Hier erst einmal die Weiterleitung einer Protesterklärung des Leipziger Literaturverlages. Zu der Sache werde ich mich in Kürze noch selbst äußern:
Protesterklärung gegen die Vereinnahmung Rilkes und des Leipziger Literaturverlages als Rilke-Herausgeber
Der Leipziger Literaturverlag distanziert sich mit aller Entschiedenheit vom Versuch der Internetplattform „Blaue Narzisse“, den Dichter Rainer Maria Rilke für politische Meinungsbekundungen zu mißbrauchen. Der Leipziger Literaturverlag ist bekannt für sein Engagement, der Literatur kleinerer Länder Europas in Form zweisprachiger Ausgaben eine Stimme zu verschaffen und eine Brücke zu bauen, die der Verständigung dient. Die Vertreter dieser Internetplattform, die sich hinter der Maske des „Vereins für Jugendkultur und Journalismus e.V.“ in Chemnitz verstecken, benutzen die hohe Reputation, die Rilke in der Literatur genießt, in heuchlerischer Weise als Vorwand, um ihre nationalistische Haltung in der bürgerlichen Mitte sowie in linken und liberalen Milieus salonfähig zu machen. Der von dem Verein ausgeschriebene sogenannte „Rilke-Jugendpreis“ wird als trojanisches Pferd losgeschickt, um Harmlosigkeit vorzutäuschen, während sich hinter der Fassade keine literarischen oder künstlerischen, sondern politisch-extreme Absichten verbergen. Doch Rilke gehört allein der Dichtung und jeder Versuch, ihn vor den Karren nationalistischer Anschauungen zu spannen, wird langfristig scheitern. Die Rilke-Übersetzerin Margret Millischer trat der nationalistischen Vereinnahmung Rilkes energisch entgegen. In ihrer Entgegnung stellte sie heraus, daß Rilke weder als deutscher noch als ausschließlich deutschsprachiger Dichter betrachtet werden kann. In Prag geboren war er zunächst österreichischer, später tschechoslowakischer Staatsbürger. Als Wanderer in Europa lebte er die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich oder in der französischsprachigen Schweiz, denn er reagierte allergisch auf den militärischen Korpsgeist, den er im Österreich der k.u.k.-Monarchie, aber auch im spätwilhelminischen Deutschland empfand. Seine Freunde und Förderer waren über ganz Europa verstreut. Ohne ihre Unterstützung hätte Rilke sein großartiges dichterisches Werk nicht schaffen können. Der Leipziger Literaturverlag fühlt sich der Wahrheit verpflichtet und lehnt jegliche Vereinnahmung Rilkes für nationale Interessen ab.
Viktor Kalinke & Silke Brohm
Leipziger Literaturverlag
Na ja, diese „Protesterklärung“ ist m. E. kein Ruhmesblatt für den Verlag, der wohl zu Recht bislang meiner Aufmerksamkeit entgangen ist. Fast scheint es, als hätte ausschließlich die Furcht, mit irgend etwas „Rechten“ in Verbindung gebracht zu werden, den Autoren die Feder geführt. Das Resultat ist ebenso kläglich wie zeitgeistselig, womit es dann aber recht gut zu dem denunziatorischen Artikel des Blogbetreibers in der LVZ paßt. Ich glaube auch nicht, daß es dem Autor des legendären Cornets recht wäre, auf diese Weise zum Staat- und Heimatlosen gestempelt zu werden. „Europäer“ gibt es ebensowenig wie „Weltbürger“. Das sind Fiktionen ohne jede innere Substanz. Reiner Maria Rilke ist und bleibt ein deutscher Dichter, der über diese Diskussion bestenfalls den Kopf schütteln würde. Wahrscheinlich aber würde er sich angewidert abwenden, und das bestimmt nicht wegen der blauen Narzisse.
