Trockenbrocken

Dank eines Mitstudenten, dessen Freundin im Buchgewerbe tätig war, kam ich in den 1980er an Bücher, die zwar in der DDR erschienen, aber trotzdem höchstens zufällig im Laden zu finden waren. Darunter solche von Christoph Hein. Die ausweglos-depressive Stimmung in „Der fremde Freund“ begeistert mich nicht gerade, dafür aber die ironische Kritik in „Der Tangospieler“. Vor zwei Jahren habe ich „Die Landnahme“ von Hein gelesen. Trotz der dichten Story und raffinierten Struktur enttäuschte mich die Farblosigkeit der Figuren – bis zum Ende des Romans kann man sich die Protagonisten nicht bildlich vorstellen, da sie Charaktere ohne Gesicht bleiben. Nun habe ich gerade den Erzählband „Exekution eines Kalbes“ durch, der 1994 in erster Auflage erschienen ist. Bis auf die Titelgeschichte und einen weiteren Text sind es eigentlich Miniaturen von wenigen Seiten. Fast alle spielen in Ostdeutschland zwischen Kriegsende und DDR-Ende. Mein Gesamteindruck, dass hier Banalität ausgelatscht wird, mag für professionelle Kritiker Argument sein, dass genau dies eben eine realistische Widerspiegelung des Alltags im Osten ausmache. So ist folgerichtig im Klappentext auch von „eindringlicher Genauigkeit“ des Chronisten die Rede. Sprachlich besteht diese Genauigkeit in sehr nüchternen Sätzen und strukturell in strickter Linearität. Der Protokoll-Stil wird in der titelgebenden Erzählung „Exekution eines Kalbes“ partiell noch durch seltsame grammatikalische Konstruktionen verstärkt, die den Abstand des Autors unterstreichen.

Wenn ich so ein Buch beendet habe, frage ich mich immer, wozu es geschrieben wurde. Ich selbst weiß aus 28 Jahren Erfahrung, dass es eine ziemlich einseitige Zeitdiagnose der DDR sein muss. Sollen andere, die es nicht selbst wissen, in ihren Vorurteilen bestätigt werden? Dann hätte es mit etwas mehr Emotionalität mehr Wirkung. So trocken ist es Würgware.

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Eine Antwort auf Trockenbrocken

  1. udo-neisse sagt:

    ich las auch mal ein büchlein erzählungen von chr. hein, die ich gut fand, aber nicht derart faszinierend wie „der fremde freund“ oder „willenbrock“, fand auch keine ausweglos-depressive stimmung in „der fremde freund“, eher eine gespielte kälte/nüchternheit/gleichmütigkeit zur diskussion gestellt, ob diese einen doppelten boden besitzt oder nicht… finde chr. hein durchaus sparsam in seinen mitteln, halte das aber für seine stärke… emotional ist ja zur zeit aller scheiß

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