Lebenszeichen

Lebenszeichen Wie sieht es denn hier aus? Der letzte Eintrag ist zwei Monate alt und auch davor ist wochenlang nichts passiert. Doch, doch. Ich lebe. Sehr intensiv sogar. Da bleibt eben keine Zeit zum Plaudern. Themen hätte es gegeben.zum Beispiel das grandiose Björk-Konzert in Berlin am 2. August. Aber ein Generalthema bestimmt seit mehr als zwei Monaten meinen Lebensrhythmus in einer derartigen Intensität, dass wenig Freiraum daneben bleibt: die Eröffnung des Ladens little kiwi in der Helmholtzstraße 27 nahe des Karl-Heine-Kanals. Eigentlich ist es ja ein Projekt meiner Frau. Aber zunehmend bin ich mit reingewachsen. Das erzwungene Ende meines zweiten Blogs kunstszene-leipzig.de Ende April war dann Anlass, ganz mit einzusteigen. Eine Galerie oder was anderes mit Kunst? fragen mich Bekannte, wenn ich vom Neustart erzähle. Nee, Klamotten! Waaas? Warum nicht? Wer braucht schon Kunst? Anziehen muss jeder was. Und Hand-Siebdruck hat ja zumindest ein bisschen was mit Kunst zu tun. Mitte Fünfzig ist doch genau das richtige Alter, die Reset-Taste zu drücken. Zumindest angesichts der verheißungsvollen Briefe der BfA, in denen mir eine rosige Rente in Nähe von Hartz IV-Bezügen prophezeit wird. So waren eben die letzten Wochen heftig ausgefüllt mit der Suche nach einer Location. Danach durfte ich meine Vorliebe fürs Heimwerken voll ausleben. Zum ersten Mal im Leben Fliesen verlegen, einen Spüle mit Hahn und Abfluss anschließen, einen Ladentresen bauen und so weiter. Ich weiß jetzt, wozu man Fugenkreuze oder Fosterbohrer benutzt. Lifelong learning. Und zwischendurch zu Märkten fahren und neue T-Shirts bedrucken. So langsam kehrt Normalität ein. Damit vielleicht auch Zeit, ab und zu wieder was in diesem Blog zu schreiben.

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Etwas Nostalgie

Es ist schon wieder viel zu viel Zeit seit dem letzten Konzertbesuch vergangen. Dass ich mir nun eine Karte für die Hooters gekauft hatte, hat zugegebenermaßen mit Nostalgie zu tun. Das letzte Mal hatte ich sie Anfang der neunziger Jahre in Dresden gesehen. So passte es, dass der einzige sommerliche Tag dieser Woche ausgerechnet auf den gestrigen Donnerstag fiel.

An den Effekt, bei einem Rockkonzert von alten Leuten umgeben zu sein, kann ich mich immer noch nicht gewöhnen. Ich sollte stets einen Spiegel bei mir tragen. Dass die Band also mit I´m alive startete, war da völlig angemessen. Außerdem begannen sie auch punkt Acht. Doch sie scheinen noch Spaß am Spielen zu haben, machten fast zwei Stunden voll und ließen sich nicht lange um die zwei Zugaben betteln. Bei dem als Support angekündigten Peter Conway ging es nicht um einen Anheizer vor dem Hauptakt. Vielmehr wurde er ins Konzert integriert. Ob sie wirklich einen dritten Gitarristen brauchen, ist eher fraglich. Es handelt sich wohl um eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Logisch, dass die großen Hits vergangener Tage nicht fehlen durften, inklusive der Mitgröhl-Hymne Johnny B. Dazu aber viel neueres Material, darunter Coverversionen wie Boys of Summer von Don Henley und Major Tom von Peter Schilling. Putzig, so einen NDW-Schlager in einer Folkrock-Version zu hören.

Eigentlich hätte alles ganz schön sein können. Hätten sich die Hooters bloß nicht dazu hinreißen lassen, manche Songs teilweise oder ganz in Deutsch vorzutragen. Manchmal ist es besser, wenn man nicht alles versteht. Besonders schlimm wurde es bei „Eine gute Flasche Wein, du bist nicht da, aber ich bin nicht allein.“ Da rutschten sie auf Ballermann-Niveau ab. Das hätten sie nun wirklich nicht nötig.

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Nicht die Kälte ist das Problem

Endlich war ich mal wieder im Kino und nahm sogar die Fahrt nach Kleinzschocher in Kauf, um in der Schauburg Mädchen im Eis zu sehen. In der russischen Version heißt er Pinguin unserer Zeit. Diese zwei ganz verschiedenen Titel lassen vermuten, dass es bei der Koproduktion nicht immer reibungslos zuging.

