Linde now and then

Auch ohne den Auftrag einer lokalen Tageszeitung hatte ich mir vorgenommen, das Kunstfest Lindenow#8 anzusehen. Die zwei Ausflüge in Leipzigs mittleren Westen hinterließen etwas Frust und viel Begeisterung. Am Freitag brach ich die Exkursion nicht nur wegen des ekligen Wetters genervt ab. Weiterlesen

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Später Fallwind

Da ich die FAZ nicht täglich lese, bin ich über den Eintrag auf heldenstadt. de auf den Artikel Das Happy End in der Dauerschleife von Andreas Platthaus in der vorgestrigen FAZ gestoßen. Und ich wundere mich. Zunächst mal über die Bemerkung bei heldenstadt. de, der Autor sei beim Rundgang gewesen. Nicht nur wegen des Erscheinungstermins des Artikels fast einen Monat später ist das nicht glaubwürdig. Vor allem aber wundere ich mich über die zusammenfassende Aussage des Autors Sehr zum Leidwesen der Besucher: Ein Rundgang durch die Galerien der Leipziger Baumwollspinnerei zeigt krasse Niveauunterschiede. Ein frischer Wind fehlt. Weiterlesen

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Belting wiedergelesen

Es müssen etwa 15 Jahre vergangen sein, seit ich Hans Beltings Buch Das Ende der Kunstgeschichte gelesen habe, das seinerseits die Revision seines 1985 geschriebenen Essays mit dem gleichen Titel (damals noch mit einem Fragezeichen versehen) darstellt. Eigenartig ist, dass es offenbar kaum an Aktualität verloren hat.

Wenn Belting vom Ende der Kunstgeschichte spricht, meint er nicht das Ende der Kunst(produktion) und irgendwelcher Entwicklungen, sondern ausschließlich den Glaube an eine lineare Folgerichtigkeit innerhalb dieser. Solch eine vom allgemeinen Fortschrittsgedanken der Moderne ausgehende Erzählung war schon immer eine Fiktion, seit den frühen 1960er Jahren aber vollends obsolet geworden. Um so erstaunlicher ist es, dass es heute noch – ein halbes Jahrhundert danach – Künstler, Galeristen, Kritiker gibt, die in Bezug auf die Gegenwartskunst von Avantgarde reden und Progress für machbar und anstrebbar halten.

Belting zeigt auch, dass Innovation durchaus möglich sind, wenn neue Medien eingesetzt werden, aber nicht zwangsläufig, weil es keineswegs erwiesen ist, daß es genügt, das Pferd zu wechseln und neue Medien zu benutzen, um Neues zu sagen und eine neue Zeit zu besitzen. Auch stellt er fest, dass Mediengeschichte und Kunstgeschichte nicht identisch sind: Es zeugt von einem naiven Kult der Technik und der Aktualität, daß sich Medientheorie und Mediengeschichte heute allein zu den technischen Medien (Foto, Film, Video) äußern, während sie die alten Medien als „Kunst“ beiseite schieben. Damit spalten sie die Einheit der Bilder in die Pole der Medien und der Kunst, als ob alle Wege dazwischen abgebrochen seien. Auf dem Gebiet der Videokunst scheint es in den 17 Jahren seit Erscheinen des Buches sogar einen Rückschritt gegeben zu haben. Belting schreibt, dass die Videokünstler sich in der Demontage zeitlicher Abläufe von Filmen in TV und Kino abheben. Heute ist es aber zu einer Normalität geworden, in Kunstausstellungen Videos zu zeigen, die genau so auch im Fernsehn laufen könnten und  es zuweilen tun.

