss, ist es durchaus zu begrüßen, das Museum mehr mit der Stadt zu verknüpfen. Und mit ihren Künstlern, von denen es in Leipzig, so Weidinger, mehr als sonst irgendwo gäbe. Jeden Monat wird ab kommenden Januar Eine (Frauenquote 50 % plus) oder Einer einen Raum ganz nach eigenem Gutdünken nutzen können. Sogar ein separater Eingang sei machbar, wenn gewünscht. Die Altersgrenze von 30 Jahren erscheint aber ziemlich tief angesetzt zu sein. Da sind viele noch gar nicht mit dem Studium fertig.
Das ganze Untergeschoss wird künftig zu einer Weihestätte der Leipziger Schulen. Gemeint sind nicht die Bildungseinrichtungen, sondern tatsächlich die immer wieder umstrittenen Etiketten für bestimmte Generationen von Künstlern, speziell Malern. Der zentrale Raum soll dauerhaft der DDR-Kunst vorbehalten sein, die Leipzig ab den 1960ern überhaupt erst zu einem nennenswerten Standort der Malerei gemacht hat. Ein weiterer Saal gehört dann den Nachfolgern um Rauch, Schnell, Ruckhäberle & Co. Und schließlich eben die gegenwärtige Produktion.
Strukturell bedeutet dies, dass große Sonderausstellungen künftig in andere Räume der Obergeschosse integriert werden müssen. Die gesonderte Eintrittskarte nur für diese Ausstellungen dürfte damit obsolet sein.
Um Klinger kommt auch Weidinger nicht herum. Doch er, der zumeist als Klimt-Spezialist vorgestellt wird, will diesen „furchtbaren Maler“ vom Sockel holen und in den Kontext einordnen, also das 19. Jahrhundert. Nur durch eine Verortung in der internationalen Kunstgeschichte sei verstehbar, weshalb Klinger und seine Idee des Gesamtkunstwerkes eine derart starke Wirkung auf die Wiener Avantgarde haben konnte.
Ein weiterer Schwerpunkt des neuen Direktors ist es, Leipzig als Wiege der deutschen Frauenrechtsbewegung zu würdigen. Eigentlich scheint das eher eine Aufgabe anderer Institutionen zu sein. Aber Yoko Ono als eine der eigenwilligsten Nachfolgerinnen Clara Zetkins gehört natürlich ins MdbK.
Noch eine seiner „Säulen“ hat politische Konnotationen. Leipzig erlebe er als eine Stadt von großer Weltoffenheit, das müsse sich im Museum widerspiegeln. Im direkten Vergleich mit Dresden mag das durchaus stimmen. Doch gerade in diesem Punkt kann es vorkommen, dass dem Österreicher hier noch einige weniger angenehme Erfahrungen bevorstehen. Man muss sich nur an den unsäglichen Brief einiger Intellektueller zur Beethoven-Plastik von Lüpertz erinnern, um an der grenzenlosen Offenheit leise zu zweifeln.
Schließlich sei noch die Fotografie samt angrenzender Bereich der Medienkunst eine der Säulen. Gut so, Leipzig als traditionellen wie auch aktuellen Hotspot dieses Genres zu beleuchten, ist auf jeden Fall sinnvoll. Vielleicht ist dann auch eine bessere Verzahnung mit dem Festival f/stop machbar.
Die Pläne hören sich interessant an. Vorläufig aber herrscht Ruhe. Hans-Werner Schmidt scheint eine große Ebbe nach seinem Abgang inszeniert zu haben. Im August eröffnet eine Kabinettschau mit Grafiken aus dem Bestand, im November dann mit Ayşe Erkmen (Istanbul) und Mona Hatoum (Beirut) die erste größere Sonderausstellung seit langem. Vielleicht ist es gut, für einen neuen Chef auf so eine tabula rasa zu treffen und nicht zu fremdbestimmten Vernissagen auftreten zu müssen. Da man aber die Vorbereitungszeit eines großen musealen Projektes eher in Jahren als Monaten bemisst, steht für das ganze Team nun sicherlich eine Masse Arbeit an, um wenigstens 2018 etwas Attraktives anbieten zu können. Einen Titel zumindest hat Weidinger schon benannt: „Ich male!“ darf Arno Rink im kommenden Jahr verkünden. Daran zweifelt niemand, doch auch das „Making of“ wird Bestandteil der Schau sein.