Noch einmal: Leipziger Zeitung

Im Dezember hat die Leipziger Zeitung, jenes von 3Viertel, Leipziger Internetzeitung und Weltnest angeschobene Vorhaben, eine gedruckte Wochenzeitung für Leipzig herauszugeben, den Aufruf zum Vorab-Abonnement veröffentlicht und zugleich verkündet: Wenn bis Ende April 2015 keine 12.000 Abos gezeichnet und bezahlt sind, wird es die Zeitung überhaupt nicht geben.

Es gibt selbst heute, in Zeiten einer unbestreitbaren Krise der Printmedien, immer wieder Versuche, neue Zeitungen oder Zeitschriften auf den Markt zu bringen. Manche davon sind erfolgreich. Der übliche Weg ist, dass ein Konzept aufgestellt wird und auf Grundlage dessen eine Nullnummer erscheint. Je nach Resonanz geht es dann weiter, oder es werden Veränderungen vorgenommen oder die ganze Sache stirbt. Weiterlesen

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Kein Spaziergang

Am Wochenende rief ich Freunde an, wo sie gegen Legida demonstrieren wollen. 17 Uhr am Waldplatz. Hmm, drei Stunden da rumstehn, bei angekündigtem Regen. Eine andere Bekannte sagt uns, sie wolle ab 17.45 ab der Nikolaikirche loslaufen. Da gehen wir auch hin, holen unterwegs noch eine Freundin ab. Vor der Kirche, wo das Friedensgebet gerade zu Ende geht, ballen sich Menschen bis weit in die Grimmasche Straße hinein. Unsere Bekannte finden wir nicht. Ein Mann mit Rollkoffer versucht sich durchzudrängen. „Entschuldigung, bin gerade angekommen, habe hier ein Hotelzimmer.“ Herzlich willkommen. Kurz nach sechs geht es los, an der Thomaskirchhof kommt der Zug aber zum Stocken. Schaltet die Ampel am Dittrichring nicht auf Grün? Keine Ahnung, wie viele Leute dabei sind. Vom Ring bis in die Grimmasche Straße wartet eine nicht überschaubare Menge, dass es weitergeht. Weiterlesen

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Braune Suppe

Die Leipziger Kopisten von Pegida, fantasievoll Legida benannt, haben ihre Standpunkte veröffentlicht. Das Positionspapier der Dresdner Kollegen liest sich im Vergleich dazu wie ein Referentenentwurf zur Verbesserung der Lage von Asylbewerbern. Die Leipziger machen nicht so viel Schmus. Dass sie rechtsaußen sind, wird nicht mehr verschleiert.

Zunächst mal wird klar, dass die angebliche „Islamisierung“ nur einen Vorwand für allgemeinen Fremdenhass darstellt. Es ist ein Sammelsurium von Forderungen, von denen viele mit Moslems oder gar Islamisten überhaupt nichts zu tun haben. Da geht es um das deutsche Steuersystem ebenso wie um eine Bildungsreform oder auch Sympathy for the Putin.

Vieles davon kommt mir sehr bekannt vor von Plattformen wie Blaue Narzisse oder Sezession, in die ich häufig reinschaue. Das ist der rechte politische Rand, auch wenn sie natürlich überhaupt völlig garnichts mit Nazis zu tun haben wollen. Weiterlesen

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Gandgestranken

Heute bekam ich eine Mail, in der ich freundlich gebeten wurde, den Titel einer meiner Artikel zu ändern, da sich die mich anschreibende Firma, so eine Art von Reisedienstleister, die Bild-Text-Marke „StrandGedanken“ hat schützen lassen. Da ich keine Lust habe, neben einem Prozess gegen einen älteren Herrn, der bis vor kurzem mein Arbeitgeber war, weitere Kontakte zur Justiz zu haben, bin ich der Aufforderung nachgekommen. Obwohl fraglich ist, dass eine bloße Überschrift mit einer Bild-Text-Marke kollidieren kann. Auf jeden Fall aber finde ich es zum Kotzen, dass die Sprache zu einer Ware verkommen ist, die häppchenweise verhökert werden darf. Jeder, der will und Knete hat, darf sich Alltagswörter kaufen, die dann der allgemeinen Verwendung entzogen sind. Früher durfte man beim Glücksrad nur einzelne Buchstaben kaufen, selbst die standen aber nachher dem nächsten Kandidaten wieder zur Verfügung.
Angenommen, ein anderes Unternehmen, auf Nachtwanderungen spezialisiert, lässt sich das Wort Nachtgedanken schützen. Dann müssen alle Bücher mit Heines Gedicht eingestampft werden. Denk ich an Deutschland in der Nacht … Einfach nur finster.

