Die Kombination von zwei oder drei Namen, die nur wenig miteinander zu tun haben, ist im Museum schon zur Tradition geworden. Eine spezifische Brisanz besitzt aber die neue Ausstellung, in deren Mittelpunkt der heute nur Kennern vertraute Richard Müller steht. Ihm wurden der kalifornische Sonnyboy Mel Ramos und der Potsdamer Modemacher Wolfgang Joop zur Seite gestellt.
Mit dem Rücken zur Wand sitzen Direktor Hans-Werner Schmidt und Kurator Jan Nicolaisen vor den Journalisten beim Pressetermin. Dass dieses Thema nicht allgemeine Zustimmung auslöst, war klar. So geht Nicolaisen auch gleich in die Offensive und bekennt, dass Richard Müller „ganz eindeutig Nazi gewesen ist“. Die Auseinandersetzung mit ihm sei aber trotzdem nötig, da seine wichtigste Schaffenszeit vor 1933 gelegen habe, als Müller mit 58 Jahren zum Rektor der Dresdener Akademie gewählt wurde.
Das stimmt. Ihn 2013 mit einer ersten großen Museumsausstellung zu zeigen, obwohl er eben Nazi war – die gegenwärtige Aufregung um Nolde kommt gerade passend – impliziert die Behauptung, dass er neben der politischen Verstrickungen aber doch ein Künstler gewesen sei, den man nicht weiterhin ignorieren darf. So ganz vergessen war er wohl nie. Armin Müller-Stahl, Manfred Krug oder Richard von Weizsäcker sollen Bilder von ihm besitzen. Vermutlich hat keiner von diesen Promis auf dem Trödelmarkt ein Schnäppchen gemacht.
Als Kind armer Weber war es für Richard Müller ein Glück, dass ein Meißener Porzellanmaler sein Talent entdeckte. Obwohl er das Studium in Dresden nicht beendete, folgte ein geradliniger Aufstieg, früh schon von Auszeichnungen und Lehraufträgen begleitet. Dem am Postimpressionismus orientierten Jugendwerk folgte schon um 1905 eine Hinwendung zu einer akademischen, auf Exaktheit orientierten Mal- und Zeichenmanier. George Grosz, einer von vielen später berühmt gewordenen Schülern Müllers, nannte es „Pimpelei und Kleinlichkeit“. Dieser Pedanterie im Handwerklichen standen gelegentliche Kühnheiten wie die Herabwürdigung des Kirchengründers Petrus in einer Kreuzigungsszene von 1909, vor allem aber die anhaltende Vorliebe für eine schwüle Erotik entgegen, die sich hauptsächlich in der Interaktion nackter Frauen mit diversen Tieren äußerte.
Bei all dem Hyperrealismus wirken die Oberflächen doch sehr kalt und steril. Zwar kann man das auch von den Veristen der zwanziger Jahre sagen. Doch bei ihnen ist es ein Mittel der Distanzierung. Müller hingegen strebte Empathie an, ohne sie zu erreichen. Sogar seine niedlichen Pekinesen erscheinen pflegeleicht abwaschbar.
Müllers Malereien, Druckgrafiken und Zeichnungen sind trotz gelegentlicher inhaltlicher Mehrschichtigkeit in der Ausführung von einer Art, die vor 1933 einem Kommentator „als ein vollgültiges Zeugnis eines großen Könnens, eines deutschen Fleißes und einer deutschen Ordnungsliebe“ erschienen. Dass seine Anbiederung an die NS-Herrscher, für die er schon im Herbst 1933 in Dresden eine Ausstellung „Entartete Kunst“ organisierte, auf Dauer keinen Erfolg hatte, lag dann aber an seiner als „undeutsch“ angesehenen Erotomanie, nicht an mangelndem Opportunismus. Aus der NSDAP, der er ab 1933 angehörte, wurde er wegen nicht bezahlter Mitgliedsbeiträge ausgeschlossen, nicht etwa wegen Aufmüpfigkeit. Und auch danach noch zeichnete er bereitwillig im Auftrage des sächsischen Statthalters Martin Mutschmann eine Serie über Orte von Hitlers Jugend.
