Der Trend geht zum Zweitleben

Letzte Nacht hatte ich erstmals eine nähere Begegnung mit Second Life. Nicht im Traum und nicht am Computer. Vielmehr durch Jo Fabians Stück „Polka Dot. ein stilleben“ zur euro-szene. Mehrschichtig, absurd (wie die Realität) und beeindruckend dicht spielten Annegret Thiemann und Matthias Horn ein Paar, das sich zwischen analoger und digitaler Existenz nicht so recht entscheiden kann, gegeneinander und gegen die schwarzweiß gepunktete Umgebung (inspiriert von einer 3D-Simulation Rob Steenhorsts) im Pünktchenkleid, den Dalmatiner an der Hand, kämpfen.

Im anschließenden Gespräch sagte Cyberpiper, ein luxemburgischer Musiker, der die beiden auf der Bühne begleitet, dass vielen Nutzern von Second Life nichts anderes einfällt, als die Misere ihres realen Alltags dahin zu transportieren einschließlich der realkapitalistischen Ellenbogenkämpfe. Ich frage mich, ob es dort wenigstens auch schon Rebellen gibt, die eine anarchistische Partei gründen oder zumindest Autos anzünden und Schaufensterscheiben einschlagen. Ist vielleicht schon da, ich weiß es nur nicht.

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Sprachtänzer

Dass eine mit Tanz in Österreich überschriebene Veranstaltung nicht unbedingt Wiener Walzer bietet, wenn sie im Rahmen des Leipziger Festivals euro-szene im LOFFT Lindenau zu nächtlicher Stunde stattfindet, ist naheliegend. Doch selbst bei einem breiten Verständnis von gegenwärtigem Tanztheater war die Vorführung noch ungewöhnlich. Die zwei kurzen Ein-Personen-Stücke wurden als Lecture-Performances bezeichnet. Weiterlesen

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Endlich Barbour kennen

Kurz bevor die Leipziger Stadtbibliothek für drei Monate in den Untergrund geht, um dann im Städtischen Kaufhaus wieder aufzutauchen, habe ich mich noch mit einem Bücherstapel eingedeckt. In den schon ziemlich schütter bestückten Regalen stieß ich zufällig auf „Faserland“ von Christian Kracht und erinnerte mich, dass dies als ein Schüsselroman der Pop-Literatur der neunziger Jahre gehandelt wird. So schlüsselig, dass er gar in der Buchedition der Welt auftaucht.

Nun habe ich das dünne Büchlein gelesen und ein fader Geschmack verbleibt. Weiterlesen

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Don´t kiss me, Kate

Bei meinem Vortrag vor einer Woche kam hinterher auch die Frage, ob eine Stadt überhaupt einen Slogan braucht, wie eben in diesem Fall Stadt der Moderne. Gestern las ich nun in einer Zeitung die Überschrift: Kultur in der Käthchenstadt. Auch wenn da jedem Bildungsbürger gleich in den Sinn kommt, dass es wohl Heilbronn sein muss, möchte ich eigentlich nicht wirklich in einer Käthchenstadt leben.

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Geliftet

Anfang Oktober hat Edit mit zwei Veranstaltungen die 50. Ausgabe gefeiert. Nun habe ich es endlich auch geschafft, sie zu lesen. Auffällig ist zunächst das neue Layout, gestaltet von David Voss. Mit 50 scheint eine Straffung der Haut unvermeidlich zu werden. Der Titel ähnelt nun eher einem theorielastigen Journal für Philosophen, was ja einer der gegenwärtigen Chefredakteure tatsächlich ist. Alledings zeigen sich auch kleine Grenzüberschreitungen. Das gleich auf dem Cover abgedruckte Inhaltsverzeichnis bleibt nicht brav im blassblauen Rechteck. Auch im Inneren des 92 starken Heftes wird der Satzspiegel bei allem minimalistischen Understatement immer wieder „verrückt“. Edle Zugabe der neuen Aufmachung ist die sichtbare Klebebindung in leuchtender Farbe.

