Auch ohne den Auftrag einer lokalen Tageszeitung hatte ich mir vorgenommen, das Kunstfest Lindenow#8 anzusehen. Die zwei Ausflüge in Leipzigs mittleren Westen hinterließen etwas Frust und viel Begeisterung. Am Freitag brach ich die Exkursion nicht nur wegen des ekligen Wetters genervt ab. In mehreren Locations wurde ich seltsam angesehen, warum denn da schon jemand rumsteht, obwohl noch gar nicht aufgebaut ist. Anders in der ehemaligen Globusfabrik. Da waren über zwei geräumige Etagen im Hinterhofgebäude schon dutzende Bilder ordentlich gehängt. Der dort ansässige Künstler, an einem weiteren Gemälde arbeitend, begrüßte mich auch als ersten Besucher. Doch den Ort zu finden, war nicht so einfach. Meine Anregung, doch wenigstens ein Plakat draußen an der Straße aufzuhängen, setzte er auch sofort um, ergänzt durch Pfeile aus Klebestreifen auf dem Boden.
Am Sonnabend war das Wetter zwar nahezu perfekt für die ziemlich ausgedehnte Wanderung zwischen Bahnhof Plagwitz und Straßenbahnhof Angerbrücke, doch auch da stand ich (nicht als Einziger) vor einigen verschlossenen Türen, so beim „Lindenau“ Endersstraße 19, dem „Ortloff“ Jahnallee 73 oder der „Praline“ Lützner Straße 39. Über die drei Tage der Festivaldauer könnte man die Beteiligten eigentlich verpflichten, auch einheitliche Öffnungszeiten einzuhalten.
Doch diese Negativerlebnisse wurden auf jeden Fall durch den Eindruck aufgehoben, dass da zwischen Karl-Heine-Kanal und Lindenauer Markt eine enorme Dichte von Kunststandorten entstanden ist. Gut, manche waren extra für dieses Wochenende eingerichtet worden, zumeist aber aus existenten Ateliers, WGs oder sonstwie aktiven Kernen. Doch allein die Zahl der sogenannten Kunsträume, also offenbar Minigalerien ohne ausliegende Preisliste, ist schon beachtlich. Von wegen Verödung der Galerienlandschaft in Leipzig. Wenn man den Fokus nicht vordergründig auf den finanziellen Umsatz richtet, ist da offenbar viel Zuwachs vorhanden. Und da waren nun eben beim Lindenow weder Verkaufsgalerien wie Potemka und Naehring, noch das Tapetenwerk und die Spinnerei (alle im Einzugsbereich gelegen) dabei.
Dass man da manchmal durch zugestellte Hausflure und müllhaldenartige Hinterhöfe klettern musste, ist nicht schlimm. Das macht schon ein bißchen den Charme der Aufbruchstimmung mit aus. Und das wenigste, was man dann zu sehen bekam, ist amateurmäßige Bastelei. Viele der Beteiligten sind hauptberufliche Künstler, Studenten oder Meisterschüler einer Kunsthochschule.
Vielleicht ist so ein Wochenende besser noch als die offiziellen Rundgänge der großen Kunstumschlagplätze geeignet, zu zeigen, dass Leipzig tatsächlich ein ganz brauchbarer Platz für die Kunstproduktion und -vermittlung ist. Die organisatorischen Mängel müssten sich mit vertretbarem Aufwand beheben lassen.
Allerdings: Da schwebt so ein Geier namens Gentrification über dem Terrain. Die Pionierarbeit der Leute, die etwas anders ticken als der Durchschnitt, erzeugt gesteigertes Interesse der Immobilienfachleute. Vielleicht muss die Karawane bald weiterziehn. Leutzsch? Eisenbahnstraße? Oder?