So einfach kann es manchmal sein, sich dem Regime zu widersetzen. Nicht aufs Töpfen gehen und beim verordneten Mittagsschlaf zwar die Augen schließen, aber wach bleiben. In der ersten Geschichte seines Buches, „Mein Widerstand“ überschrieben, macht sich Michael Bittner sowohl über die Stilisierung der Aufmüpfigkeit als auch die nostalgische Verklärung der DDR lustig.
Die Rezension über ein Buch zu schreiben, dessen Autor man seit Jahren kennt, hat seine Tücken. Und diesen Schreiber kenne ich eben so gut, dass ich zunächst überrascht war, auf dem Cover den vollen erzenglischen Namen Michael zu lesen. Mit Micha verbindet mich die Herkunft aus der Oberlausitz, eine Vereinsmitgliedschaft, vor allem aber eine zeitweilige Bühnenkollegialität, manchmal als gegeneinander bei einem Slam Antretende. Häufiger aber hat er mich in der Dresdner Scheune angekündigt. Gemeinsam mit Stefan Seyfahrt, der im Buch ebenso vorkommt wie ein gewisser Max, dessen Nachnamen ich kenne und dessen sagenhaft schwere E-Orgel ich schon durch die Gegend schleppen durfte.
Michael Bittner spielt in seinen Geschichten mit dem Image des Außenseiters, der früher seine Kumpels zur Disco chauffierte und selbst Kafka lesend nüchtern blieb, sich später aber einer erfolgreichen BWL-Laufbahn durch ein Studium der Germanistik und Philosophie entzog. Dieses Danebenstehen macht ihn zum Beobachter mit der nötigen Distanz und schlug sich eine Zeit lang in Kolumnen für die Sächsische Zeitung nieder. Nun hat er Dresden, die „versteinerte Eierschecke“ verlassen, wohnt in Berlin, der „Stadt der Einsteiger und Zurückgebliebenen“, wie er in Bezug auf die Aufforderungen am S-Bahnsteig schreibt.
Bei solch einer Sammlung von Texten aus mehreren Jahren steht das Problem der dramaturgisch geschickten Anordnung. Er hat sich dafür entschieden, die lustigen an den Anfang zu setzten. Wobei „lustig“ ein blödes Wort ist, da es so nach Heinz Rühmann, bestenfalls Heinz Erhard, klingt. Also: Es geht los mit den eindeutig satirischen Texten. Dazu gehören auch eine Immatrikulationsrede, in der Micha Bittner den Neustudenten rät, die Zeit an der Uni so lang wie möglich zu ziehen, und es gehört eine Parodie auf Tellkamp und dessen geschraubte Sprache dazu. Dann kommen aber auch Texte, die eher melancholisch sind. Die aus dem Titel „Wir trainieren für den Kapitalismus“ (drei Schnecken hinterlassen auf dem Cover Schleimspuren aus UV-Lack) resultierende Erwartung, dass es sich vorrangig um politische Themen handelt, löst sich nicht ganz ein. Nicht dass dies nötig wäre, aber es wird eben zunächst so angetäuscht, bevor dann Hiebe in ganz andere Richtungen gehen. Die Unproduktivität der Hausarbeit etwa: Sie schafft gar nichts, sie schafft einen bloß. Oder gegen Vergnügungsparkbesucher: Warum buchen die nicht gleich Pauschalreisen nach Guantanamo? Im Grunde genommen wird es damit doch wieder politisch.
Wie gesagt, kennt man den Autor persönlich, meckert man nicht gern. Es sind Texte in diesem Buch, die wie der Autor selbst sind: humorvoll, hochintelligent, vielseitig und freundlich. Was mir am Ende der durchweg unterhaltsamen Lektüre aber gefehlt hat, ist ein Tick mehr Aggression, auf die Gefahr hin, die zarten Philosophenhände holen sich an mancher Fascho- oder Proll-Fresse eine blutige Schramme. Vielleicht wächst Micha Bittner diese Eigenschaft in seinem neuen Umfeld in der Bundeshauptstadt noch hinzu.