Wieso sind „Weltbürger“ eine Fiktion ohne innere Substanz? Ob jemand bodenständig an einen Ort und eine Sprache gebunden bleiben will, ist seine persönliche Sache. Dennoch gibt es Zigtausende, viele gerade aus dem künstlerischen Bereich, für die es nicht gilt, die mehrere Wohnsitze in verschiedenen Ländern haben und in mehreren Sprachen arbeiten. Wer solch eine Haltung für sich selbst in Frage stellt, kann es ruhig tun, es anderen abzusprechen zeugt aber nur von beschränktem Horizont. Inwieweit Rilke ein „deutscher Dichter“ ist oder Europäer, kann ich schwer einschätzen, so gut habe ich mich nicht mit ihm beschäftigt. Denn es stimmt schon: Es geht bei der Debatte nicht wirklich um Rilke, sondern um die Verbreitung rechtsradikalen Gedankengutes.
Nun wird mein Artikel aber zum wiederholten Male als „denunziatorisch“ oder „diffamierend“ bezeichnet ohne einen einzigen Nachweis zu liefern, welche Behauptung denn nicht stimmt. Es muss wohl schwer sein, da etwas Konkretes zu finden. Also bleibt es bei Behauptungen.
Da Sie offensichtlich nicht einmal wissen, was unter „denunziatorisch“ zu verstehen ist (mit Unwahrheit hat der Begriff nichts zu tun), hier die Definition: „Beschuldigung oder Anzeige einer Person oder Gruppe aus persönlichen oder politischen Beweggründen, von deren Ergebnis der Denunziant sich selbst oder den durch ihn vertreteten Interessen einen Vorteil verspricht.“
Genau diese Definition erfüllt Ihr LVZ-Artikel, indem Sie das Rilke-Projekt anhand von negativen Interpretationen des BN-Blogs als rechtsextrem zu denunzieren suchen, was ja – wenn ich die in jeglicher Hinsicht erbärmliche „Protesterklärung“ der Verlagsduckmäuser lese – dann auch den erwünschten Erfolg in der Öffentlichkeit gezeitigt hat.
Daß Sie diesen konformistischen Schwachsinn der Verlags-Oberen, der mich an die Einlassungen 14-jähriger FDJ-Sekretärinnen aus meiner längst entschwundenen Jugend erinnert – dann auch noch voller Genugtuung auf Ihrer Webseite publizieren, spricht ebenfalls Bände.
Oh, eine tolle Definition für „denunzierend“. Danke. Das mit dem Vorteil geht mir zwar nicht ganz auf. Klar gibt es Zeilenhonorar, aber das hätte ich mir leichter verdienen können mit einem freundlichen Artikel über irgend welche Blumenbilder oder Fantasy-Romane. Doch die Belehrung hat wirklich einen hervorragenden praktischen Sinn: Legen Sie Ihre Definition bitte als Schablone über die Blog-Beiträge der Blauen Narzisse. Zu einem beachtlichen Teil wird sie zutreffen! Jetzt bloß nicht sagen, es ginge ja nicht um den Blog, sondern den davon gänzlich abgehobenen Rilke-Wettbewerb! Bis auf die eigentlichen, wenigen Wettbewerbsbeiträge wurden alle Texte des Buches ebenda schon veröffentlicht. Manche meiner Zitate sind daraus entnommen.
Ich bitte Sie, ein „Vorteil“ muß doch nicht zwangsläufig finanzieller Natur sein. Das Verlangen, im Licht der Öffentlichkeit zu den „Guten“ bzw. „Anständigen“ zu gehören (wobei bei objektiver Betrachtung oft genug das Gegenteil der Fall ist) ist ebenfalls ein mächtiger Antrieb. Es ist halt seit 1968 en vogue, gegen „Rechts“ zu sein, wogegen zunächst nichts zu sagen wäre, wen sich diese Haltung inzwischen nicht zu einer regelrechten Paranoia ausgewachsen hätte. Tapfer gegen Rechts kämpfend ziehen die Lemminge Richtung Klippe …