Die Anfrage der Betreiberin des Blogs leipzig-leben.de, zum ersten Geburtstag so wie andere Blogger etwas zum Thema „Lieblingsorte in Leipzig“ zu posten, hat mich heftig ins Grübeln gebracht. Was ist mein Lieblingsort? Vielleicht der Clarapark bei schönem Wetter? Der Cospudener See bei noch schönerem Wetter? Die Spinnerei? Die Moritzbastei? Irgend eine Ecke der City? Die Karli? Oder doch lieber die Wiese vor dem Haus, von der ich das Neue Rathaus sehe und trotzdem mehr Ruhe habe als in manchem Dorf?
Nun habe ich mich für einen ziemlich seltsamen Ort entschieden, der überhaupt nicht schön ist, und zu dem ich auch nie vorsätzlich hingehe. Es ist der südliche Stadteingang, wenn man von Markkleeberg aus die Schnellstraße reinkommt, wo so ein hässlicher Betonlöwe rumsteht.
Am 31. Januar 2006 fuhren wir mit unserem alten, vollgepackten Hyundai an dieser Stelle vorbei. Ich glaub, die Sonne schien. Jedenfalls kommt es mir in der Erinnerung so vor. Zwei Stunden hatten wir in Chemnitz die Schlüssel unserer Wohnung für immer abgegeben. Achtzehn Jahre in dieser Stadt waren zu Ende. Da kann eigentlich nur die Sonne scheinen.
Warum Leipzig? Als wir uns – viel zu spät – entschieden, aus Chemnitz zu flüchten, standen Dresden und Leipzig zur Wahl. Berlin war zu weit weg, um zu dem immer noch vorhandenen Job dahin zu pendeln. Dass es richtig war, nicht Dresden zu wählen, erfahren wir immer wieder, wenn wir mal da sind. Bei all der optischen Pracht – die Luft steht, und die Leute mit ihr.
Ich bin zum Leipziger Lokalpatrioten geworden. Das heißt nicht, dass wir nicht irgendwann mal weiterziehen. Und es heißt auch nicht, dass sich die Macken der Stadt und der Lokalpolitik ignoriere. Aber im Moment ist es genau die Stadt, in der ich gern lebe. Schon wegen der vielen Orte, die ich mag, zwischen denen ich kein Ranking aufstellen kann. Und weil diese Orte so beieinander liegen, dass ich sie zu Fuß, mit dem Rad oder notfalls der Straßenbahn gut erreichen kann. Aber es ist eben auch der spezifische Geist, der kaum fassbar ist, aber herumwabert. Hier geht was. Hoffentlich noch lange.
Vor zwei Tagen bin ich wieder an dem Ortseingang vorbei gefahren, in einem Opel von TeilAuto (eine eigene Karre brauchen wir nicht mehr). Es regnete. Aber für mich schien trotzdem sie Sonne auf diesen hässlichen Löwen.
Schöne Wahl! Frank Heinrich Müller hat diesen der drei Leipziger Löwen mal für die wundervolle Postkartenserie „7 x 7 x Leipzig“ fotografiert:
http://www.leipzig-blaugelb.de/backstage_blaugelb/unser_leipzig/zeichen/karte_001.php
Gesponsert von Berninger/Kulturtraeger, dem Leipzig u. a. auch den Rundgang verdankt, zusammen mit Andre Kermer, was längst vergessen ist, nicht zuletzt, weil die Spinnerei es mit ehrlicher Erinnerung so gar nicht hat.
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Witzig. Ich finde genau diese Einfahrt in die Stadt schön. Siel leigt einem, auf der Schnellstraße kommend, sozusagen zu Füßen. Links und rechts das grün der Parks und Auwälder, voraus die Silhouette der Stadt. Und der Löwe ruft mir immer ein „Willkommen zu Hause“ zu
Na ja, schön kann ich so eine Schnellstraße nicht finden, auch nicht wenn sie einen Wald zerschneidet. Aber im April ist es berauschend, dort den Bärlauchduft zu inhalieren.