Etwas eigenartig mag es erscheinen, der Frau zum Hochzeitstag Mein Kampf zu schenken. Es war aber nur eine Karte für die gleichnamige Farce von Geoge Tabori am Theater der Jungen Welt. Und das hat sich gelohnt – Inszenierung, Schauspieler, das Stück sowieso – alles ganz stark! Nächste Vorstellungen: 26. Februar, 1. März. Mehr dazu schreibe ich für ein Leipziger Monatsblatt, darum hier diese Kürze. Die Zeitungen lieben keine privaten Vorveröffentlichungen.
Nachtrag 24. März: Da der Artikel nun schon seit einer Weile veröffentlicht ist, kann ich ihn hier nun bringen:
Monster küsst man nicht
„Mein Kampf“ am TdJW
„Deine Handreichungen gefallen mir, Jude“, sagt Adolf Hitler zu Schlomo Herzl, „ich werde dir später einen Ofen kaufen.“ Darf man Witze machen über den schlimmsten Massenmörder aller Zeiten? Diese Frage wird seit Chaplins „Der große Diktator“ diskutiert. Dabei gibt jener A.H. in George Taboris Farce „Mein Kampf“ zu: „Ich mag keine Witze, ich kann mir die Pointe nicht merken.“ Ein feines Gespür für die Pointe hat allerdings Frau Tod, wenn sie meint, dieser Typ tauge nicht als Opfer, sondern als Vollstrecker.
Jürgen Zielinski hat das Stück am Theater der Jungen Welt mitreißend inszeniert. Der erste Teil vor der Pause ist ganz so, wie die Genrebezeichnung es ausdrückt – eine Farce. Der Hampelmann aus Braunau am Inn ist in einer schäbigen Wiener Absteige gelandet, weil er sich mit seinen rührseligen Aquarellen an der Kunstakademie bewerben möchte. Dass er dort in Unterhosen vortanzt, weil Herzl noch mit dem Annähen eines Knopfes an seiner Kniehose beschäftigt ist, gehört zu den Pointen, die er zu spät versteht.
Zielinski arbeitet mit grellen Effekten – ein lebendes Huhn, ein noch lebendigeres nacktes Mädchen, tote Schweinehälften an einer Seilbahn über die Bühne schwebend. Und er arbeitet mit hervorragenden Schauspielern, vor allem Stephan Wolf-Schönburg als Herzl, Sven Reese als Hitler und Anna-Lena Zühlke als Gretchen.
Im Schlußteil bleibt das Lachen immer mehr im Halse stecken. Die echten Schlächter, die ebenfalls in Frau Merschmeyers Etablissement hausen, sind nette Leute im Vergleich zu Hitlers Mitkämpfern wie Himmlischst, der das Landhuhn Mizzi ganz professionell zerlegt und brät. Der ansonsten so schlaue Schlomo hingegen glaubte all zu lange, Freundlichkeit oder gar Unterwürfigkeit sei die richtige Taktik. Sein Ratschlag für den verhinderten Kunstmaler Hitler: „Geh doch in die Politik!“ rächt sich. Leute, die nichts anderes richtig können, sollten nie Politiker werden. Eine grausame Erfahrung muss auch das verführerisch-verführbare Gretchen machen. Chuzpe allein reicht eben nicht als Waffe gegen Psychopathen, die nach der Macht greifen, Mitläufertum noch weniger. So bleibt wohl als wichtigste Aussage in dem völlig antiplakativen Stück, dass man die Leute lieber nicht daran hindert, schlechte Kunst zu machen. Das ist erträglicher, als der Griff nach der Weltherrschaft.
Da die Inszenierung am TdJW aber sehr gute Kunst ist, sollte man Karten für einen Besuch der nächsten Aufführungen besser vorbestellen.