Verbiestert

Reichlich spät fand die öffentliche Diskussion zur Ausstellung Die Schöne und das Biest des Bildermuseums statt – einen Monat nach deren Schluss. Da aber die Politik des Museums allgemein und darüber hinaus die Einbettung in den Kulturentwicklungsplan der Stadt auch zum Thema gehörten, war diese öffentliche Sitzung des Gleichstellungsbeirates der Kommune dennoch sinnvoll. Der Andrang in den Klingersaal des Museums sprach dafür.

Wer darin nur ein Frau und einen Panda sieht, leidet, so Michael Faber, unter einem Bildungsverlust.

Wer darin nur eine Frau und einen Panda sieht, leidet, so Michael Faber, unter einem Bildungsverlust.

Unter mehreren möglichen Kritikpunkten der Ausstellung stand bei diesem einladenden Gremium natürlich der Vorwurf des Sexismus im Vordergrund, nicht allein in der Ausstellung selbst, mehr noch bei den ausgewählten Bildmotiven der Außenwerbung von Mel Ramos und Richard Müller. Auf dem Podium wurde schnell eine Frontenbildung klar – bezeichnenderweise in männlich und weiblich sortiert. Während Genka Lapön als Beiratsvorsitzende und Franziska Zolyom von der GfZK ihre Kritik an der Ausstellung erneuerten, zeigte sich Museumsdirektor Hans Werner Schmidt keiner Fehler bewusst und wurde darin von Kulturbürgermeister Michael Faber und Volker Rodekamp, dem Vorsitzenden des Deutschen Museumsbundes, unterstützt. Im Publikum allerdings fand die „weibliche Sicht“ geschlechterübergreifend mehr Beifall.

Als Scheingefecht angesichts des überbordenden Sexismus in Werbung und TV kennzeichnete Schmidt die Debatte. Während darüber nicht gestritten werde, sei hier die Freiheit der Kunst gefährdet. Dass über Werbung und Massenverdummung in den Medien nicht polemisiert wird, ist schon mal eine falsche Behauptung. Und dieses heldische Verteidigen der Kunstfreiheit erinnert an Sarrazins Ereifern über die Gefährdung der Meinungsfreiheit, weil er ja nur in jede zweite Talkshow eingeladen wird.

Die Kunst ist frei, darf sogar mehr als in anderen Lebensbereichen, wie der Freispruch für Meeses Dauererrektion im rechten Arm zeigt. Das ist okay. Doch genauso richtig ist es, Meese (als ein Beispiel von vielen) als miserablen Künstler bezeichnen zu dürfen. Auch Müller und Ramos dürfen ausgestellt werden. Selbst einem Modefuzzi Joop, der in China oder anderswo superkitschige Affenbilder fertigen lässt, muss man zugestehen, sich als Künstler bezeichnen zu dürfen.

Die Frage steht aber anders, und dabei stört dann die Fokussierung auf den Vorfurf des Sexismus doch etwas. Dieses Zeug ausstellen zu dürfen heißt nicht, dass man es auch ausstellen muss, um dem Bildungsauftrag eines öffentlichen Museums gerecht zu werden. Die Auswahlmöglichkeiten an gegenwärtigen und früheren Künstlerinnen und Künstlern ist so unüberschaubar, dass der Zwang zur strikten Selektion auch eine Verpflichtung darstellt. Der Unterschied ist dann, was ein Privatgalerie tut. Wenn sich Sammler damit brüsten, Werke von Nazi-Müller gekauft zu haben, sollen sie das tun. Ganz anders sieht das aus, wenn ihm das größte kommunale Museum einer Halbmillionenstadt eine der nur drei großen Sonderausstellungen des Jahres widmet. Das ist keine kritische Auseinandersetzung, sondern eine unverhohlene Aufwertung. Hätte es, wie ursprünglich geplant, nur eine Kabinettsausstellung mit seinen Grafiken gegeben, wäre die Aufregung wohl in Grenzen geblieben. Doch dann kam Joop als bedeutender Müller-Sammler ins Spiel und das Unheil nahm seinen Lauf. Da dessen Hervorbringungen nun selbst für das MdbK all zu dürftig sind, musste noch Ramos als Dritter hinzugesperrt werden, der schlechteste unter den bekannten Popart-Künstlern. Eigentlich tut er mir überhaupt nicht leid, doch in dieser Kombination wurden seine Pin Ups sogar noch degradiert.

Es hilft nicht, wenn Schmidt darauf verweist, dass in Essen und Hamburg jetzt Lagerfeld als Künstler präsentiert wird. Auch andere machen Mist. Aber drittklassige Kunst hat selbst dann keine große Museumsschau verdient, wenn sich daran keinerlei Anflüge von Sexismus oder politischem Extremismus finden lassen.

 

(Bild: Mel Ramos, Giant Panda, 2012, Lithografie, 88 × 100 cm, LEVY Hamburg. © VG Bild-Kunst Bonn)

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2 Antworten auf Verbiestert

  1. bk sagt:

    Irre ich mich oder war es Jens Kassner, der Robert Lenkiewicz in hohen Tönen gelobt hat? Zur Erinnerung: Lenkiewicz war ein schwanzgesteuerter Maler mit schlicht instrumentalisierendem Frauenbild. (Frauen hatten ihm nackt zu dienen, sollten aber bitte nicht selbst wagen, zu malen.)

    Irre ich mich oder war es Jens Kassner, der Allen Jones mit arg fragwürdiger Berufung auf Feministinnen vom Sexismus-Verdacht freisprach? Zur Erinnerung: Bei Jones findet sich der Sexismus, der Ramos in Leipzig unterstellt wird.