Netter Nebeneffekt der erneuten Lektüre ist der Hinweis, dass die gegenwärtig so hitzige Debatte über Urheberrecht und Kopieren uralt ist. Er verweist auf die Ausstellung Art about Art, die 1978 im Whitney Museum stattfand. Das Begleitbuch wird mit einem Essay von Leo Steinberg eröffnet, der, wie nicht anders zu erwarten, den Spieß umdreht und das Thema in die alte Kunst zurückverfolgt, wo man schon immer kopiert, überboten und korrigiert hatte. Die einschlägigen Beispiele waren bequem in einem Buch von K.E. Maison versammelt, der 1960 „Themes and Variations“ aus fünf Jahrhunderten Kunstgeschichte in prachtvollen Abbildungen vorgelegt hatte, in welchen die alten Vorbilder und die alten Nachbilder einander gegenüberstanden.

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10 Titel für einen noch zu schreibenden Lyrikband

1. Krähengezwitscher

2. Second Hand Sex

3. Kapernsoße auf Karins Kaminsims

4. Im dichten Gefieder der Koryphäen

5. Langneser Epiloge

6. Ausgelassene Tabulatoren

7. Nie wieder nach Tabasco

8. Quantenlyrik für Dummies

9. Zwölf Millionen Pixel zuviel, du Sau

10. Die Schlaflosigkeit der Eintagsfliege

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I know, it´s only Rock´n Roll …

Zwei neue Ausstellungen im Leipziger Bildermuseum feiern Pop und Rock. Bei „Leben mit Pop!“ wird ein breiter Überblick über die Grafik der Pop Art gegeben. Obwohl die Bilder aus einer einzigen Privatsammlung stammen, der Sammlung Heinz Beck im Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen stammen, lassen die 116 Blätter kaum einen der großen Namen aus. Warhol ist da mit seiner Liz Taylor, Lichtenstein mit Comicbildern und den stilisierten Pinselschwüngen, Indiana mit dem berühmten Letternbild LOVE, Ruscha und Rauschenberg, Johns und Jones und so weiter. Aber auch die Engländer um Hamilton und Blake, die den Pop eigentlich erfunden haben. Und Deutsche wie Staeck, Ulrichs, Bayrle und Richter, die man unter dieser Überschrift eigentlich gar nicht vermuten würde. „A Star is Born“ beeindruckt nicht weniger. 180 Fotos aus der Geschichte des Rock von Elvis bis zu den White Stripes.

Museumsdirektor Hans-Werner Schmidt sagt, dass er seit vierzig Jahren Wahrhol-Ausstellungen ansieht und der Altersdurchschnitt der Besucher immer wieder auffällig jung ist. Tatsächlich wirken die Grafiken nach wie vor frischer als manches Zeitgenössische. Doch das gedämpfte Licht in den Räumen zeigt deutlich: Der Walk on the Wilde Side ist museal geworden. Darum stimmen auch die Rockfotos trotz der weiter gefassten Zeitspanne wehmütig. Während es eigentlich keine neuen Musikströmungen mehr gibt, nehmen die heutigen Stars Fotografen an die kurze Leine, lassen keine Spontaneität mehr zu. Es ist ein Abgesang, aber ein ausgesprochen schöner.

Übrigens gibt es einen ganz besonderen Audioguide, der nicht nur Erklärungen zu den Bildern bietet, sondern auch Originalsound der Bands.

Ed Ruscha: „Standard Station: Armarillo Texas“ 1966,

Courtesy: Sammlung Heinz Beck, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen, Foto: Joachim Werkmeister

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Zurück zum Gentleman-Kapitalismus

Der Untertitel „Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren“ von Walter Wüllenwebers Buch „Die Asozialen“ legt eine Ähnlichkeit zu Tilo Sarrazins Kampfschrift „Deutschland schafft sich ab“ nahe.

