Kurz und schmerzhaft

Während ich in den letzten Monaten jede Menge Sachliteratur konsumiert habe, ist die Belletristik ziemlich kurz gekommen. So habe ich spontan zugegriffen, als ich in der Bibliothek ein mir noch unbekanntes Büchlein von Kurt Vonnegut sah. Ich dachte eigentlich, er sei schon lange tot. Nach Wikipedia-Recherche musste ich feststellen, dass er es unterdessen tatsächlich ist. Er starb 2007 nach einem häuslichen Sturz. Weiterlesen

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Das Kind mit dem Bade

Blamage in Leipzig ist ein Artikel von Matthias Grünzig im Dezemberheft der db – deutsche bauzeitung überschrieben. Es geht um die Uni-Neubauten am Augustusplatz. Die berechtigte Kritik am unsäglichen Treiben des fundamentalistischen Paulinervereins verführt den Autor zur (un)logischen Ableitung, dass es sich deshalb folgerichtig um schlechte Architektur handeln muss. Das sei ja schon daran zu erkennen, dass der Bau zum Unijubiläum nicht fertig geworden sei (Grünzig bezeichnet ihn fälschlich als Torso). Den Vorgängerbau – ein Kasten, wie es ihn tausendfach in aller Welt gibt – findet er als qualitätvoll. Ich kann mich noch gut an die Plastikschüsseln erinnern, die dort in den Obergeschossen das eindringende Regenwasser auffangen mussten.

Nun kann man die von Erick van Egeraat entworfenen neuen Gebäude tatsächlich für missraten halten. Die Argumentation sollte sich dann aber innerhalb der Architekturkritik bewegen und nicht alles Mögliche miteinander vermengen. Ich werde jedenfalls warten, bis zumindest die Außenhülle fertig ist, bevor ich mir eine Meinung bilde. So kann man nicht von abweisenden Natursteinfronten sprechen, bevor man sie gesehen hat. Wenn Naturstein per se abweisend sein soll, dann ist die große Mehrheit der Weltarchitektur unzugünglich.

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Noch eine Werkstatt nötig

Gern komme ich der Bitte von Gesche Blume nach, auf ihre neue Schreibwerkstatt hinzuweisen. Allerdings möchte ich der Autorin zugleich empfehlen, von ihrer ehemaligen Ausbildungsstätte, dem Leipziger Literaturinstitut, mal die Straßenseite zu wechseln und HGB-Studenten um Hilfe bei der Gestaltung des Werbeblättchens zu bitten. Das Auge liest mit!

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Wechseljahre

To Everything (Turn, Turn, Turn)
There is a season (Turn, Turn, Turn)
And a time to every purpose, under Heaven

(The Byrds, Turn! Turn!)

Dass in den Feuilletons schon seit langem von einem lingustic turn gesprochen wird, war mir bekannt. Um nun herauszufinden, was es mit dem spatial turn auf sich hat, der immer häufiger im Fach-Slang auftaucht, habe ich das Buch Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften von Doris Bachmann-Medick gelesen und feststellen müssen, dass es vor Turns nur so wimmelt. Weiterlesen

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Hauptsache oben

Die größte Aktivität für den Klimaschutz aller Zeiten: 16.000 Leute fliegen aus der ganzen Welt nach Kopenhagen, bedrucken dort tausende Tonnen Papier mit Absichtserklärungen und fliegen wieder nach Hause. Das bringt den Durchbruch. Aber offensichtlich beruht der ganze scheinbare Klimawandel ja sowieso auf gefälschten Daten. Was juckt es da, dass paar Inseln untergehn. Oder Holland. Das kann nur gut sein für die Grundstückspreise auf dem Fockeberg. Und ich wohne ja sowieso im dritten Stock. Also alles in Ordnung.

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Die Revolution verkauft ihre Kinder

Die Initiative Friedliche Revolution sei mit dem Tourismuspreis 2009 der Leipziger Tourismus- und Marketing GmbH ausgezeichnet worden, lese ich im Amtsblatt. „Innovative Leistungen, die den Tourismus in Leipzig voranbrächten und eine hohe Medienwirkung erzielten, seien Grundvoraussetzungen, um für den Preis nominiert zu werden.“ Mir selbst war das im Herbst 1989 gar nicht so bewusst, aber die führenden Köpfe der Protestbewegung haben wohl daran gedacht, innovativ und medienwirksam zu sein, damit zwanzig Jahre später der marktwirtschaftliche Tourismus so richtig was davon hat und ein nettes Spektakel abfeiern kann.