    Durch diese Vorgeschichten wird plötzliches Verständnis für Sexismusdebatten arg unglaubwürdig. Oder wollen Sie sich bloß über Umwege bei Arne Linde entschuldigen, weil Sie zwischenzeitlich erkannt haben, wie grotesk falsch Sie Arthur Zalewski verstanden haben?

    Meese zu bemühen, bietet sich hier zwar an. Nur trägt sein künstlerisch schwer zu rechtfertigender Hang zum Hitlergruß nichts zur Sache bei. Vielmehr erinnert die Leipziger Debatte an die Zwickauer Provinzposse, in der aufgebrachte Bürger und Politiker in Meeses Arbeiten Pornographie sahen und die Staatsanwaltschaft einschalteten.

    Mit keinem Wort gehen Sie auf Schmidts Hinweis auf Klingers Werk ein. Stattdessen folgen Sie pawlowhaft Godwin’s law, kommen mit Hitlergruß und Sarrazin. Wie daneben. Schmidt mit Sarrazin zu vergleichen. Das ist Niedertracht. Zumal Sie ihn in einer Falschbehauptung einer „falschen Behauptung“ bezichtigen. Schmidt hat nicht behauptet, „dass über Werbung und Massenverdummung in den Medien nicht polemisiert“ würde.

    Ihr Text geht einmal mehr an allem vorbei. Das ist schade.

  2. admin sagt:

    Guten Tag Herr Krüger,
    ich sortiere mal Ihre Einwände, um einzeln darauf einzugehen:
    Sie unterstellen mir eine Falschbehauptung. Zwar hatte ich kein Diktiergerät laufen, habe mir aber Notizen gemacht. Dass Hans Werner Schmidt von einem Scheingefecht angesichts des Sexismus in TV und Werbung gesprochen hat, bin ich mir sicher. Falls Sie bei Ihrer Meinung bleiben, ich würde hier etwas unterstellen, muss ich Kollegen fragen, ob sie noch Mitschnitte der Veranstaltung gespeichert haben.
    Schmidts „Das wird man doch mal zeigen dürfen“ hat fatale Ähnlichkeiten mit Sarrazins „Das wird man doch mal sagen dürfen“. Anderer Inhalt, gleiche Argumentation. Hier die Verteidigung der Kunstfreiheit, da die der Meinungsfreiheit.
    Bei Arne Linde muss ich mich nicht entschuldigen, erst recht nicht auf Umwegen. An meiner Meinung zu der Ausstellung Arthur Zalewskis, die Sie ansprechen, hat sich nichts geändert (und mit den Attributen „falsch“ und „richtig“ kann ich in Bezug auf Kunst nichts anfangen). Ich habe später am gleichen Ort Fotos von Zalewski gesehen, zu denen ich sicherlich eine andere Einschätzung geschrieben hätte. Mit Frau Linde habe ich mich Ende vorigen Jahres ganz sachlich unterhalten. Und dass ich zu der Ausstellung, die da gerade lief, einen durchaus freundlichen Artikel geschrieben habe, zeigt ja, dass ich gegen sie und ihre Galerie keine Vorurteile habe, deswegen mir aber vorbehalten, so wie bei allen anderen Institutionen bestimmte Künstler oder Ausstellungen zu kritisieren.
    Nun zu Ihrem eigentlichen Anliegen. Sie geben sich große Mühe, mir einen Widerspruch zwischen früheren Artikeln und einem „plötzlichen Verständnis für Sexismusdebatten“ nachzuweisen. Ich habe mir meinen Blog-Beitrag noch einmal aufmerksam durchgelesen, ebenso den zur eigentlichen Ausstellung, um die es ging. Nur weil ich über die Diskussion berichte und dabei nochmals Schmidt kritisiere, lesen Sie eine explizite Unterstützung der Stellungnahme des Gleichstellungsbeirates heraus. Wo bitte steht das? Solche Schwarzweißmalerei „Wer sich nicht ausdrücklich distanziert, hat die gleiche Meinung“ ist doch wirklich primitiv. Vielmehr schreibe ich, dass diese Fokussierung auf den Sexismusvorwurf den Blick auf andere Problemzonen der Ausstellung etwas verstellt. Also die politische Haltung Müllers, vor allem aber die Qualität aller drei Ausgestellten (im Falle Joop von einem Künstler zu sprechen, widerstrebt mir). Dabei muss man dann, was ich mehrfach betont habe, auch den Unterschied eines kommunalen Museums zu einer privaten Einrichtung sowie den Rahmen einer monatelangen Sonderausstellung mit großem Katalog zu einer Kabinettschau in die Beurteilung einbeziehen. In Bezug auf Ramos kann man einwenden, dass er ja schon in den ganz großen Museen der Welt gezeigt wurde. Das ändert nichts an meiner Haltung, dass er unverdient zu den berühmt gewordenen Pop-Künstlern gehört. Das zeigt eben ein Vergleich mit Jones, der eine deutlich größere Ausdruckskraft und auch Differenzierung der Arbeitsweise hat.
    „Ihr Text geht einmal mehr an allem vorbei.“ Solche Pauschalisierungen bringen mich dann wirklich auf die Palme. Das hat nichts mit Kritik der Kritik zu tun. Wer so etwas schreibt, will vorsätzlich diffamieren. Da ist jedes Gegenargument vergeblich. Da kann ich nur fragen, ob Sie masochistisch veranlagt sind, da Sie ja offensichtlich häufig in meinen Blog schauen und meine LVZ-Artikel lesen?

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