Post von Frau Staatsanwältin

Briefe in Recyclingpapier-Umschlägen lege ich immer erst mal beiseite. Zu 90 Prozent sind es Rechnungen oder Mahnungen. Das hat Zeit. Aber auf diesen Brief mit dem Absender Staatsanwaltschaft Leipzig habe ich gewartet.

Für meine Facebook-Kontakte zur Erinnerung und alle nicht FB-affinen Seitenbesucher zur Aufklärung. Am 23. September nahm ich nach einer längeren, dem Zeitmangel geschuldeten Pause wieder einmal an den Protesten gegen Legida teil. An diesesem Tag zogen die Legionellen um einen Teil des Ringes zum Neuen Rathaus, einen Sarg vor sich hertragend, in dem sie symbolisch ihre Versammlungsfreiheit wähnten. Jeder der mehreren hundert zur Bewachung eingesetzten Polizisten hätte sich davon beleidigt fühlen müssen, wurde doch behauptet, er tue seine Arbeit nicht.Doch es kam anders. Beim Europahochhaus stand ich allein hinter der sehr lockeren Postenkette, trat darum nahe an die Marschierer heran und sagte, für was ich sie halte: Nazis!

Ein Polizist, dessen Namen ich nun erstmals aus der Schrift der Staatsanwaltschaft erfahre, kam auf mich zu und sagte, Beleidigungen seien verboten. Darauf entwickelte sich folgender Dialog:

„Ist es denn eine Beleidigung, Nazis als Nazis zu bezeichnen?“

„Ja.“

„Ich habe die Demonstrierenden gemeint, fühlen Sie sich selbst angesprochen?“

„Ja.“

„Dann sind Sie also auch Nazi?“

„Ja, darum erstatte ich jetzt Anzeige wegen Beleidigung.“

Er nahm im Beisein eines Kollegen meine Personendaten auf, während ich seine nicht erfahren durfte und erteilte mir einen Platzverweis.

Ende Oktober kam dann die Aufforderung der Polizeidirektion, ich dürfe zur Anzeige Stellung nehmen. Darin heißt es, ich hätte zu dem Beamten „Du Nazi!“ gesagt und weiterhin „Alle sächsischen Polizisten sind Nazis.“

Das muss schon deshalb falsch sein, weil ich weder Nazis noch Polizisten je duze. Und auch die zweite Aussage habe ich bestimmt nicht gemacht, da ich aus Erfahrung weiß, dass es auch anständige sächsische Polizisten gibt.

Im Brief der Staatsanwältin steht nun noch mal das Gleiche, quasi als Tatsachenfeststellung. Ein Unterschied nur: Ich hätte gleich zwei Mal „Du Nazi!“ gesagt.

Es wird vorgeschlagen, die Sache fallenzulassen, wenn ich 200 Euro an das Kinderhospiz Bärenherz zu spenden. Da wäre das Geld zweifellos besser aufgehoben, als es für Anwalts- und Gerichtskosten auszugeben. Dennoch habe ich mich entschieden, nicht auf den Deal einzugehen. Damit würde ich ja quasi zugeben, dass es so war. Mein Verständnis von Rechtsstaatlichkeit ist aber, dass vom Obdachlosen bis zum Bundespräsidenten vor dem Gesetz alle gleich sind, also die Behauptungen eines Polizisten trotz seines Status nicht einfach als wahr hingestellt werden können.

Und wenn die Verhandlung durch ist, werde ich sicherlich für das Kinderhospiz Bärenherz spenden.

 

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Eine Antwort auf Post von Frau Staatsanwältin

  1. Schade, Sylvia sagt:

    Lieber Herr Kassner, da platzt einem echt die Hutschnur, was man hier lesen muss. Es tut uns sehr leid, was Ihnen da passiert ist. Sie, als guter Journalist und kulturvoller Mensch, würden sich doch niemals auf dieses Niveau herunter begeben . Das ist doch Machtausübung an der falschen Stelle an der Tagesordnung. Sie haben es vollkommen richtig gemacht, nicht kleinbei zu geben!
    Ist es nicht schlimm, wie die Stimmung aufgeheizt ist, dass die Menschen kaum noch ein Gefühl für ihr Gegenüber besitzen und überhaupt nicht mehr aufeinander zugehen… können oder wollen.
    Alles Gute für Sie
    Sylvia Schade

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