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Nach- wie Vorsatz

Wenn ich mir so ansehe, dass mein letzter Beitrag auf dieser Seite fast einen Monat alt ist, nehm ich mir für 2015 nur einen Vorsatz vor: Trotz des Zeitaufwandes, den kunstszene-leipzig.de bedeutet, mindestens einmal pro Woche auch hier etwas zu posten.

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Sympathie für Bekloppte

Ich habe es getan. Ich habe mir das Magazin für Souveränität für 4,95 Stück europäisches Geld gekauft. Compact nennt es sich im Haupttitel. Herausgeber Jürgen Elsässer hatte ich erstmals zur Kenntniss genommen, als ich 2003 für kurze Zeit Abonnent der junge Welt war, für die er damals schrieb. Schon zu dieser Zeit fiel mir unangenehm auf, dass er wie auch andere Autoren der Zeitung nach dem Motto handelte: Feinde unseres Feindes sind unser Freund. So wurde schlimmen Diktatoren applaudiert, wenn sie sich nur energisch gegen die USA aussprachen.

Dass Elsässer heute im deutschsprachigen Raum als Hauptpropagandist von Verschwörungstheorien gilt, ist bekannt. Zu Veranstaltungen von Compakt wie im Frühling dieses Jahres am Rande Leipzigs lädt er sich Gestalten wie Thilo Sarrazin oder Eva Herrmann ein. Weiterlesen

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There’s a new guitar in town

Leipzig bekommt eine neue Zeitung! Gedruckt! Auf Papier! Ok, eine andere verschwindet dafür, doch die bisherige Leserschaft von 3Viertel wird die Expansion auf das ganze Stadtgebiet und prospektiv darüber hinaus in die Weiten Mitteldeutschlands mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Genau dahin will das Blatt, das bisher einmal pro Quartal für Lindenau, Plagwitz und Leutzsch erschienen ist, nun wöchentlich unter dem Titel Leipziger Zeitung ausstrahlen. Das braucht Partner. Diese wurden mit Weltnest und Leipziger Internetzeitung gefunden.


 

Der Trend zur Wochenzeitung ist zeitgemäß. Bei einer Diskussionsveranstaltung des Kreuzer im Juni 2013 in Halle 14 wurde laut darüber nachgedacht, das Stadtmagazin in der Erscheinungsweise auf den Wochenrhythmus umzustellen. Die im Podium anwesende Chefin der Taz pries die neue Wochenendausgabe ihres Blattes auch als die mögliche Rettung für kriselnde Tageszeitungen an. Die Süddeutsche Zeitung erprobt unterdessen ein vergleichbares Format.

Eine Wochenzeitung für Leipzig – unabhängig, gut recherchiert, vielseitig – das hört sich toll an. Haben aber die drei Koalitionäre das journalistische wie auch wirtschaftliche Potential dazu? In Bezug auf das journalistische Können dürfte in diesen Trio wohl die L-Iz das meiste Gewicht einbringen

Doch auch da sind bisher die Rubriken spürbar verschieden gewichtet. Während es zu lokal- und regionalpolitischen Themen fundierte Recherchen und auch Meinungsäußerungen mit Biss gibt, sieht der Kulturteil doch ziemlich dürftig aus. Volly Tanner mag als Interviewer von Popmusikern zwar durchaus kompetent sein, wagt er sich aber ins Gebiet der Bildenden Kunst, wird es bescheiden. Und auch die Beiträge von Chefredakteur Ralf Julke auf diesem Gebiet sind eher harmlos. Natürlich kann er sich nicht auf allen Gebieten gleichermaßen auskennen. Doch gerade bei problematischen Themen wie der Image-Show der Deutschen Bank im Bildermuseum oder der umstrittenen Ausstellung „Die Schöne und das Biest“ am gleichen Ort verließen ihn doch seine kritischen Qualitäten in auffälliger Weise. Zudem werden in der L-Iz Preesemeldungen von Immobilienunternehmen wiedergegeben, ohne dass „Anzeige“ darüber steht.

