Wieder vierzig Seiten geschafft. Zeit für eine Auswertung. Die Beiträge in dieser Kategorie, also meiner Pynchon-Lektüre, werden nun nur noch mit der Überschrift KLP und der aktuellen Durchnummerierung erscheinen.Es war zu befürchten: Die Handlung verzweigt sich, die Zahl der Akteure nimmt kräftig zu. Das Unangenehme dabei ist, vor allem wenn man eben so wie ich gerade eine schriftliche Zusammenfassung liefern möchte, dass unklar bleibt, welche Personen im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen werden und welche nur kurz am Rande auftauchen. Vielleicht sollte ich eine Calc-Tabelle anlegen mit den Namen, Charakteren, Aktionen? Das wäre garantiert hilfreich. Da ich aber häufig während Zugfahrten im Buch lese und der Wälzer selbst schon schwer genug ist, will ich da nicht auch noch den Laptop mitschleppen.
Beim Treffen der Luftschiffer am Rande der Chicagoer Weltausstellung lernen die „Freunde der Fährnis“ (künfig FdF) den Fotografen Merle Rideout und die Tänzerin (oder Stripperin?) Chevrolette McAdoo kennen, welche sie bei ihrem gestrigen Sturzflug wegend des Abwerfens von belastenden Sandsäcken fast im nackten Zustand erschlagen hätten. (Mit der Namenswahl hat sich der Autor wieder einmal große Mühe gegeben) Der Fotograf möchte seine schnapsdrinkende vierjährige bildschöne Tochter Dally zunächst an Chick verhökern. Offensichtlich ist das aber ein Detail, das im weitern Verlauf der Handlung keine Rolle mehr spielen wird. Oder?
Bald darauf tritt Prof. Vanderjuice ins Geschehen ein, der wohl wirklich noch von Bedeutung sein wird. Seinen netten Vornamen Heino erfährt man erst viele Seiten später. Er beschäftigt sich mit der Nutzbarmachung der Elektrizität. Dank Symposien für Luftschiffkommandanten über Techniken zur Vermeidung der Zurschaustellung verletzter Gefühle, welche Randolph besucht hat, merkt er, dass mit dem Professor was nicht stimmt. Richtig erkannt. Dieser eilt nämlich gleich nach dem kurzen Besuch eines Steakhouse zu einem stinkreichen Magaten namens Scarsdale Vibe. Jener ist ein Konkurrent von Morgan (ein hinreichend bekannter Name der realen Wirtschaftsgeschichte), so wie Vanderjuice Gegner des ebenso realen Physikers Nikola Tesla ist. Tesla bemüht sich bei Morgan um Geld für seinen Plan, die gesamte Menschheit kostenfrei mit elektrischer Energie zu versorgen. Nette Idee, doch Vibe meint zu Recht: Es handelt sich um eine Waffe, Professor, das ist Ihnen doch sicher klar – die schrecklichste Waffe, welche die Welt je gesehen hat, dazu bestimmt, nicht Armeen oder Material, sondern geradezu das Wesen des Tauschhandels zu vernichten, das lange Ringen unserer Ökonomie , sich aus der Fischmarkt-Anarchie des Kampfes aller gegen alle zu den rationalen Kontrollsystemen weiterzuentwickeln, deren Segnungen wir heute genießen. Wie wir diese Systeme gerade genießen!
Auch die Inconvenience ist offensichtlich nicht nur nach Chicago gekommen, um alte Kumpels zu treffen und neue Bekanntschaften zu machen – die Crew hat einen Job zu erfüllen, der ebenso etwas mit Kontrollsystemen zu tun hat. Sie überfliegen das Expo-Gelände, um nach potenziellen Terroristen (also gewerkschaftlichen Anarchisten) zu spähen. Die nötigen Instrumente dazu erhalten sie von Lew Barnight. Dieser ist vor einiger Zeit aus dem Zustand geistiger Verwirrung heraus zufällig zum Detektiv bei White City Investigations geworden, weil er wohl über eine überdurchschnittliche Beobachtungsgabe verfügt, bzw. eine ausgeprägte Sympathie für das Unsichtbare. Einer seiner wichtigsten Aufträge war die Bewachung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, der sich durch Chicagos düstere Vorstädte säuft und vögelt, sich dabei säuischer benehmend als die ärmlichen Bewohner. Schließlich soll Lew ihm noch einige Ungarn („niedrigste Stufe der tierischen Existenz“) für eine Treibjagd auf Büffel, die es im Norden der USA schon gar nicht mehr gibt, heranschaffen. Nach den Eskapaden des Erzherzogs FF trifft der Detektiv, wieder in Erledigung eines Jobs, auf eine Versammlung von Anarchisten und staunt, dass dies nicht nur Menschen, sondern trotz ihrer überwiegend fremdländischen Herkunft sogar amerikanische Patrioten sind.
Doch gerade in diesem Moment der Erkenntnis wird Lew von seiner Firma nach Denver versetzt, einer Stadt, die sich noch vor kurzem exakt an der unsichtbaren Grenze zum wilden Land des Westens befand, welche jetzt schon weitergerückt ist. Also muss er sich von den FdF schon wieder verabschieden. Diese drehen noch einige Runden über den Schlachthöfen, wo sie beobachten, wie Frühstücksfleichdosen in erstklassiger Gourmetqualität hergestellt werden, die bekanntermaßen auch Finger und andere Körperteile von unvorsichtigen Arbeitern enthielten. Dann heißt es auch für sie Abschied zu nehmen, die Weltausstellung geht im herbstlichen Wetter zu Ende.
Unklares Inventar: Maxim´sche Schwungmaschinen; Ornithurgie; Alligator à l´etouffe; Saratoga-Chips; ein anständiges Orangenphosphat; eine Panatella; Dollbord
Fortsetzung:
Maxim: „Bei dem Namensgeber der Maxim’schen Schwungmaschine handelt es sich um Hiram S. Maxim (1840-1916), der acht Jahre zuvor als Erfinder des Maschinengewehrs mit zweifelhaftem Ruhm in die Geschichte eingegangen ist“
(URL: http://www.revierflaneur.de/2008/10/03/freitag-3-oktober-2008-atd-iv1)
Alligator à létouffe: von diesen Tierchen stranguliert werden
Saratoga-Chips: Kartoffelchips
(siehe URL: http://www.wisegeek.com/what-are-saratoga-chips.htm)
Panatella: ein kleineres Zigarren-Format (15 cm lang, nicht zu dick)
Dollbord: obere Planke auf dem Bootsbord
Google oder der gute alte Fremdwörterduden ist ein probates Mittel um den Kontrast von Unklarheiten zu erhöhen …
In diesem Sinne: anregende Lektüre & Recherche!
Hallo,
ich lese auch gerade dieses Buch und versuche ein Wörterbuch zum besseren Verständnis zu Verfassen.
Kannst du mir helfen?
Ich habe Probleme mit dem Liverpool-Kuss, der Keelex-Kur,vortikalistisch und ebenfalls mit der Ornithurgie,
bei der Suche nach diesem Wort bin ich auch auf deine Seite gestoßen.
Eine Antwort wäre nett.
Mit lieben Grüßen
Simon