Fast zwei Stunden Gespräch mit Christine und Arno Rink, kürzere mit Annette Schröter, Joachim Brohm und Titus Schade, Studium der nicht sonderlich umfangreichen Literatur zur Geschichte der HGB – in den letzten Wochen habe ich mich ziemlich intensiv mit der Hochschule beschäftigt. Und die Rektorin war zumindest so freundlich, schriftlich auf meine Fragen zu antworten. Manches von meinem Unbehagen hat sich währenddessen aufgelöst oder relativiert, andere Fragen und Zweifel bleiben virulent. Was muss mich als Außenstehenden eigentlich angehen, was aus dieser Schule wird? Für die Kultur dieser Stadt ist sie schon bedeutsam, auch als „Brutstätte“.
Für meinen noch nicht erschienenen LVZ-Artikel zum Profil der HGB hätte ich annähernd doppelt so viel Platz gebraucht. Und die rund 60 Tausend Zeichen Mitschrift des Gesprächs mit den Rinks für die kommenden Leipziger Blätter musste ich auf neun Tausend eindampfen. Leider ist für die HGB das 250jährige Jubiläum kein Anlass, sich vertieft mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen. Kommentar von Arno Rink: „Da müssen erst alle gestorben sein, die noch was erzählen könnten.“
Auf meine Frage, wie sie sich die Hochschule in zehn Jahren vorstelle, antwortet Ana Dimke unter anderem: „In der kommenden Dekade wird sich das Profil der HGB wahrscheinlich nicht grundsätzlich wandeln, dazu ist die Kunsthochschule zu etabliert und erfolgreich. Aber sie hat einen Generationswechsel vor sich, das bedeutet, dass ihre Studiengänge künftig von anderen künstlerischen Persönlichkeiten geprägt werden.“ Also keine strukturellen Umbrüche, aber andere Herangehensweisen. Dass die Handschrift der Professoren prägend wirkt, ist eine Selbstverständlichkeit, so wie auch der Fakt, dass es da Verschiebungen geben wird und muss. Selbst Rink meint, dass sie Leipziger Malerei ihre große Zeit gehabt habe, diese zweite Blüte schon unerwartet gekommen sei. Nun zu erwarten, dass da noch mal ein großer Schub hinterher kommt, sei unrealistisch. Und er ist ja als Realist bekannt. In der Malerei.
Jenseits dieser stets grob verallgemeinernden Etiketten Leipziger Schule und Neue Leipziger Schule ist aber die HGB als diejenige Akademie hierzulande bekannt, an der man noch richtig per Hand zeichnen lernt, ganz altmodisch vor einem Aktmodell oder in der Landschaft. Und dass Malerei dann auf Grundlage dieses mühsam erlernten Zeichnens entsteht, nicht durch Reproduktion und Verarbeitung schon medial vorgefundener Bilder. Noch stehen Doris Ziegler im Grundstudium und Annette Schröter im Hauptstudium für diese nicht stilistisch festzumachende, aber ein bestimmtes Prinzip verkörpernde Arbeitsweise. Noch. Dass dabei keine Schablone herauskommt, zeigen schon die heftigen Unterschiede in den Bildwelten der „Alten“ und heutiger Stars der Leipziger Szene. Und wofür man vor zwanzig Jahren noch ausgelacht wurde, scheint heute weithin anerkannte Gewissheit: Es wird auch weiterhin Bedarf an solch handwerklich fundierter Malerei geben. Aber wird Leipzig auch in zehn Jahren noch ein Ort ihrer Vermittlung sein? Sieht man sich Absolventen der letzten Jahre an wie etwa David O´Kane, Malte Masemann, Sebastian Nebe oder Robert Seidel wird klar, dass die schon nicht mehr so malen wie Rauch, Weischer, Baumgärtel & Co. Aber das Handwerk können.
Und so ganz stimmt die Annahme der strukturellen Stabilität der Schule auch nicht. Ana Dimke schreibt: „Mittlerweile spielen mediale Entwicklungen wie das Internet eine immer größere Rolle, eine neue Professur wird den Schwerpunkt Film etablieren, und partizipative künstlerische Strategien wie auch andere Entwicklungen – z.B. das Kuratorische – werden immer deutlicher von den Studierenden abgefragt. Sensibel und umsichtig den Interessen der Studierenden und auch der Professorenschaft zu folgen und sich damit verbundenen neuen Anforderungen zu stellen, liegt nicht nur im eigenen Interesse einer lebendigen Kunsthochschule wie der HGB, sondern treibt die Aktualisierung des breitgefächerten Lehrangebot beständig voran.“ Ich interpretiere das so, dass die Medienkunst weiter ausgebaut wird. Nun muss ich zwar zugeben, dass mich manche Ausstellungen, die mehr Kino als Galerie sind, nerven. Aber im Grunde genommen habe ich nichts gegen Medienkunst, da gibt es viele beeindruckende Sachen. Nur fällt mir dummerweise kein großer Name auf diesem Gebiet ein, der aus der Leipziger Fachrichtung Medienkunst hervorgegangen ist, seit sie vor zwanzig Jahren installiert wurde. Andere Hochschulen haben auf diesem Gebiet nicht nur mehr Erfahrungen, sondern auch weitaus größere technische Ressourcen. Auch wenn sowohl Lehrende wie auch Studierende aufschreien müssen: Ich meine, man sollte diesen Bereich ruhig anderen überlassen, um die freiwerdenden Kapazitäten für das zu verwenden, was hier gewachsen ist. Also Malerei im oben genannten Sinne, Druckgrafik, Fotografie und Buchkunst. Das ist auch eine Menge.Und Leipzig hat mit knapp 600 Studenten eine der kleinsten deutschen Kunstakademien. Da ist Konzentration auf die sogenannten Kernkompetenzen nötig.