Am Freitagabend durfte ich der Vorbereitung eines Begräbnisses beiwohnen. Offiziell nannte sich das Ganze Vernissage der Designer´s Open 2016, auch wenn zahlende Besucher schon den ganzen Tag die Verkaufsveranstaltung ansehen konnten. Aus irgendeinem Grund gehörte ich zu den Privilegierten, die eine Einladung zum abendlichen Event mit Modenschau und Livemusik bekamen. Das Catering war hervorragend. Leider hatte ich – unwissend – spät zu Mittag gegessen, konnte mich darum gar nicht so richtig vollschlagen.
Auch die eigentliche Ausstellung war nicht schlecht. Schöne Sachen, viel Edles von Jacken aus handgesponnener Cashmere-Wolle bis zu Schmuck mit schwarzen Zuchtperlen. Entsprechend gehoben das Preisniveau. Dazu dann aber Malerei und Grafik, die bei keiner ernst zu nehmenden Kunstmesse eine Chance hätte.
Mit Ausnahme des Vorjahres habe ich wohl von Beginn an alle Ausgaben Designer´s Open gesehen, einmal auch aus der Ausstellerperspektive. Die lange durch vakante Räumlichkeiten der Innenstadt vagabundierende Veranstaltung wuchs ständig, wurde in thematische Bereiche unterteilt. Dass den ursprünglichen Organisatoren, die das nebenberuflich stemmten, der Erfolg zum Verhängnis wurde, ist verständlich. Die Übernahme durch die Messegesellschaft sah wie eine Rettung aus, erweist sich nun aber nach vier Jahren als subventionierte Sterbehilfe.
Nach den früheren Provisorien sieht es jetzt sehr schick aus, auch der Umzug in die citynahe Kongresshalle erscheint als Gewinn. Das Ambiente ist wertig, auch die ausgestellten Dinge könnten nun zum großen Teil bei der Grassimesse zu sehen sein. Was nach Fortschritt aussieht, ist allerdings das eigentliche Problem.
DO war mal das schmuddelig-sympathische Pendant zur altehrwürdigen Grassimesse, bei welcher gutbetuchtes, bürgerliches Publikum sich mit schönem, teurem, materialintensivem Kunsthandwerk eindeckte. Bei DO fanden sich die experimentierfreudigen, finanziell prekären, jungen oder auch nicht mehr so ganz jungen Gestalter wieder. Mit der Zeit kamen dann auch Bereiche hinzu, die mit ausgereiftem Design noch gar nicht so viel zu tun hatten, wohl aber die technologischen Grundlagen dafür vorbereiteten. Wer vor fünf Jahren beispielsweise wissen wollte, was mit 3D-Druck heute machbar ist, musste zur DO gehen. Zwar gibt es mit dem Green Product Award immer noch einen kleinen Einschub, der nach Grundlagenforschung aussieht, die Ausstellung bzw. Messe ist jedoch unterdessen zu einem dünnen Zweitaufguss der Grassi geworden.
Doch sogar diese Charakterisierung ist nicht einmal stimmig. Unter dem Konkurrenzdruck der DO hat sich die Grassimesse geöffnet. Manchmal sahen die angestrengten Versuche, jung und hip zu sein, schon skurril aus. In diesem Jahr nun wirkt Grassi auf unaufgeregte Weise innovativer als DO. Es gibt mehr Schräges, Buntes, Seltsames, Hochtechnologisches zu sehen, aber auch der Anspruch nach verantwortlichem Umgang mit Ressourcen ist zumindest teilweise angekommen.
Die Designer´s Open 2016 sahen nett aus. Zu nett. Das anarchische Moment ist weg. So stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung. Grassi für Arme ist es nicht einmal. Standgebühren wie auch Eintrittspreise haben sich angenähert. Ich wage eine Prognose. Im kommenden Jahr wird es DO noch einmal geben, aber in Form eines Staatsbegräbnisses. Dass der Sächsische Staatspreis für Design erstmals nicht hier vergeben wurde, sondern am Montag danach in Dresden, mag Zufall sein, sieht aber nach einem Mentekel aus.