Die Verkäuferin in der Bahnhofsbuchhandlung meinte, dass der Zeitung der Umschlag abhanden gekommen sein müsse, der Buchblock zeigt die nackte Klebebindung. „Nee, das soll so sein, ist Kunst“, klärte ich sie auf. Die Leipziger Literaturzeitschrift Edit kommt eben seit einem reichlichen Jahr in diesem reduktionistischen Outfit daher. Und nun ist sie auch noch dünner geworden. 66 zu 94 lauten die Maße der gegenwärtigen Ausgabe 53 gegenüber ihrer Vorgängerin. Aber etwas an Masse zu verlieren ist ja nicht immer schlecht.
Tatsächlich ist gleich die erste Geschichte im Heft, „Das fünfte Kind“ von Johanna Maxl, ein Knaller. Ein Kind macht sich auf die Suche nach einem weiteren Geschwisterchen, das die dicke Mutter angeblich „verloren“ hat. Der Fahrtstuhl-Exhibitionist und der Hochhaus-Säufer helfen bei der Suche. Ein toderster Stoff wird hier eigenartig versponnen und poetisch erzählt.
Eine düstere, aber nicht depressive, Grundstimmung haben auch andere Prosatexte in Edit 53, so Roman Pascal Widders „Die Seltenheit des Wiederkäuens beim Menschen“ – die Beschreibung einer seltsamen Krankheit – oder Hinrich von Haarens Bericht über einen verdämmerten Urlaub auf Skye.
Die Gedichte im Heft sind angenehm vielgestaltig: selbstreflexiv bei Elke Erb, exzessiv neologistisch bei Dagmara Kraus oder symbolistisch verspielt bei Matthea Harvey (trotz des Titels „The Future of Terror“). Essays über Karl Valentin von Ulrike Draesner und über das Schlafen von Anna-Elisabeth Meyermachen die Sache rund.
Der Grafikteil in aggressivem Schwarzrot und expressiver Gestik kommt diesmal von…, ja von wem eigentlich? Man muss etwas suchen, um Ivonne Dippmann als die Urhebin festzumachen. Schade, dass zu diesem wichtigen Part nicht auch paar Worte geschrieben wurden. Und schade auch, dass bei einer Grafik das eigentliche Motiv genau im Heftbund verschwindet.
Trotzdem: Die Diät hat Edit gut getan, finde ich.