„Offene Zweierbeziehung“ am TdjW Leipzig.
Es ist das Thema Nummer Eins der Literatur, des Theaters, des Films – das scheinbar so schwer umsetzbare stabile und dabei auch noch harmonische Zusammenleben eines Paares, das wegen des Dauerkonflikts der natürlichen (und damit sexuellen) und der intellektuellen Seite des Menschen permanent zu scheitern droht. Spätestens seit den wilden Sechzigern wird als eine Alternative zur Alternative Unterwerfung vs. Trennung die „offene Zweierbeziehung“ diskutiert und ausprobiert. Nur ist sie dann eben keine Zweierbeziehung mehr, wenn man die Mathematik ein bisschen ernst nimmt.
Gar nicht sonderlich ernst nehmen Nobelpreisträger Dario Fo und seine Frau Franca Rame das Thema. Die unzähligen Selbstmordversuche in dem kaum länger als eine Stunde dauernden Stück sind immer ziemlich lächerlich, die Dialoge nicht unbedingt von reflektierendem Tiefgang gezeichnet. Auch wenn das Autoren-Duo ansonsten für politische Aussagen bekannt ist, fehlen diese in „Offene Zweierbeziehung“ weitgehend. Zwar wird die Frau ganz nach dem tradierten Rollenverständnis als Opfer des wollüstigen Gatten dargestellt, aber keinerlei Feminismus der verbissenen Gangart zelebriert. Zeigefinger auf die bürgerliche Gesellschaft als eigentliche Ursache der Zerrüttung sind ebenso wenig zu erkennen. Statt dessen werden so ziemlich alle Klischees durchgenommen, die in solch einer Konstellation stecken, mit Ausnahme der Option, dass mindestens einer der Partner homoerotische Neigungen entdeckt.
Jürgen Zilinski inszeniert die Komödie am Theater der jungen Welt locker-leicht, ohne die Versuchung, etwas hineinzupacken, was gar nicht im Text steht. Einige vorsichtige Modernisierungen gibt es allerdings. So konnte der „Held“ 1983, als das Stück erstmals auf Deutsch erschien, natürlich noch nicht beiläufig eine SMS an die Geliebte eintippen, während er der Gattin erklärt, welche Achtung er ihr entgegenbringe. Das gekonnte Spiel von Sonia Abril Romero und Roland Klein trägt entscheidend dazu bei, dass aus der Farce keine Klamotte wird.
Am Ende wird klar, was eigentlich auch vorher schon fast jedem klar war. Die große Offenheit, die in der Gesellschaft, der Software, der Informationsverbreitung gerade so eindrucksvoll im Kommen ist, erscheint für die Liebe zwischen zwei Menschen nach wie vor ungeeignet. Insofern kann man die Vorlage von Fo und Rame auch als eine Abrechnung mancher eigener Illusionen der 68er-Generation lesen.