Ok, vorab über ein Projekt zu urteilen, das an sich auf jeden Fall zu begrüßen ist, macht keinen Sinn. Allerdings geschah Merkwürdiges, nachdem ich auf der Internetseite dieser im Entstehen begriffenen „Leipziger Zeitung“ einen Kommentar postete, der nicht vollkommen in die Euphorie der anderen Kommentatoren einstimmte, sondern vor allem Wünsche nach einem starken Feuilleton und zugleich Zweifel an dessen Machbarkeit äußerte. Als ich paar Stunden später erneut in die Seite reinschaute, fand ich den Kommentar plötzlich nicht mehr, fragte deshalb in einem neuen Posting nach, ob denn das die neue Qualität des Journalismus sei. Ein User namens René antwortete, dass ich schon schauen müsse, unter welchen Artikel ich da eigentlich kommentiert hätte. Ich brauchte etwa eine Viertelstunde um herauszufinden, dass da wirklich zwei Beiträge ohne Überschrift aufeinander folgen. Als ich das dann erkannt hatte, gab ich den Lapsus zu, verbunden mit einer Kritik an der unübersichtlichen Benutzerführung. Es folgte ein Kommentar der Redaktion, dass dieser René gar nicht zu ihr gehöre, man meine kritischen Anmerkungen aber ernst nähme. In Ordnung.

Heute schaute ich nochmals in die Seite rein, nahm zur Kenntnis (nun wissend, wie  man da Grenzen zwischen Artikeln unterscheidet), dass sich auch beim ersten Beitrag die Zahl der Kommentare erhöht hatte und durfte feststellen, dass einer davon mir galt. Nicht von irgend einem Möchtegern-Redakteur, sondern in Versalien hervorgehoben als REDAKTION. Nun wird es spannend. Das scheint nicht die gleiche Redaktion von gestern zu sein. Offensichtlich besitzt das Hochhaus des neuen Verlages schon mehrere Etagen und der Fahrstuhl dazwischen hat Macken. Oder ein gestern gerade den Sonntag genießender Mitarbeiter kam heute aufgeregt hinzu um mitzuteilen, dass dieser Kassner doch ein ganz schlimmer Schreiberling dieser LVZ sei, also der Feind an sich. Und so heißt es nun unter anderem: Statt an der Erweiterung einer Medienlandschaft teilzuhaben oder Wohlwollen zu üben, sind ihre Unterstellungen unglaublich, dreist und mit Verlaub eine Frechheit. Ihre Unabhängigkeit haben Sie uns damit leider nicht unter Beweis gestellt.

„Wohlwollen üben“. Klingt gut. Klingt dämlich. Nein. Ich übe tatsächlich kein vorauseilendes Wohlwollen. Für 69 Euro soll man schon mal ein Abo abschließen, ohne klaren Erscheinungstermin, ohne Angaben zum Umfang der Zeitung oder deren Gliederung, ganz zu schweigen von einem erkennbaren Konzept. Bisher wird nur erläutert, wogegen man ist: die LVZ. Und ich als freier Journalist, der neben anderen Kunden auch die LVZ beliefert, bin ich eben Teil des Systems, das es zu bekämpfen gilt. Die einzige Tageszeitung ist am Ende, selbst die Bild Leipzig ist in vielen Belangen besser, sagt Moritz Arand von 3Viertel im ersten Leitartikel der Internetseite. Zu dieser Aussage bin ich eigentlich nicht kompetent genug mich zu äußern. Zum letzten Mal hatte ich BILD in der Hand vor etwa drei Jahren. Einer meiner damaligen Kunden, selbst Volksreporter des Blattes, drängte mich dazu. Nach zwei Minuten war ich immer fertig mit der Lektüre. Wenn das aber ein Qualitätsmaßstab der „Leipziger Zeitung“ ist, fällt mir das Einüben von Wohlwollen noch schwerer.

Statt an der Erweiterung einer Medienlandschaft teilzuhaben … steht da noch in der höchstredaktionellen Antwort. Ach ja, googeln Sie doch einfach mal, was ich außer der systemerhaltenden Schreiberei für die LVZ noch so tue.

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Könnt ihr euch schenken

Normalerweise ist diese Seite werbefrei. In eigener Angelegenheit mache ich aber mal eine Ausnahme. Ich habe nämlich einen wunderschönen Fotokalender mit Leipzig-Motiven produziert, von dem es noch Restexemplare gibt.

kalender_kassner

Hier gibt es noch eine Übersicht der Motive

13 Blatt A4, Ringbindung mit Aufhänger

Für 10 Euro (inkl. 7 % USt) plus 1,45 € Versand zu haben.

