War das ein guter Einfall – öffentlich Bericht erstatten zu wollen über die fortschreitende (?) Lektüre eines Werkes von monströsen Dimensionen? Vielleicht in dem Sinne, dass Selbstdisziplin eingefordert wird.Trotzdem habe ich nach dem ersten Abschnitt von „Gegen den Tag“ erst einmal eine kleine Pause eingelegt. Die ist mit reichlich 70 Seiten nun überwunden. Gemäß dem Passigschen Prokrastinationsschema kann ich also sagen: 256 von 1596 Seiten. Klingt trotzdem etwas entmutigend. Jedenfalls habe ich beschlossen, die Abstände der Exzerpte zu vergrößern. Vielleicht kommt der nächste Eintrag erst nach Abschluss des zweiten Kapitels. Und das sind immerhin noch 400 Seiten. Oh je. Durchhalten. durchhalten …
Die zwischenzeitliche Annahme, die Handlung ginge wohl billardartig von einer Person oder Gruppe zur nächsten über, ist nun gänzlich widerlegt. Offensichtlich wird da ein mehr oder weniger dichtes Gewebe von Handlungssträngen hergestellt. Jede Person, auch wenn sie zunächst vielleicht marginal erscheint, kann 100 Seiten weiter zu einem wichtigen Protagonisten werden. Wenn man nicht allzu zügig liest, wie bei mir eben der Fall, könnte es tatsächlich nützlich sein, sich Listen der Characters anzulegen. Aber muss man aus einer Freizeitlektüre eine Wissenschaft machen? Selbst schuld.
Die FdF haben die Nordpolarzone erreicht und irren noch etwas herum auf der Suche nach der Étienne-Louis Malus, jenem Schiff, welches sie warnen sollen. Dabei haben sie eine leicht unangenehme Begegnung mit dem russischen Luftschiff Bolschaja igra (Großes Spiel). Nebenbei wird über den seltsamen Wettlauf um irgend welche Strahlenquellen oder -stränge in dieser Hemisphäre erzählt. Ganz beiläufig wird auch der Begriff Bilokation eingeführt, die zeitgleiche Erscheinung einer Person an verschiedenen Orten. Da sich das dritte Kapitel eben „Bilokation“ nennt, sollte man sich diese Erläuterung schon mal einprägen.
Dann finden die Luftfahrer endlich das Schiff, an dessen Bord sich u.a. Fleedwood Vibe, Sohn des schon hinreichend bekannten Magnaten befindet. Doch ihre Warnung an die Besatzung vor großen Gefahren bleibt unerhört. Gerade dadurch werden die Abenteurer auf den vermeintlichen Schatz erst aufmerksam. Sie bergen ein Gebilde aus dem Eis, welches zunächst als Meteorit erscheint, das aber neben anderen unerklärlichen Eigenschaften auch ein Bewusstsein hat und einen schrecklichen Plan. Die Verwüstung einer großen amerikanischen Stadt nach Ankunft des Schiffes mit dem „Schatz“ wird mehr angedeutet als erklärt. Dabei finden sich immer wieder Pynchons scheinkritische Floskeln, beispielsweise nach einer kannibalistischen Vision die rhetorische (und darum nur mit einem einfachen Punkt ageschlossene) Frage der Tischgefährtin des Visionärs: Sie sprechen vom derzeitigen Zustand der Welt unter der Herrschaft des Kapitalismus und der Konzerne.
Harter Schnitt. Kit Traverse trifft in Yale endlich auf seinen Wohltäter, eben jenen Superkapitalisten Scarsdale Vibe, am Rande eines Footballspiels. Da er zusammen mit Colfax, einem weiteren Vibe-Sohn zusammen wohnt, ist es natürlich, dass er bald schon tief in die Familie (und besonders in die Cousine Dittany) eindringt.
Zwischendurch wird dann noch erläutert, dass Fleetwood V. vor allem auf der Flucht vor den Afrikaerlebnissen, wo er einen zionistischen Juden von wütenden Elefanten rettet, einen Kaffern aber tötet, in die Polarzone gerät.
Insgesamt nimmt das mystische Element nicht so zu, wie ich es nach dem albernen Einschub der Luftfahrt unter der Erdkruste befürchtet hatte. Doch ziemlich viel Physik in eigenwilliger Interpretation ist schon dabei. Wie nennt man eigentlich diese Romangattung, die historisch nachprüfbare Fakten mit Science Fiction und purer Fantasy vermengt? Und dabei auch noch sozialktitisch sein möchte.
Unklares Inventar: Quaternionist; transnoktial; Paté de foie gras in Aspik; Warupanker; Nesselrode-Pudding; Nicol-Prismen; Leclanché-Elemente; Breguetstil