Diese Fakten werden im Katalog nicht verschwiegen, sogar bisher unveröffentlichte Dokumente sind abgebildet. In der Ausstellung findet sich eine Vitrine mit einigen dieser Arbeiten, auch ein Video zur Dresdner Prangerschau läuft. Doch nebenan wird Müllers sonstiges Werk ausgebreitet, auf dunkelroten Wänden mit effektvoller Beleuchtung in eine quasi-sakrale Atmosphäre getaucht. Kritische Auseinandersetzung sieht anders aus.
Was hat Wolfgang Joop damit zu schaffen? Für ihn war als Jugendlicher zu Beginn der Siebziger der Zusammenstoß mit einem Müllerschen Akt ein Erweckungserlebnis. Er kaufte das Bild, wurde zum Fan. Parallel zu seiner durchaus erfolgreichen Karriere als Modeschöpfer, der sich ganz unbescheiden ein permanentes Ausrufezeichen zum Namen hinzufügt, und eher zwiespältigen als Unternehmer mit dem Label Wunderkind ist er auch Bildkünstler. Knuddelige Schimpansen liebkosen sich, umrankt von gestickten Arabesken in Goldfäden. Wenn ihn an Müller die „abziehbildhafte Postkartenkünstlichkeit“ fasziniert, muss das in Übersteigerung für seine Werke gelten. Wenn eine privatwirtschaftliche Einrichtung diesen Superkitsch zeigt, wird sie schon wegen des Schöpfers ausreichend Interessenten finden. Da ist auch jede Zensur fehl am Platz. Wer das Zeug braucht, soll damit berauschende Ergüsse feiern. Doch hat das Leipziger Museum, eine Institution der öffentlichen Hand, nichts aus dem Desaster mit Gunter Sachs gelernt?
Über den Dritten, Mel Ramos, muss man nicht viel sagen. Sein Platz zumindest in der Geschichte der Pop Art, ist gesichert. Zur Zusammenstellung dieser Ausstellung meint er: „Als ich von dem Ausstellungsprojekt hörte, wusste ich nicht, wer Richard Müller ist. Dann bekam ich mit, dass er ein Nazi war, ein Künstler, der Hitler verehrte. Von daher bin ich froh, dass meine Arbeiten und Müllers Werk hier weitgehend getrennt gezeigt werden. Als Künstler finde ich ihn sagenhaft. Er hatte ähnliche Ideen wie ich.“ Ideen ja, in der Realisierung aber wäre er bei Professor Müller durchgefallen. Vor allem die Zeichnungen verdeutlichen, dass seine technischen Fähigkeiten auf Volkshochschulniveau liegen. Damit unterscheidet er sich von anderen Helden dieser Sparte, nicht nur den intellektuelleren von der Ostküste. Gerade konnte man sich in den Kunstsammlungen Chemnitz davon überzeugen, dass ein Allen Jones nicht auf seine mit den Pin-Ups Ramos´ verwandten devoten Fetischfrauen reduziert werden darf, da steckt viel mehr Können und Breite dahinter. Nicht so bei Ramos, der ist bis ins Alter eindimensional geblieben.
Hans-Werner Schmidt wird nicht müde zu betonen, dass man den Westküsten-Pop eines Ramos nicht ohne den Slogan „Learning from Las Vegas“ begreifen könne. Während aber Robert Venturi, Schöpfer dieses Spruchs, und weitere Architekten wie Charles Moore, Michael Graves oder Charles Jencks langsam zu Recht dem kollektiven Gedächtnis entschwinden, bleibt in der Kunst die Postmoderne virulent.
