Alternativen für Lyriker

Als ich das Wort Enjambement in OpenOffice tippte, erschien darunter eine rote Welle, die üblicherweise anzeigt, dass was nicht korrekt verläuft. Nach den Änderungsvorschlägen sehend bekam ich benannt: Engagement, Etablissement, Bombardement, Abonnement. Sollte das nicht jedem Nachwuchsdichter veranlassen, den Berufswunsch noch mal zu überdenken?

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Jesus auf der Überholspur

Eine Pressemeldung zu Verkehrsbehinderungen wegen des Jahrestreffens Christlicher Motorradfahrer veranlasste mich nachzusehen, wie denn Gottesfürchtige Gas geben. Auf der Website des Verbandes steht aber nur:
Entdeckt, wie spannend die Bibel auch heute noch sein kann.
Lasst die Seele baumeln – tagsüber in Schräglage von Kurve zu Kurve oder beim Cappuccino auf der Passhöhe, abends beim „Benzin reden“ in einer gemütlichen Unterkunft.

Das mit dem „Seele baumeln lassen“ stammt meines Wissens von Tucholsky. Der war Atheist und seine Passage aus Rheinsberg beginnt mit Wir lagen im Gras und ließen …. Also nichts da von Geschwindigkeitsrausch. Auch ich bin kein Christ, habe aber viele Teile der Bibel gelesen. Nirgendwo konnte ich dort Hinweise auf Benzin, Motorräder oder Cappuccino finden. Zu Schräglagen vielleicht, wenn man das im übertragenen Sinne auffasst. Trotzdem verstehe ich nicht, was christliche Motorradfahrer von üblichen Rasern unterscheidet. Vielleicht der Glaube, nach dem Crash unmittelbar in den Himmel zu kommen?

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Singing in the Rain

Eigentlich gehöre ich nicht zu den Bloggern, die zu jedem Eintrag einen Song des Tages empfehlen. Aus gegebenem Anlass möchte ich aber an ein in den frühen 1980ern erfolgreiches Lied von Max Werner (hat der auch noch ein anderes gesungen?) erinnern. Es nennt sich Rain in May. Besonders schön sind die Zeilen:

Rain in May wash your worries away
take a dose take off your clothes
feel the soft warm spray of the rain in May.

So werde ich erst einmal eine Dose nehmen, ehe ich mich entkleide.

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Kurzes lang gezogen

Gelesen habe ich die Geschichten, die es in die Endrunde des MDR-Literaturwettbewerbes geschafft haben, in den letzten Jahren fast immer, aber gestern habe ich es nun auch mal geschafft zur Abschlusslesung hinzugehen. Ein Veranstalter wie der MDR kann aus solch einem Anlass natürlich eine große Show von dreieinhalb Stunden machen. So sang also Uschi Brüning vor und nach jedem Redebeitrag ein Lied. Ich frage mich nur, warum zu frischer Literatur solch eine Nachtbar-Musik ausgewählt wird, die auf mich wirkt wie Mineralwasser, dem die Kohlensäure schon vor einiger Zeit entflogen ist. Auch Juli Zeh als Partnerin für die eingestreuten Interviews war wohl nicht ganz die richtige Wahl, denn sie betonte mehrfach, dass sie keine Autorin von Kurzgeschichten ist.

Bei den Lesungen der sieben Finalisten zeigte sich wiedermal, dass ein guter Schreiber nicht immer auch ein guter Performer ist. So kam die Story von Andreas Stichmann, den ich als Autor eigentlich schätze, zu trocken rüber. Bei Leif Randt passte aber alles – Inhalt und Vortrag. So stimmte auch mein Zuschauer-Tipp mit dem Juryentscheid überein, ihm den ersten Platz zu geben. Die Mehrheit der anderen Gäste wählte allerdings Diana Feuerbach, vielleicht aus Lokalpatriotismus, da es die einzige Teilnehmerin aus Sachsen war.

Generell dominierten wieder einmal Texte, die etwas mit Fremden zu tun haben – Ausländer in Deutschland oder Deutsche im Ausland. Auch wenn ich häufig über die Weltferne neuerer Literatur meckere, so eine Häufung ist mir dann doch zu plakativ.

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Nebenwirkungen

Nach vier Stunden Ausstellungs- und Atelierbesichtigungen in der Spinnerei (die Seifenkisten mussten mal ohne mich fahren) fragte ich mich, wie man erkennen kann, wenn man eine Überdosis Kunst zu sich nimmt. Das wurde dann aber ziemlich schnell klar: Man sucht an irgendwelchen alten Elektroinstallationen nach dem Schildchen mit Titel und Künstlername und wundert sich, wenn hyperrealistische Skulpturen plötzlich weglaufen, weil es auch nur Besucher sind.