Jenes Mädchen im Eis entgleitet Regisseur Stefan Krohmer auch zunehmend. Am Ende ist die Deutsche Winja, die am Polarkreis ihren schon anderweitig liierten Geliebten Andrej sucht, nur noch eine Nebenfigur. Die verschiedenen Stränge der Handlung dröseln auf, und Krohmer bringt sie nicht mehr zusammen. So wird das Potential einer eigentlich ebenso starken wie schrägen Story vergeben. Im Grunde genommen ist alles da, was einen Film erfolgreich machen kann: Sex and Crime, eine außergewöhnliche Umgebung (auf der Kola-Halbinsel), emotionale Konflikte. Doch es kommt kein zusammenhängendes Erlebnis heraus.

Im Mittelpunkt des Interesses steht eigentlich nicht jenes deutsche Mädchen in der Schneelandschaft, sondern der russische Oligarch Starych, der – geläutert durch den Tod seiner Tochter – ein aufklärerisches Video drehen will, um vor den Gefahren der Umweltzerstörung durch den Abbau von Bodenschätzen (damit ist er stinkreich geworden) zu warnen. Dumm nur, dass die vom anderen Weltende herangekarrten Pinguine schon beim Transport verreckt sind, also nur noch in tiefgefrorenem Zustand als Statisten taugen. Die eingestreuten Animations-Sequenzen des geplanten Videos lockern den Film effektvoll auf.

Trotz mancher Mankos ist es eigentlich ein sehenswerter Streifen. Wäre da nicht dieses blöde Ende. Ausgerechnet der nationalistische Oligarch, der im wörtlichen Sinne über Leichen geht, rettet die Welt vor dem Profitwahn und Russland vor der Korruption, wird dafür gar zum Märtyrer.

Schade, da haben gute Ideen und viel Aufwand zu einem Ergebnis geführt, das nicht wirklich befriedigend ist. Sehr gut allerdings ist die Maskenbildnerin.

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Vor- und Rückwurf

Die Begriffe Nazi und Faschist erleben gerade eine Konjunktur, die noch vor Kurzem schwer vorzustellen war. Russland stellt die ukrainische Regierung als faschistische Junta dar, während im eigenen Land Rechtsradikale immer stärker werden. An den Fronten der Ostukraine kämpfen auf beiden Seiten echte Neofaschisten.

Doch auch hier sind mit den X-Gida-Demos solche Bezeichnungen wieder hoch im Kurs. Läuft Legida auf dem Augustusplatz auf, hört man von der Gegenseite „Nazis raus!“. Und die Leginellen rufen das Gleiche, meinen damit aber nicht die NPDler oder Hools in den eigenen Reihen, sondern ihre Gegner. Weiterlesen

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Die Null-Nummer

Am 20. März ist sie erschienen, die lange angekündigte Probeausgabe der Leipziger Zeitung. Auch wenn man diese Ausgabe Null nicht an den üblichen Zeitungsverkaufsstellen bekommt, habe ich eine erwerben können. Und ich habe sie gelesen von vorn bis hinten ohne Lücken, was ich fast nie mit irgendeiner Zeitung mache.

Die erste Überraschung dabei ist, dass die LZ gar nicht so straff lokal ausgerichtet ist, wie eigentlich angekündigt. Es geht um Theorien zum Geld, Syrienkrieg, Post-Wachstum, Weimarpedia, deutsches Kino oder auch die Technik des Diskuswerfens. Zwar wird zumeist versucht, durch entsprechende Gesprächspartner einen Leipzig-Bezug hinzubekommen, doch nicht immer. Insgesamt macht es den Eindruck, als wolle man eine überregionale Wochenzeitung mit starker Leipzig-Bindung sein. Weiterlesen

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O Freude

Das muss zweifellos mein Durchbruch als Dichter sein. Vielleicht werde ich im nächsten Jahr mit einem Lyrikband für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Zunächst bin ich aber im Poesiealbum neu vertreten, und zwar in der Sonderausgabe O Freude. Leipzig im Gedicht. Eingereicht hatte ich zwei Texte. Die Lemmingiade war den Juroren wohl zu schräg. Doch der Text Kleinzschocher, eigentlich nur als simpler Blogeintrag nach Mittagspausen-Spaziergängen entstanden, hat es geschafft. Jetzt darf ich mich Heimatdichter nennen.