Eine grundlegende Übereinstimmung findet sich tatsächlich. Auch Wüllenweber geht von der These aus, dass Arbeit und Leistung per se nützlich für das Gemeinwohl seien. Zu Sarrazins zweiter Prämisse, dass nämlich jedem Tüchtigen der Weg nach oben offen stehe und Faule von ober her unweigerlich absinken, teilt er nicht. Im Gegenteil: „Die 60er und 70er mit ihren außergewöhnlichen Möglichkeiten für alle Klassen waren eine historische Ausnahmesituation. Vor allem für die Generation der Babyboomer ist sind diese Zeiten längst vorbei. Doch noch immer prägt die längst vergangene Ausnahmezeit die Vorstellung, die sich viele von den Aufstiegsmöglichkeiten machen. Sie glauben noch an das Märchen von der Chancengleichheit.“

Walter Wüllenweber analysiert zwei gesellschaftliche Gruppierungen, die er nicht nur für asozial, sondern auch als gefährlich für die Gemeinschaft ansieht. Es sind die Superreichen sowie die arbeitsunwillige unterste Schicht. Messbares Kriterium für die Oberschicht, bzw. die High Net Worth Individuals, die HNWIs, ist das frei verfügbare Kapital von einer Million Dollar, also etwa 750 000 Euro. Von dieser Gruppe, die in Deutschland größer ist als anderswo, grenzt er aber noch einmal jenes Promille der Bevölkerung ab, welches annähernd ein Viertel des Vermögens besitzt, womit zunächst auch nur Geld auf überprüfbaren Konten gemeint ist. Und er macht klar: Erarbeitet haben sich diese Leute diese Summen keineswegs. Einkommen sei Reichtum für Anfänger, Fortgeschrittene lassen das Geld selbst arbeiten. Die wohlhabenden Promis, die man in Society-Journalen Champagner schlürfen sieht, gehören in der Regel nicht dazu. Sie haben zumeist noch einen, wenn auch überproportional dotierten, Job. Die echten Reichen, häufig Erben, verstecken sich hinter ungestrichenen Zäunen, sind auch in den Medien nicht sichtbar.

Dieser Gruppierung stellt Wüllenweber diejenigen gegenüber, die man traditionell als Asoziale bezeichnet. Auch hier differenziert er, macht die Zuordnung nicht formal am verfügbaren Geld oder generell am Empfang von Transferleistungen fest, sondern am Verhalten innerhalb der Gesellschaft. Es sind diejenigen, sie sich weder um Arbeit, noch um Bildung oder sonstige Formen der Teilhabe bemühen. Die sozialromantische Vorstellung mancher Linker, dass die Betroffenen dazu gezwungen werden, versteht der Autor zu widerlegen.

Walter Wüllenweber ist langjähriger Journalist beim Stern. Er zieht seine Fakten nicht nur aus Statistiken und offiziellen Untersuchungen, sondern immer wieder auch aus Recherchen an der Basis. Daraus ergibt sich eine plastische Sprache, manchmal etwas zu aufgeladen mit Metaphern. Die Besichtigungen vor Ort gelingen ihm besser bei der Unterschicht. Die „ganz oben“ igeln sich ein. Er muss eingestehen, nicht dicht rangekommen zu sein. Das hat er mit den Finanzbehörden gemein.

Es mag seltsam erscheinen, die zwei gegensätzlichsten Gruppierungen in einen Topf zu werfen. Doch es finden sich tatsächlich Gemeinsamkeiten. Das ist zunächst – für Wüllenweber Hauptmerkmal – die Nichterbringung von verwertbaren Leistungen. Weiterhin die Abkoppelung von der Mehrheit, also kaum politische oder gemeinnützige Aktivitäten, sowie die freiwillige Ghettobildung. Und – das macht den zweiten Teil des Buches aus – beide bringen „Hilfsindustrien“ hervor. Das hochspekulative Investmentbanking auf der einen Seite steht seit dem Crash von 2008 im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ohne dass sich etwas an den Strukturen ändern würde. Die Industrie der Helfer auf der anderen Seite, die von den Beschäftigtenzahlen zur größten Branche in Deutschland geworden ist, ist selten Gegenstand von Untersuchungen. Ein System aufzuzeigen, das nicht an einer Beseitigung von Armut interessiert sein kann, weil es davon profitiert, ist ein Verdienst des Buches.

