Frostig

Vladimir Sorokin gilt ja als einer der wichtigsten russischen Schriftsteller der Gegenwart. So konnte ich nicht widerstehn, als bei Zweitausendeins sein Roman BRO für weniger als vier Euro rumlag. Nun habe ich ihn gelesen und bin etwas verschnupft.

Die Erzählweise ist ganz konventionell-linear, sogar ziemlich trocken. Zunächst werden Kindheit und frühe Jugend eines Jungen aus einer wohlhabenden russischen Familie erzählt, die sich vor und während des Ersten Weltkrieges abspielt und dann durch die Revolution aus den Bahnen geworfen wird. Nach etwa hundert Seiten kommt der Umschwung. Der junge Mann, der sich eher zufällig einer Expedition zum Tunguska-Meteoriten angeschlossen hat, bekommt Erleuchtungen. Hier  beginnt nun die Mystik, für die viele russische Autoren anfällig sind. Anders aber als etwa im grandiosen Roman Der Meister und Margarita von Bulgakow ist das Gesäusel vom Ljod des Meteoriten, welches 23.000 Auserwählten auf der Welt das Ursprüngliche Licht zurückgebracht hat, richtig öde. Dass all die neuen Heilsbringer blond und blauäugig sind, macht die Sache nicht besser. Zwar gelingt es Sorokin im letzten Teil des Buches, mit der sprachlichen Wendung ins Infantile noch eine gewisse Ironie hinein zu bringen, doch was diese Sekte letztlich will, bleibt unklar. Das steht möglicherweise in seinem anderen Roman Ljod, der zwar eher erschienen ist, aber zeitlich der Geschichte in BRO folgt. Den zu lesen habe ich aber keine Lust. Überhaupt werde ich mich künftig vor Büchern hüten, in denen der Tunguska-Meteorit eine Rolle spielt, nach dem ich mich vor einem Jahr schon mit Pynchons Gegen den Tag ziemlich rumgequält habe.

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3 Antworten auf Frostig

  1. roman-neisse sagt:

    schade, schade!!! ich habe gerade einen roman begonnen: eine muslimische deutsche und ein chinesischer wanderarbeiter treffen sich im tunguska-krater und… aber ich will nicht alles verraten, nur soviel: es geht um sexualität, selbstfindung und christliche werte im finanzgebaren.

  2. admin sagt:

    Das Exposé klingt eigentlich interessant. Vielleicht kann ich mich dem Thema ja doch noch mal nähern. Sicherlich hast du schon einen Vertrag zur Buchveröffentlichung bei Bastei-Lübbe. Oder gar bei Voland & Quist? Und auf der beiliegenden CD ist dann die ewenkische Übersetzung eingesprochen.

  3. roman-neisse sagt:

    es stehen mehrere verlage schlange (und es ist kalt vor der tür!) aber bei den bisherigen angeboten fühle ich mich als autor einfach nicht ernst genommen, noch dazu wenn man die extrem globale relevanz meines romans vorrausschauend rezipiert!

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