Gestern habe ich angefangen „Schmidt liest Proust“ zu lesen. Es wäre nun interessant, daraus ein neues Buch nach dem Schema „Kassner liest Schmidt liest Proust“ etc, ein Schneeballeffekt also. Vor allem drängt sich aber die Frage auf, weshalb sich jemand das antut, freiwillig 3900 Seiten reinzuziehen, die nicht durchweg mitreißend geschrieben sind. Dazu gehört ziemlich viel Masochismus. Jochen Schmidts Buch ist „nur“ 608 Seiten lang, ein Zehntel davon habe ich gestern schon geschafft. Und wenn ich durch bin, kann ich endlich über Proust mitschwafeln, ohne da wirklich reingeguckt zu haben. Wieso gibt es eigentlich einige Schriftsteller, die gemeinhin als Größen der Weltliteratur gelten, obwohl sie nichts weiter als öde sind?
Auf Seite 31 findet sich eine schöne Stelle: „Ich weiß nicht, ob Proust einen Lektor hatte, aber viel Einfluss scheint er nicht auf ihn gehabt zu haben.“ Ob Sebastian und Leif viel Einfluss auf Schmidt hatten? Ich werd mal nachfragen.
Lustig find ich, dass Jochen Schmidt ausgerechnet in die Ukraine fährt, um Russisch zu lernen. Die richtigen Ukrainer wollen ja heute auf keinen Fall als Russen bezeichnet werden. Als ich 1985 in Odessa war, spielte das noch keine Rolle. An Erinnerungen sind vor allem das Rösten selbstgefischter Muscheln am steinigen Ufer und die herrlichen Höfe der alten Häuser hängengeblieben. Natürlich auch die Potemkin-Treppe, sonst wäre man ja nicht in Odessa gewesen. Und die Oper. Die habe ich nur von außen gesehen, während sich einige Leute aus der Gruppe auch „Evgeni Onegin“ angetan haben. Meine tiefe Abneigung gegen Oper hält bis in die Gegenwart an. Wenn man so etwas aber öffentlich zugibt und auch noch fordert, dass die Opernhäuser weniger Fördermittel bekommen sollten, gilt man als der Prolo schlechthin. Wieso ist in jeder Großstadt eine Oper unverzichtbar? Wieso ist Proust Weltliteratur? Wenn ich hingegen vorschlage, das bevorstehende Metallica-Konzert in Leipzig solle kommunal gestützt werden, damit die Karten nicht 155 Euro kosten, werde ich nur schief angesehen. Ist das nicht ungerecht?
Dazu Jochen Schmidt auf Seite 40: „Wenn die Welt es wirklich ernst meinen würde mit ihrer Verehrung für die großen Künstler, würde sie nicht ihren Tod abwarten, sondern vorher untergehen.“
schreiben sie einen text in dem die worte proust, jochen, oper und metallica vorkommen!
hut ab, jens. ich hörte kürzlich auf einem tschechensender szenen aus „tosca“ mit bravo-rufenden aufschäumenden publikum am ende, völlig zurecht, gesang war sehr rührend, kraftvoll, diesseitig, wie echtes natürliches seltenes leben…sicher kann man sich bei oper auch mal ärgern, wie bei ner untalentierten metalband, oder liedermachern oder lesungen in sälen, einem csu-parteitag oder einer baumarkteröffnung mit rentnerhüpfburg und hundeschminken…