Die Bezeichnung Indigo für das eigenartige Symptom, das seit den 1990er Jahren etliche Kinder und Jugendliche haben, ist eher Zufall, von den Visionen einer deutschen Esoterikerin stammend. Die von der rätselhaften Krankheit Befallenen, im Jargon Dingos genannt, haben selbst keine Beschwerden, allerdings die Menschen der Umgebung, die sich zu lange in ihrer Nähe aufhalten.
Obwohl Clemens J. Setz´ Roman Indigo in der Gegenwart spielt, ist es Science Fiction. Da gibt es Details wie iBalls oder iSockets, die aber keine tragende Rolle spielen. Vor allem aber gibt es jenes Indigo-Syndrom, dessen Träger in einer isolierten Internatsschule, dem Helianau-Institut, von der Umwelt abgeschottet werden, die aber auch untereinander das fiese „Zonenspiel“ veranstalten.
Dass ein Schriftsteller selbst in der dritten Person in eigenen Texten erscheint, ist nicht ganz neu, auch nicht die negative Darstellung. So hat Houellebecq sich in Karte und Gebiet auch zum richtigen Ekel gemacht. Setz ist in Indigo teilweise der Ich-Erzähler, der als Lehrer-Praktikant in die Helianau geschickt wird. Später dann wird er von außen als ein zunehmend geistig Verwirrter dargestellt, der einem Menschen die Haut abgezogen haben soll. Zuvor aber, nach seiner Kündigung als Lehrer, hat er Recherchen zur Krankheit betrieben und Artikel verfasst. Das Buch ist eine Collage aus angeblich aufgefundenen alten und neueren Berichten über außergewöhnliche Erscheinungen, Gesprächnotizen, Erinnerungen und verknüpfenden erzählerischen Passagen. So ergibt sich ein dichtes, mehrschichtiges Gefüge unterschiedlicher Sichtweisen, das Happy End aber fällt aus.
Ich war überrascht festzustellen, dass der in Graz lebende Schriftsteller gerade mal 30 Jahre alt ist. Indigo hat solch eine sprachliche Reife und Kraft der Imagination, auch in der Ausarbeitung von Details, dass ich mir einen Autor mit Jahrzehnten mehr Schreib- und Lebenserfahrung vorgestellt hätte.
Clemens J. Setz
Indigo
Suhrkamp 2012