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Kurz hinter der Salzstraße

Armselige Gegend, kaum wer
hat wenigstens einen Spatz in der Hand,
die Dächer hier tragen ohnehin kaum.
Elke (die mit den grünen Haaren
an der richtigen Stelle)
klagt der Kassiererin,
ihr Kerl liebe sie
nur noch minimalinvasiv.
Kauft Möhren. Soße auch.
Frag hier mal nach
dem Außenminister Montenegros.
Nur Schweigen. Wenn überhaupt. Würdest du
denen deine Blutgruppe verraten?
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Mambrins güldener Helm

Don Quixote, edler Ritter der Mancha. Kennt doch jeder. Wirklich? Ich habe schwarzweiße Bilder einer Fernsehserie im Hinterkopf, die ich als Kind mal gesehen habe. Eigentlich ist mit davon nur die Szene in Erinnerung geblieben, wo er zum Ritter geschlagen wird. Vielleicht wegen der Absurdität, dass eine Erhöhung durch einen Schlag besiegelt werden soll. Im Schullesebuch waren auch einige Ausschnitte vertreten, so etwas wie ein Best of.

Im Alter von über 50 Jahren habe ich mich durchgerungen, das Buch endlich mal komplett zu lesen. Oder die zwei Bücher, die in der von mir benutzten Ausgabe des Reclam-Verlages Ost aus DDR-Zeiten in der Übersetzung Ludwig Tiecks auf vier Büchlein verteilt sind. Immerhin 1200 dicht bedruckte Seiten. Cervantes! Don Quixote! Das gilt ja, neben den Shakespeare-Dramen, immerhin als der Startpunkt der modernen europäischen Literatur. Das muss man gelesen haben, will man als Bildungsbürger oder gar Intellektueller gelten. Weiterlesen

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Kubitscheks Gerede

Götz Kubitschek sieht sich gern als einen Vordenker der sogenannten Neuen Rechten, also des intellektuell angestrichenen Armes der Rechtsradikalen. Zwei Mal ist er bei Legida in Leipzig aufgetreten, einmal bei Pegida in Dresden. In seiner Eitelkeit hat er nicht nur Videomitschnitte seiner Reden ins Internet gestellt, sondern auch die Texte zum Nachlesen. So kann man sich damit beschäftigen, ohne es sich antun zu müssen, bei den Aufmärschen der „Bewegung“ selbst dabei sein zu müssen. Nach der Veröffentlichung seines ersten Leipziger Ergusses gab es sage und schreibe mehr als 100 Kommentare vergleichbaren Inhalts: „Tolle Rede!“, „Hervorragende Rede!“ usw. Nicht freigeschaltet wurden meine drei Versuche, Kubitschek darauf hinzuweisen, dass es eine dreiste Lüge ist, von 20.000 Leginellen auf dem Augustusplatz zu sprechen. In einem abschließenden Kommentar schreibt er dann trotzig, 15.000 seien es ja mindestens gewesen. Seine Gefolgsleute können gar nicht wissen, warum er nun plötzlich eine leichte, wenn auch unzureichende Korrektur vornimmt.

Was aber hat er denn nun so Tolles, Hervorragendes etc. von sich gegeben? Zunächst einmal sagt er vorsätzlich etwas nicht – dass er Journalist und Herausgeber einer legal erscheinenden Zeitschrift ist, der „Sezession“, ebenso wie sein Korreferent Jürgen Elsässer, dessen Zentralorgan der Verschwörungstheoretiker „Compact“ (so wie Sezession übrigens ein undeutsches Wort) an jedem Kiosk erhältlich ist. Stattdessen jammert er, dass „die Parlamente und Redaktionen für uns keine offenen Türen haben.“ Das sagt ein Redakteur! Das Dummvolk auf dem Platz braucht solch eine Verarschung. Weiterlesen

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Ich hab das Volk gesehn

Den ganzen Nachmittag lang werden Autos an der Leplaystraße weggeschafft. Fast könnte man vermuten, die Legida-Demos seien von der Abschlepp-Branche eingefädelt worden. Doch im Unterschied zum vorigen Mittwoch gibt es diesmal hier keine Absperrung hin zur Innenstadt.

Ein anderer Unterschied ist privater Natur. Ich habe die Seiten gewechselt. Während halb sechs meine Frau mit Freunden zum Johannisplatz aufbricht, gehe ich Richtung Moritzbastei. Direkt an der MB steht eine Kette von Polizisten. Ich sage, dass ich zum Augustusplatz will. „An der Legida-Demo teilnehmen?“ fragt ein Polizist. „Ja.“ Warum schaut er mich so skeptisch an? Sehe ich etwa aus wie ein Autonomer? Ich zeige den Presseausweis und werde durchgelassen, frage aber noch, was ich hätte zeigen müssen, wenn ich wirklich Legida-Anhänger wäre. „Nichts weiter.“ In dem Moment kommt ein Paar im Rentenalter. Sie werden problemlos durchgelassen. „Aber nur als Zuschauer“ sagt der Mann noch wie zur Entschuldigung. Weiterlesen

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