Kunst

Kunst

Keine Kunst

Keine Kunst

Antikunst

Antikunst

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Differenzierte Übersetzungen eines Beatles-Songs

Der Chefredakteur der Freien Presse als Veranstalter war selbst etwas überrascht, dass der Saal im Chemnitzer Industriemuseum gut gefüllt war, etwa 300 Leute waren zur Dikussion über „Chemnitzer Perspektiven“ gekommen. Wer vorab meinte, Klaus-Gregor Eichhorn, der schon zuvor einen Essay zum Thema veröffentlicht hatte, sei als Quotenrebell ins Posium geladen wurden, irrte. Der Rebellenrolle wurde er gerecht, doch auch andere Diskutanten gaben der Oberbürgermeisterin heftig Paroli, die da meinte, ihre Stadt sei auf dem besten Wege, wieder zu der Industriestadt zu werden, die sie einst war. Sogar Micaela Schönherr, Geschäftsführerin eines großen Maschinenbauunternehmens meinte, dass sich eine Stadt Sachen leisten muss, die kurzfristig scheinbar ineffektiv sind, aber strategisch notwendig. Dazu gehört eben das Experimentelle Karree, das die GGG mit Duldung von Verwaltung und Stadtratsfraktionen platt macht. Und Christian von Borczyskowski, früherer Rektor der TU empfahl schließlich sogar illegale Hausbesetzungen, wenn nichts anderes mehr hilft.

Eigentlich müssten bei Barbara Ludwig die Alarmglocken anschlagen, wenn dann in der offenen Diskussion einer der wenigen jüngeren Künstler von Chemnitz, Erik Neukirchner, sagte, dass die Hoffnung, die Intellektuelle bei ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin hatten, lange verflogen sind und er überlegt, nun auch wegzuziehen. Aber sie verteidigt weiter den Kurs, dass es vor allem auf wirtschaftliche Prosperität und neue Bauten in der City ankäme. Unzufriedene Nonkonformisten kann man da als Kollateralschaden betrachten.

Eichhorn brachte es auf den Punkt, dass ein Haupthindernis der fehlenden Atmosphäre von Chemnitz der übermächtige Kontrollzwang sei, nichts dürfe von unten wachsen. Er meinte, dass der Beatles-Song Let it be mit Lass es geschehen zu übersetzen sei. Und davor habe man hier Angst. Viele Beobachter der kommunalen Politik kommen deshalb eher zu der Interpretation Lass es sein.

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Doch noch da

Ich dachte bereits, die Berliner Literaturzeitung lauter niemand wäre so wie vieles den Bach runtergegangen, da es weit mehr als ein Jahr her ist, als ich das letzte Exemplar in den Händen hielt. Doch nun habe ich doch die neueste Ausgabe gefunden. Zwar ist sie auch schon auf den 15. März datiert, aber bei Literaturjournalen macht das ja nichts. Eigentlich gibt es ja genügend solcher Postillen, doch lauter niemand finde ich nicht nur wegen des Zeitungsformates irgendwie besonders. Wichtigste Neuerung des aktuellen Heftes: Statt wie bisher die gefalteten Blätter nur ineinander zu legen, leistet man sich nun trotz der Finanzkrise richtige Heftklammern!

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Kunst des Gelddruckens

Angesichts drohender Einschnitte bei der kommunalen Kulturförderung haben die Chemnitzer Politiker eine neue Melkkuh ausgemacht. Nach einem Kolloquium vor zwei Wochen schwärmen alle, die Linkspartei voran, von einer neu zu schaffenden Kulturabgabe. Weimar macht es vor – dort wird seit einigen Jahren für jedes vermietete Hotelzimmer 1 Euro pro Nacht erhoben und auch Eintrittskarten für Kulturereignisse sind mit der Sonderabgabe belegt. Paar Haken hat sie Sache aber. In Weimar ist die Zahl der Übernachtungen pro Einwohner außergewöhnlich hoch, das Modell funktioniert also nicht überall gleich gut. Zudem fließt die Steuer in den allgemeinen Haushalt, muss darum nicht unbedingt zur Kulturförderung verwendet werden. Und schließlich würde dann die ganze Fürsorge der Lokalpolitiker denjenigen Einrichtungen gelten, die überregional Gäste anziehen, während die anderen, die gar nicht solch ein Selbstverständnis haben, als nutzlos gelten können.

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Riesenkummer

Prinzipiell freue ich mich fast immer, wenn ich ein Buch geschenkt bekomme. Diesmal aber ganz besonders. Nicht nur weil es eigentlich zwei Bücher sind, im Pappschuber edel zusammengefasst. Darauf das Schildchen mit dem unbescheidenen Titel Atlas der Kunst. Und der Künstlername Jan Kummer. Es handelt sich nämlich um einen Doppelkatalog des bedeutendsten mitteleuropäischen Künstlers der Gegenwart. Vergesst Neo Rauch! Weiterlesen

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Frühling ist

Sahnequark mit frischem Bärlauch aus der Elsteraue///ein aschebedeckter Himmel, um einen unbeliebten Präsidenten trauernd///Mehrfrucht Direktsaft Pure Fruit jetzt für 1,29 Euro bei Aldi///kein blaues Radio mehr durch den blauen Äther///der Dax bei 6177 Punkten (das Ende des Kapitalismus wurde noch mal abgesagt)///Abschaltung der Rauchmelder im Bilderbunker///Überlegungen, ob der iPad das Geld wert ist///und so ein nettes Gefühl in der Lendengegend

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