Ein nicht zu unterschätzendes Unterscheidungsmerkmal von „Die Asozialen“ zu „Deutschland schafft sich ab“ ist, dass Wüllenweber klar hervorhebt: Die asoziale Unterschicht hat trotz eines hohen Anteils von Migranten nicht ursächlich mit der ethnischen Herkunft zu tun.

Allerdings teilt er mit Sarrazin die These, dass Leistung eingefordert werden muss. Was im ganzen Text spürbar wird, bringt er im Schlussteil unmissverständlich zum Ausdruck: „Wirtschaftswachstum ist positiv.“ Eine Kapitalismuskritik kann man ihm also nicht unterstellen. Auch 40 Jahre nach dem ersten Bericht des Club of Rome ist für den eigentlich kritisch denkenden und differenzierenden Autor eine Infragestellung des Wachstumsfetischismus kein Thema, nicht einmal am Rande. So lässt sich auch verstehen, weshalb er alle, die nicht zu den von ihm untersuchten Gruppierungen gehören, als eine große Mittelschicht bezeichnet, die das Auskommen beider asozialen Ränder ermöglicht. Zu dieser Mitte gehören Aldi-Kassiererinnen gleichermaßen wie angestellte Manager von Großkonzernen.

Es spricht für Walter Wüllenwebers Redlichkeit, im Nachwort selbst zu betonen, dass er Lösungen anzubieten nicht als seine Aufgabe ansieht. Filtert man Ansätze von Vorschlägen aus dem Buch heraus, klingt das auch wenig praktikabel. Im Grunde vertritt er den Standpunkt, dass wir zurück müssen zum traditionellen Sozialstaat wie auch zu einer Besteuerung von Spekulationsgewinnen, die es tatsächlich schon einmal gab. Das hört sich an nach Sozialdemokratie früherer Jahrzehnte. Ob dies für die drastisch veränderten globalen Konditionen ein Rezept ist, erscheint fraglich.

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Hoffnung für BimboTown

Manchmal kann ein simpler Zeitungsartikel tatsächlich etwas auslösen. Vorige Woche schrieb ich in der LVZ, dass Jim Whitings BimboTown nun wohl für immer schließen muss und er nach Standorten anderswo sucht. Nun teilte er mir mit, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung gleich seinen Kulturbürgermeister Michael Faber (die reden also noch miteinander – auch gut) hingeschickt hat, um über die Zukunft des Gesamtkunstwerkes zu sprechen. Hoffentlich bleiben es nicht große Worte und Gesten, aber das Problem ist erst einmal erkannt.

Nebenbemerkung: Im BimboTown gibt es keine Malerei der Leipziger Schule zu sehen, eigentlich gar keine Malerei. Und keine Würste. Trotzdem schreibe ich darüber, obwohl das Meinung mancher nicht zu meinen Kompetenzen gehört.