Das legt nahe, dass es Zeit wird für eine neue Revolution, die dank des Internets und der unzähligen Handykameras von vornherein medial noch viel besser rüberkommt. Zu überlegen ist aber, ob ein friedlicher Verlauf wirklich marketingtechnisch optimal ist. Märtyrerstätten lassen sich doch künstlerisch noch effektvoller aufpeppen.

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Fein destilliert

Gestern habe ich es nun zu ersten Mal geschafft, beim Leipziger Livelyrix-Slam am neuen Standort im Club Distillery dabei zu sein. Oder überhaupt da zu sein. Da einer der vorab gemeldeten Teilnehmer nicht erschien, war ich dann aber auch tatsächlich aktiv dabei. Doch bei dem extrem starken Feld waren die Chancen für die Endrunde natürlich gering. Gewonnen hat ganz verdient Gauner aus Berlin. Außerdem gab es in der Endrunde nochmals Thomas Jurisch, Bleu Broode und Tobi Kunze zu hören. Selbst so ein Profi wie Felix Römer hatte es nicht geschafft.

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Mysterien des Alltags I

Ein für mich unerklärliches Rätsel ist es, welche Bedeutung die kleinen braunen Blätter haben, die in jedem ladenneuen Aktenordner eingeheftet sind. Wozu wird eine schlecht bezahlte Arbeitskraft bei Leitz, Falken etc. angestellt, um diese Dinger im Akkord da rein zu bringen? Diese Frage ist für einen Akademiker einfach zu hoch. Oder zu simpel.

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11 Stufen nach oben

Da sich in meinen Blog-Stats anhaltend und gar zunehmend Suchanfragen zum Begriff Hochkultur finden, will ich paar Thesen dazu veröffentlichen. Die sind schon vor einigen Wochen notiert worden, aber alles andere als fertig. Doch Thesen haben es eben so an sich, hingeworfene Brocken zur Diskussion zu sein, Reparaturen und Rückrufaktionen eingeschlossen. Vielleicht sind die hilfesuchenden Netzsurfer ja Abiturienten mit Pflichtreferatsthema oder aber ministeriale Angestellte der neuen sächsischen Regierung, die Orientierung benötigen. Dann würde der Entwurf noch einen praktischen Nutzen haben. Weiterlesen

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Problematisch

Hatte ich bisher immer noch die Hoffnung, die LVZ hätte da aus dem Mund von CDU-Stadträten etwas allzu verdreht dargestellt, als sie dem unterdessen seit Juni im Amt befindlichen neuen Leipziger Kulturdezernenten Michael Faber die Worte in den Mund schob, die Freie Szene sei ein Kompensationsraum für Problemgruppen, so wächst nun die Ernüchterung. Auf eine Eigeninitiave zur Darstellung seiner kulturpolitischen Vorstellungen wartete man bisher vergeblich. Nun hat der Kreuzer in seiner frischen Dezember-Ausgabe nachgehakt und ein ausführliches Interview veröffentlicht. Ausführlich zumindest bezüglich der Fragestellungen von Johanna Lemke und Thyra Veyder-Malberg, weniger in den Antworten.

Was hier an Schwerpunktsetzungen seiner Politik genannt wird, ist nicht gerade visionär: Sicherung der Haushaltsmittel für Kultur in den nächsten zwei Jahren, Sicherung der Musikalischen Komödie, Umzug des Naturkundemuseums. Vor allem aber im Hinblick auf die Freie Szene bleibt der Eindruck, er wisse gar nicht so richtig, was das eigentlich ist. Sowieso liegt sie in Veantwortung des Kulturamtes, geht ihn also nur indirekt an. Das Zitat vom März geradezurücken, weigert er sich. Und wieder ist die Rede von einem Forum für „junge, nonkonforme Menschen […], die bestimmte Dinge in Frage stellen“. Dass die Freie Szene viel mehr ist als die Krabbelgruppe, aus der dann nach einem Reifeprozess richtige Kulturbürger hervorgehen, die ein Opern-Abo haben und die Neue Leipziger Schule sammeln, scheint über den Erkenntnishorizont des Dezernenten hinaus zu gehen. Wieso wurde er eigentlich von der Linkspartei nominiert und nicht von der FDP?

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