Nun sagt bitte nicht alle, ihr hättet schon sämtliche Weihnachtsgeschenke besorgt.

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Hart gelandet (Auszug aus der Autobiografie)

Der Einschlag war hart, doch ich hatte keine Verletzungen. Nach etwa zehn Minuten Ruhepause versuchte ich die Luke der Landekapsel an den Schraubverschlüssen zu öffnen, was misslang. Sicherlich würde das Bergungsteam bald da sein, ich aber wollte einfach nur raus. Schließlich bemerkte ich, dass die Schrauben sowieso durchgesägt waren und die Luke nur vom Gummiring eines Einweckglases gehalten wurde. Mein schweizer Taschenmesser hatten mir die russischen Bordingenieure aus Sicherheitsgründen schon vor dem Start abgenommen. Doch einen Fingernagelknipser hatten sie nicht als potenzielle Waffe identifizieren können. Damit durchzwickte ich den Gummi. Die Luke schnappte auf und ich bewegte mich auf die Öffnung zu, in der ich tiefblauen kasachischen Himmel sah. Doch ich hatte nicht beachtet, dass ein Ende des Gummis am Türhebel hängen geblieben war – und russische Einweckgläser sind für Jahrhunderte konzipiert. Das eiserne Rund schnellte zurück und mir auf den Schädel. Weiterlesen

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Einmischerin

In den Feuilletons hält das Gejammer an, dass „unsere Intellektuellen“ sich nicht mehr in gesellschaftliche Prozesse einmischen, so wie das früher angeblich üblich war. Mit den angeklagten Intellektuellen meinen die beschwerdeführenden Intellektuellen zumeist Schriftsteller. Zu den Ausnahmen, die offensichtlich nicht gemeint sein können, gehört Juli Zeh. Nicht zum ersten Mal erscheint nun eine Sammlung ihrer Aufsätze zu politischen Themen, von 2005 bis in die Gegenwart reichend.

Zwei Kernthemen, die sie miteinander zu verknüpfen versteht, sind die Demokratie und das Internet. Auf beiden Feldern wird ihr Erstberuf als Juristin spürbar, den sie vor der Schriftstellerei erlernt hat.

Gleich im ersten Text geht es um die Menschenrechte. Ähnlich wie bei den zehn Geboten meint jeder zu wissen, was drinsteht. Soll er sie aber zitieren, kommt er zu seiner eigenen Überraschung nicht über die ersten Artikel hinaus. Während manche Juristen ihr Expertenwissen nutzen, um Lücken und Widersprüche auszunutzen, verteidigt Juli Zeh nicht nur die Menschenrechte, sondern auch rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien, ohne dabei blind zu sein vor den Mängeln und Verformungen der realen gesellschaftlichen Praxis.

Ob es um Fragen wie die (Un-)Zulässigkeit von Folter zur Aufklärung von Straftaten geht oder den Generalverdacht gegen Muslime bzw. Menschen, die nur aus muslimisch geprägten Ländern stammen – immer argumentiert sie so leidenschaftlich wie auch fachlich fundiert.

Nicht anders ist das bei ihrem zweiten großen Thema, dem Internet und dessen Freiheit. Sie hält Politikern vor, lange vor Angela-Merkels „Neuland“-Äußerung, auf die sie dann auch eingeht, das Internet lediglich zu nutzen, aber nicht mit ihm sachkundig umzugehen. Sie geht dann unter anderem mit Kollegen ins Gericht, die naiv die Profitinteressen der Großverlage verteidigen und dabei glauben, es sei im Interesse ihrer eigenen Urheberrechte.

Dass sich manches Motiv wiederholt, ist natürlich bei so einer Sammlung unabhängig entstandener und erstveröffentlichter Texte. Was aber auffällt, ist die zunehmende Routine des Schreibens im negativen Sinne. In den frühen Texten erfindet sie virtuelle Handelnde oder Gesprächspartner, um den Text lebendig zu gestalten. Dieses schriftstellerische Element schwindet zunehmend. Übrig bleiben professionelle, dabei aber zu „normale“ Texte. Schade.

Juli Zeh: „Nachts sind das Tiere“

Frankfurt a.M.: Schöffling 2014

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