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Quietschbunte Leichen

DAS IST ABER SEIT HUNDERT JAHREN SCHNEE VON GESTERN! Gemeint ist Malerei, speziell gegenständliche, sowie handwerkliches Können in der Kunst. Die Leipziger Galeristin, die das in Versalien ausruft, meint ganz genau zu wissen, was in der heutigen Kunstwelt angesagt ist, was nicht. Das Blöde daran ist nur: In gleich sieben benachbarten Galerien wird solcher Schnee von gestern ausgestellt. Malerei, groß und bunt, zuweilen mit dem Anspruch handwerklicher Perfektion, fast durchweg gegenständlich. Wenn ich wieder mal in Lindenau bin, werde ich die Galeristen fragen, was sie denn eigentlich zu solch einer Leichenschändung treibt. Und das auch noch im Rudel. Pfui!
Was sind nun aber jene Perlen, die besagte Galeristin nach ihren eigenen Worten vor solch hinterwäldlerischen Säue wie mich wirft, also die Speerspitzen der Innovation, voll von revolutionärem Potential, neue Welten eröffnend? Im Moment ist es ein englischsprachiger Schriftzug, hoch oben in die Wände eingraviert, über das Verhältnis von Möglichkeiten und Ereignissen sinnierend. Ähnliches hat Lawrence Weiner vor genau 45 Jahren schon gemacht. Damit hat er also die Revolten von 1968 ausgelöst? Die Gruppe, die in Leipzig ihren Spruch eingegraben hat, bekam gerade den Auftrag, eine Shopping-Mall zu bekunsten. So geht Revolte heutzutage.
Innovation und Revolution sehen für mich etwas anders aus und sind in der heutigen Kunst sehr selten geworden. Dann aber alle, die nicht an einem in die Leere gelaufenen Avantgarde-Glauben unbedingt festhalten wollen, als hinterwäldlerisch zu beschimpfen, ist schon ausgesprochen arrogant.
Die Galeristin gibt vor, sich Sorgen um die Zukunft von Leipzigs Kunstszene zu machen, da ja die vorwärtsstürmenden Neuerer nicht entsprechend gewürdigt werden. Immer mehr Künstler, Galerien und Ausstellungsformate würden die Stadt verlassen, die Szene sei am veröden. Da muss ich wohl am Wochenende in einer ganz anderen Stadt unterwegs gewesen sein oder halluziniert haben.
Dass ich keineswegs eine reaktionäre Handwerkelei promote, allerdings auch nichts gegen Vituosität habe, könnte sie schon an vielen Einträgen dieses Blogs erkennen, aber auch beim nicht-selektiven Lesen meiner Artikel für die LVZ. Die Kritzeleien eines Dan Perjovschi, fragmentarisch in der Werkschauhalle erhalten, finde ich interessanter als beispielsweise die angestrengte Feinmalerei eines Michael Triegel. Deswegen muss ich aber nicht jeden Pups, der mit dem Etikett Kunst versehen wird, auf Lunge nehmen. Die Provinz beginnt genau da, wo alles was geschieht unkritisch gutgeheisen wird, nur weil es passiert. Hinterwäldlerisch ist gerade der fortgesetzte Versuch, Kritik verhindern zu wollen, werte Kunstversteherin.
Und sich Sorge um die Stadt zu machen, alle Galerien und Kunsträume aber, die nicht die edle Adresse Spinnereistraße 7 tragen, als Trittbrettfahrer zu bezeichnen und sich den Begriff Rundgang auf ausgrenzende Weise aneignen zu wollen, ist ein Widerspruch in sich.
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Die K-Frage von Kassel

Am Wochenende Lastminute zur dOCUMENTA (13). Viel Geld ausgegeben, schönes Wetter genossen und einen Text geschrieben:

Pflanzen sind Kunst. Technik ist Kunst (im Folgenden nur noch K genannt). Lebende Tiere sind K. Tote Tiere sind K. Abwesende Tiere sind K. Musik ist (Bildende) K. Songtexte sind (Bildende) K. Petitionen sind K. Quantenphysik sind K. Alle K kann aktuelle K sein, eventuell. Kabul ist Kassel. Energie ist keine K, wie ein Hauptsponsor großflächig verkündet.

