Wie Monokulturen in der Landwirtschaft den Boden aussaugen, so ist es auch auf dem Terrain der Künste. Hans-Werner Schmidt, Direktor des MdbK, schreibt das im Katalog zur aktuellen Ausstellung Herz, Reiz & Gefühl. Welche Monokultur er meint, wird nicht ganz klar. So wie es an der heutigen HGB vier Fachrichtungen gibt, so war auch zu DDR-Zeiten die Malerei als Shooting-Star begleitet von weiterhin starken Bereichen der Buchkunst und Fotografie. Eine Bemerkung Schmidts in der Pressekonferenz am Freitag kann zur Aufklärung beitragen. Die Malerei aus Leipzig werde heute – speziell festgemacht an einzelnen Namen – vom Stadtmarketing benutzt. Doch gerade diese Namen würden dann nicht bei Dokumenta, Venedig-Biennale oder der gegenwärtigen Manifesta in St. Petersburg auftauchen. Dafür aber andere Leipziger, die nicht so marketingträchtig wirken.
Das mag stimmen. Aber diese Zweiteilung ist kein Spezifikum der Leipziger Kunst. Hans-Werner Schmidt verschweigt hier ganz bewusst die Präsenz dieser anderen Künstler bei Kunstmessen in aller Welt. Da ist dann die sperrige Medien- und Installationskunst der Flachware unterlegen. Auch wenn es Ausnahmen wie die Düsseldorferin Julia Stoschek gibt, so ist doch offensichtlich, dass sich private, finanziell potente Sammler eher auf die gut handhabbare Malerei, Grafik oder auch Skulptur in überschaubaren Abmessungen konzentrieren. Andererseits dominieren bei den internationalen Mega-Events dann jene Formen von Kunst, die sich auf dem Markt schwer verkaufen lassen und häufig genug vom Nichtexperten gar nicht so leicht als Kunst anerkannt werden. Der böse, aber treffende Kalauer „Ist das Kunst oder kann das weg“ illustriert diese Diskrepanz hervorragend.
Nun möchte ich nicht gegen den erweiterten Kunstbegriff polemisieren. Das wäre sowieso viel zu spät. Dass man heute alles als Kunst bezeichnen darf inklusive eines Samenergusses, ist schon in Ordnung. Wenn man es eben verkaufen kann. Denn Kunst ist schon lange eine Ware wie andere. Berühmte Leute wie Warhol oder Meese sind nicht immer die besten Künstler, aber geniale Marketingexperten.
Zurück nach Leipzig, zurück ins Bildermuseum. Hier wird diese Zweiteilung zelebriert. Im Mittelpunkt stehen die heutigen, die richtigen Künstler. Die es schon auf Biennalen geschafft haben oder noch schaffen werden. Und daneben eben die verstaubten, diese Maler und Grafiker. Die sind nicht in jedem Fall jünger als die anderen. Hans-Christina Schink als Zukunftszugewandter, Jahrgang 1961, ist 13 Jahre älter als Ruprecht von Kaufmann auf der Seite der Antiquierten. Die Frontlinie verläuft also nicht zwischen Generationen, sondern zwischen kuratorischen Auffassungen von dem, was denn wirkliche, gegenwärtige, lebendige Kunst sei. Also keine Stadtmarketing-Kunst.
Zur Pressekonferenz nahmen die Funktionsträger vor der kreisrunden Leuchtschrift der Gruppe Famed platz. That Wich Appears Is Good That Which Is Good Appears. Da erinnert irgendwie an Hegels Diktum: Was vernüftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig. Nur dass die Vernunft heute nicht mehr vertreten ist, dafür das Gute. So wie die Gute Butter meiner Großmutter seligen Angedenkens.
Die Malerei und Grafik der Leipziger Schule (dieser Begriff taucht nicht nur im Ausstellungstitel auf, sondern auch in der Pressemitteilung des Museums, und zwar als Schwerpunkt früherer Jahrzehnte mit politischer Bevormundung der Ankaufspolitik des Museums), diese Leipziger Schule also, bekommt einen rein dokumentarisch ausgerichteten Platz in der Doppelausstellung zugewiesen, bestückt ausschließlich mit Beständen aus dem Museumsfundus. Keine Heldenschau soll das sein, betont Frédéric Bußmann, der verantwortliche Kurator. Ist es auch nicht geworden. Eher eine Zurschaustellung des Ancien Regime. Zwar gibt es beeindruckende Werke, vor allem Hartwig Ebersbachs Bildinstallation Gestürzte II von 1986. Allgemein wird aber das Niveau bewusst flach gehalten. Sonst könnten ja manche unbedarften Besucher meinen, das Heutige sein im Vergleich gar nicht so herausragend.
Die bodenaussaugende Monokultur einer spezifisch Leipziger Malerei und Grafik ist ja nun zum Glück überwunden. Multimediales Multikulti schafft Multiplexität. Die gleiche Vielfalt wie an den McDonald-Theken in aller Welt. Da kann man zwischen Dutzenden Burger-Varianten wählen. Wohl bekomms!