Stimmig an der Zusammenstellung der drei Künstler ist solch eine Gegenposition zur Klassischen Moderne, die kein alternatives Nebeneinander duldet, sondern eine direkte Ablehnung darstellt. Angesichtes des kategorischen Imperativs vieler Moderner erscheint das zur betreffenden Zeit verständlich. Heute aber wirkt so eine Antihaltung anachronistisch. Dieses Niemals! hat den Charakter eines Manifests, den sich solch ein Museum eigentlich nicht leisten sollte.
Bei der Trinität Wagner-Klinger-May vor wenigen Wochen war die Nivellierung zuungusten der auratischen Figuren des Tonsetzers und Bildkünstlers ausgefallen. Verlierer in der jetzigen Zusammenstellung ist Ramos. Der Vergleich mit Müller zeigt ihn als schlechten Handwerker, der mit Joop als noch etwas pekuniärer Denkenden.
Müller und Joop haben ihre Anhänger, denen der Adelsschlag ihrer Idole seitens des größten kommunalen Museums der nicht unbedeutenden Kunststadt Leipzig Genugtuung sein wird. Ramos braucht das nicht mehr. Was aber hat Leipzig von der Show? Blickt man auf andere Ereignisse des Jahres zurück wie die Promotion für die imagemäßig angeschlagene Deutsche Bank oder der Karl-May-Rummelplatz im Sommer, steht die Frage, wie weit eine städtische Einrichtung noch dem Kommerz huldigen muss. Wird man bald Reichsschamhaarmaler Adolf Ziegler sehen können, kuratiert von Dolly Buster?
Zum Skandal reicht das Potenzial der Ausstellung nicht. Doch sie ist überflüssig. Angesichts der ewig beklagten Ressourcenknappheit, und angesichts unzähliger zeigenswerter Künstler ist sie ein Ärgernis.
Die Schöne und das Biest
Museum der bildenden Künste, Katharinenstr. 10
bis 12. Januar 2013
Di und Do-So 10-18 Uhr, Mi 12-20 Uhr
Richard Müller
Der dreiste Freier, 1923
Radierung, 47 × 34,8 cm
Privatbesitz
Wolfgang Joop
Come into my garden my roses are
waiting for you, 2012
Acryl, Gouache, Stickerei
Besitz des Künstlers
Mel Ramos
Giant Panda, 2012
Lithografie, 88 × 100 cm
LEVY Hamburg
Das Ziel ist Glamour.
Wie schon bei Gunter Sachs soll wahrscheinlich der „große Name“ die großen Besucherzahlen bringen. Da nimmt man dann wohl auch einen Nazi-Maler in Kauf.
Wenn schon Retro-Avantgarde, dann gleich
Eber
Keller
Dachauer
Saliger
Dann eben wieder mal Kitsch in Leipzigs Guter Stube, es heißt ja auch Bilder-Museum. Man muß ja nicht hingehen …
GvH
Endlich erklärt ein Medium, warum in der neuen Ausstellung des Leipziger Bildermuseums nur bei Müller und Ramos nackte Frauen mit Tieren in Verbindung treten, nicht aber bei Joop, dem dritten Beteiligten, der lediglich superkitschige Schimpansen in irgend einem Sweatshop malen und sticken lässt. Das Organ der Aufklärung ist BILD. Da wird Joop zitiert: „Die Frau an sich ist eigentlich beherrschend und bedrohlich. Sie befiehlt uns, was sie will, erschreckt uns mit ihren Wünschen.“ Und dann folgt der journalistische Kommentar: „Dann doch lieber Affen!“
Quelle: http://www.bild.de/regional/leipzig/wolfgang-joop/erklaert-seine-affenliebe-32956628.bild.html
Warst Du dabei?
http://www.taz.de/Protest-im-Leipziger-Kunstmuseum/!126020/
GvH
Nein, ich war nur zum Pressetermin, die offizielle Vernissage habe ich mir gespart. Aber über die Protestaktion haben auch LVZ und Kreuzer berichtet.
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