Lexikologen kommen ins Stottern. Was K mal war, ist K schon lang nicht mehr. Carolyn Christov-Bakargiev setzt mit energischer (als nicht-künstlerischer) Konsequenz fort, was seit einem reichlichen Jahrhundert im Gange ist – das Einreißen von Grenzen. Diese Entgrenzung immer noch ein Stückchen weiter voranzutreiben, scheint ihr Hauptanliegen zu sein. Alles kann K sein. Kann, muss aber nicht. Der Umkehrschluss wäre, dass nichts mehr K ist. Stimmt aber nicht. CCB bedient sich virtuos und unverschämt gesellschaftlicher Mechanismen der Akzeptanz, die sich in vorhergehenden Grenzaufweichungen herausgebildet haben. Diese Mechanismen fußen auf Ritualen der Festlegung, deren Ausübung einigen wenigen Personen zugeschrieben wird. Innerhalb dieser Hierarchie sind die Kuratoren von Biennalen so etwas wie Kardinäle, im Fall der Biennale Venedig vielleicht Kurienkardinäle. Das Dogma der Unfehlbarkeit aber geht für fünf Jahre an die/den Leiterin/Leiter der documenta. Dieser/diesem Päpstin/Papst obliegt es, während der Amtszeit, die Grenzen neu festzulegen. Denn es ist ein Irrtum, dass sie verschwinden könnten. Weiterlesen

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Verlag kommt von Vorlegen

Ein klassischer Publikumsverlag zahlt den Autoren Vorschüsse. Das ist einer der Schlüsselsätze im Artikel Gigant ohne Geist von Maximilian Probst und Kilian Trotier in der aktuellen Ausgabe der ZEIT. Ach so?

In dem Artikel geht es um die zunehmende Marktmacht von Amazon, zunächst in den USA, dann aber auch in Europa. Hauptanklagepunkt: Nun verlegt der bisherige Händler auch noch selbst Bücher, zumeist als E-Book. Ja und, darf er das nicht? Nächster Anklagepunkt: Er verschafft den Autoren, darunter viele Amateure, auch noch das Gefühl, ernst genommen zu werden. Das ist ja wirklich verwerflich. Welcher traditionelle (deutsche) Verlag macht denn das noch? Und wer zahlt Vorschüsse?

Wirklich beängstigend an der Darstellung des Expansionskurses von Amazon ist nur ein Fakt: die Monopolisierung. Der könnte aber durch eine intelligente Kopie des Geschäftsmodells entgegengewirkt werden. Total unglaubwürdig wirkt allerdings die Behauptung, dass Amazon das herkömmliche Modell kaputt mache, nach dem ein Verlag seine Autoren als wichtigstes Kapital versteht, ihnen Vorschüsse zahlt, damit sie in Ruhe am nächsten Roman arbeiten können. Wann dieses Modell genau untergegangen ist, kann ich nicht exakt bestimmen. Untergegangen ist es ohne Zweifel. Daran mag eventuell die Gewinnsucht mancher Verleger einen Anteil haben. Aber viel entscheidender sind Gründe ohne moralische Keule. Heute kann man seine Texte ganz einfach im Internet veröffentlichen, man kann sie auch als Book on Demand günstig drucken lassen. Oder noch günstiger als E-Book herausgeben.

Die Qualität leidet darunter, keine Frage. War die in den Blütezeiten des klassischen Verlagswesens immer ganz oben? Der vermutlich weltweit meistverlegte deutschsprachige Schriftsteller ist Karl May. Sic!

Wozu ein Verlag, wenn er nichts tut? Das ist der andere Schlüsselsatz des Artikels. Was kann ein herkömmlicher Verlag denn besser als es das Self-Publishing kann? Zwei Dinge: Erstens gründlich lektorieren. Zweitens die Vermarktung intensiv vorantreiben. Bei gedruckten Büchern käme dann noch das Bemühen um eine ansprechende Gestaltung des auch haptischen Produkts hinzu. Wie viele Verlage geben sich in diesen Punkten noch viel Mühe?

Was soll das Gejammer? Statt irgend welche verlegerischen Tugenden zu beschwören, die schon lange nicht mehr die Norm sind, sollte besser den Monopolstellungen von Unternehmen entgegengewirkt werden, die ganz im Sinne der neuen technologischen Möglichkeiten arbeiten. Wie eben Amazon. Um Che Guevarra zu adaptieren: Lasst uns ein, zwei, viele Amazons schaffen! Das Modell ist ganz zeitgemäß, gefährlich ist allein die Vormachtstellung.

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