Wenn die Postfrau einmal klingelt kann es sein, dass sie ein Päckchen mit einem Buch in der Hand hält, das ich gar nicht bestellt habe. So vor kurzem geschehen. Der Piper Verlag war so nett, mir das Buch Elefanten treffen von Kristina Schilke zuzuschicken. Der Name sagte mir nichts, doch die Fakten des Klappentextes lassen mich vermuten, weshalb ich um eine Rezension gebeten werde. Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig, steht da. Bis vor zwei Jahren hatte ich die Angewohnheit, die jährliche Anthologie Tippgemeinschaft des DLL zu zerpflücken. Möglicherweise habe ich da auch mal eine Bemerkung zu Kristina Schilke fallen gelassen.
Die dreizehn Erzählungen des Buches spielen in Waldesreuth, einem Ort im Bayerischen Wald, klein genug, dass alle Bewohner was mit allen zu tun haben, groß genug für ein Gymnasium. Der Name ist Fiktion, Kristina Schilke ist aber tatsächlich in einem derartigen Ort erwachsen geworden. Autobiografisches spielt also vermutlich hinein, auch wenn die Tatsache, dass die Autorin als sogenannte Russlanddeutsche in Tscheljabinsk geboren wurde, überhaupt keine Erwähnung findet. Kein Migrantenliteratur also wie etwa von Olga Grjasnowa, die sie wohl am DLL kennengelernt haben dürfte.
Das titelgebende Elefantentreffen ist eine Zusammenkunft von Bikern, die aber nur ein Nebenschauplatz in den Geschichten ist. Erzähler sind dreizehn verschiedene Personen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Berufes oder sozialer Position. Doch irgendwie haben sie alle Berührungspunkte miteinander, frühere Ich-Darsteller tauchen in anderen Texten wieder als Beteiligte auf.
Eigentlich passiert nicht viel in den Storys. Von der Frollein-Prosa gelangweilter Großstädterinnen unterscheidet sich der Band aber durch eine düstere Grundstimmung. Fast alle der Protagonisten haben ein körperliches oder seelisches Gebrechen. Einem jungen Mann hat das umstürzende Fußballtor das Gesicht zerschmettert, ein Kind zerdrückt eine gläserne Weihnachtsbaumkugel im Mund, weibliche und männliche Einwohner mit Dehnungsstreifen am Körper bilden eine Selbsthilfegruppe. Das Teenager-Besäufnis beim Starkbierfest erscheint da noch als kleinste aller Kalamitäten.
Kristina Schilke gelingt die Dramaturgie. Diese ganzen Defekte bleiben in der Schwebe. Lösungen sind nicht direkt in Sicht, aber auch nicht ausgeschlossen. Was aber fehlt, ist eine plastische Ausformung der Protagonisten. Abgesehen von der Beschreibung ihrer Problemzonen erfährt man kaum etwas über ihr Aussehen, eventuell manchmal die Haarfarbe. Und es gibt ausgerechnet in dieser engen Umgebung kaum Lokalkolorit. Alle sprechen das gleiche saubere Hochdeutsch.
Wenn man aus dem Buch eine Schlussfolgerung ziehen will, was bei einem belletristischen Werk ja nicht unbedingt nötig ist, dann diese: Provinz macht krank. Das sollte Juli Zeh beherzigen.
Kristina Schilke
Elefanten treffen. Erzählungen
München/Berlin: Piper 2016
18,00 €