Fast entschuldigend hebt die Redaktion im Editorial hervor, dass man die Texte nicht als „schwierig“ abtuen solle, Verständlichkeit sei angestrebt. Woher kommt diese Vorsicht? So ganz einfach oder gar trivial sind die Erzählungen und Gedichte allerdings im Endeffekt trotz streckenweise ziemlich tradierter Machart auch nicht. Es fällt vielmehr eine düstere Grundstimmung auf. Bei der im belagerten Sarajevo spielenden Erzhlung (oder Reportage?) bringt es das reale Sujet mit sich. Beklemmend sind aber trotz der überwiegenden Fiktionalität auch die Texte von Lilith Katz, Thomas Podhostnikoder Constantin Göttfert, auch wenn es gar nicht um Finanzkrise oder Klimawandel geht. Hinzu kommen ebenfalls nicht gerade freudestrahlende Geschichte des Inders Uma Varatharajan in der Rubrik Expedition sowie ein Manuskript Pasolinis, das aus dem Friulanischen der besseren Lesbarkeit wegen ins Mittelhochdeutsche übertragen wurde.

Vorbei ist es mit der leichten Konsumierbarkeit endgültig, wie fast immer in der Gegenwartslyrik, bei den Gedichten. Karla Reimert geht aber zumindest erfrischend respektlos mit so einer Ikone wie Paul Celan um.

Programmatisch an der neuen Edit ist die Ausweitung des Essay-Teiles, der nun drei Autor(inn)en Platz bietet. Etwas Diskurs ist also doch erwünscht, auch wenn die so bezeichneten Essays sehr literarisch bleiben.

Da die Zeitschrift im Kontast zum Untertitel Papier für neue Texte auch ein Kunstjournal sein möchte, hat diesmal der Leipziger Maix Mayer zwei Fotostrecken mit Nahansichten behelmter Asiaten beigesteuert.

Etit hat sich also verjüngt und verändert. Leichte Kost ist es deswegen nicht geworden.

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Trostpflaster

Für alle, die bei meinem heutigen Vortrag Chemnitz – Stadt der Moderne. Eine kritische Wertung in der TU Chemnitz nicht dabei sein konnten, gibt es hier den Text als Datei. Allerdings habe ich auf die Bebilderung verzichtet:

stadtdermoderne

Hier nun auch noch für alle, die zu faul sind, OpenOffice zu installieren, als PDF:

stadt der moderne

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Von den Göttern verlassen

Ein Gott kann eigentlich nicht sterben. Im Falle eines Ablebens von Apoll würden auch ziemlich viele nette Dinge in Frage stehen, für die er zuständig ist: Musik, Dichtkunst, Frühling …  Dass Apollo-Radio ab Januar nicht mehr senden soll, mag ein vergleichsweise kleiner Verlust sein. Aber daran hängen auch die terrestrischen Frequenzen der sächsischen unabhängigen Bürgerradios Radio Blau, Radio T und Coloradio, die ebenda ihr Sendefenster haben. Die Sächsische Landesmedienanstalt schaut dabei zu, ist vielleicht sogar erfreut, dass die unliebsamen, da unangepassten Störsender verschwinden. Dann gibt es endlich nur noch gleichgeschalteten Dudelfunk. Gute Nacht!

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Zitat des Tages

Sowohl Lyrik als auch die Sprache von Schizophrenen geben ein gutes Bild einer rechtshemisphärischen Sprache wieder.

in: Krankheit als Weg von Rüdiger Dahlke

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Kleines Rasenstück

Seit gestern ziert ein kleines Stück Rasen unseren Küchentisch, ein Werbegeschenk bei der Designer´s Open. Im Unterschied zu vielen anderen Besuchern, die das Präsent in diversen Ecken der Ausstellungshalle entsorgten, haben wir es mit nach Hause gebracht. Allerdings weiß ich nicht genau, ob es für die Rollrasenfirma Werbung machen soll oder für die Kommunikationsdesignerin, die es uns überreicht hat. Falls der Rasen den Winter überlebt, werden wir ihn zum Ärger unseres Hausmeisters im schotterbedeckten Hof auswildern.

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Schöner, größer, besser

Designer´s Open und Grassimesse haben wieder geöffnet. Im Grassi hat man gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Aussteller reduziert, was der Qualiltät und dem Platz zur Präsentation der edlen Stücke guttut. DO kann diemal aus dem Vollen schöpfen. Das ganze Merkurhaus wird über vier Etagen bespielt. Etwas anarchisch geht es zum Glück aber immer noch zu. Und schön flippige Sachen sind natürlich auch wieder zur Genüge zu finden. So haben die Veranstalter vielleicht recht mit ihrer Prognose, dass diesmal 10.000 Besucher kommen.

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