Politesser

Gerade war ich in der Stadt (wie komisch das klingt, da ich doch praktisch im Zentrum von Leipzig wohne). Jedenfalls wollte ich eigentlich nur eine Rolle Packpapier kaufen, schaffte es dann aber wie üblich nicht, an einem Buchladen einfach so nur vorbeizugehen. Diesmal war es Lehmanns (ohne Apostroph und auch nicht mit Lehman Brothers zu verwechseln). Dort standen im zweiten Obergeschoss überraschenderweise drei Politessen gebündelt herum. Da sie sich vor einem Tisch mit Büchern zur Digitalfotografie rumdrückten, dachte ich zunächst, sie wollten ihre Fähigkeiten in der beweissicheren Dokumentation von Parksündern verbessern. Doch sie warteten dort nur zufällig auf die Geschäftsführerin oder Chefin vom Dienst. Als sie erschien, erklärten sie ihr, dass der Werbeaufsteller vor dem Laden, der auf eine Lesung hinweist, nicht genehmigt sei und den beginnenden Weihnachtsmarktbetrieb störe. Wer sich mit Glühwein bedüdeln will, braucht keine Bücher!

Die entscheidungsbefugte Dame von Lehmanns lenkte schnell ein und versprach, den Störkörper wegzunehmen. Mir geht aber seitdem ein ganz anderes Problem im Kopf herum. Eine der drei Politessen war ganz eindeutig ein Mann, erkennbar am üppigen Schnurrbart und anderen sekundären Geschlechtsmerkmalen (die primären wurden von der tiefblauen Uniform verhüllt). Was aber ist die männliche Form von Politesse? Ich bitte alle Gender MainstreamerInnen mir bei der Lösung dieses Problems zu helfen.

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Lerners anmutige Wut

Das Buch hat zwar nur 140 Seiten, locker mit Dichtung bedruckt, simultan in Englisch und Deutsch, doch einen reichlichen Monat habe ich nun gebraucht, um eine Kritik zu David Lerner „Die anmutge Kurve eines Marschflugkörpers“ hinzubekommen. Wenn man aber das Buch vom Verlag kostenfrei als Rezensionsexemplar zugeschickt bekommt, möchte man sich ja auch etwas Mühe geben mit dem Interpretieren. Hier nun endlich der Text. Weiterlesen

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Früh um vier

Nicht mehr einschlafend könnend wälze ich mich im Bett rum und stelle mir vor, wie man dem Zuckerhut in Rio de Janeiro ein gigantisches Kondom überzieht. Sicherlich sind dabei technische Probleme unvermeidlich. Doch es wäre ein enormer Erfolg für die brasilianische Gummiindustrie und zugleich massenwirksame Aufklärung gegen Aids. Andererseits: Der Zuckerhut ist zwar ein Vulkan, der aber schon seit Ewigkeiten nichts mehr ausspuckt. Was soll ein Kondom auf einem dauerschlaffen Greisenpimmel? Ein wirklicher Vulkan ist es wohl auch nicht, nur so die erstarrte Füllung. Ein mumifizierter Samenstrang mit Überzieher? Das ist doch doof.

Halb sechs bin ich aufgestanden und habe mir Kaffee gekocht. Vielleicht kommen die Bohnen aus Brasilien.

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Sehr sinnig

Die Statistikfunktion der Blog-Softwar bringt manchmal Resultate hervor, die mich in ein tiefes Grübeln versetzen. So bin ich ja manchmal überrascht, wie man von bestimmten Begriffen, die für sich genommen noch verständlich sind, per Suchmaschine auf diese Seite stößt. Doch gestern hat ein Mensch das Wort „insinnig“ bei Google oder sonstwo eingegeben und sich dann hierher gefunden. Dieses Wort ist mir unbekannt. Darum habe ich das Experiment nachvollzogen und landete tatsächlich auf Platz 2 bei der Google-Anfrage nach „insinnig“. Die betreffende Phrase lautete dann „ins innig geliebte Chemnitz fahren“. Na toll! Sehr sinnig. Nun würde mich aber wirklich interessieren, warum da jemand den Begriff „insinnig“ gesucht hat und was das sein soll. Bitte melden.

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Fertsch

Meine Zielstellung, am 9. November, also Jochen Schmidts Geburtstag, mit der Lektüre des „Schmidt liest Proust“-Bandes fertig zu werden, ist zwar nicht aufgegangen, aber gestern abend konnte ich das Buch nun tatsächlich zuklappen. Allerdings habe ich in die CD noch gar nicht reingehört.

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Landpartie

Seit vielen Jahren habe ich vor, mal einen Prosatext zu schreiben, der als fiktiver Brief mit der Anrede „Lieber T. Wolkwitz!“ beginnt. Aber ich wusste nie so richtig, was ich Herrn Wolkwitz mitteilen könnte. Heute war ich nun endlich mal in Liebertwolkwitz. Im Nachbarort Seifertshain fand ich im berühmten Sanitäts- und Lazarettmuseum das nette Wort „Aufklärungsgefecht“. Da stellte ich mir unwillkürlich vor, wie Günter Amend mit Alice Schwarzer kämpft. Aber da es um den Oktober 1813 ging und sich Russen und Franzosen gegenseitig heftig aufklärten, ist wohl was anderes gemeint.

Ansonsten sah ich im Nachbarort Großpösna noch auf einen Frisörsalon namens „Kopfarbeit“. Volker Strübing hat ja schon mal darüber referiert, dass die Haarschneider besonders kreativ sind im Erfinden von Geschäftsbezeichnungen. Kopfarbeit ist ja noch ziemlich ironisch. Das Lachen ist mir aber vergangen, als ich (zu Zeiten da ich noch Frisöre frequentierte) mal gerade Platz in der Wartezone genommen hatte und aus dem Lautsprecher „The first cut is the deepest“ tönte. Da hab ich die gerade aufgeschlagene Neue Post schnell wieder hingelegt und bin geflohen. Auch ein Aufklärungsgefecht.

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Durchhalteparolen

Das weiße Lesebändchen in meinem „Schmidt liest Proust“-Band nähert sich der 500er-Marke, doch seit Tagen habe ich nichts dazu geschrieben. Auf Zettel schon, die das Buch schon sehr gespickt aussehen lassen, aber eben nicht ins Netz. Das liegt daran, dass ich in der zurückliegenden Woche gleich drei Tage ins innig geliebte Chemnitz fahren musste. Da steht der Sinn nicht nach Schöngeistigem.

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Falschparker

Manchmal bedauere ich, keinen kleinen Fotoapparat einstecken zu haben. Und wie ich Handyfotos in den Computer kriege (ohne Anschlussmöglichkeit), habe ich noch nicht herausgefunden. Darum kann ich das Schild nur beschreiben, das ich am Samstag gegen halb zehn auf dem Bahnhof Dresden Neustadt gesehen habe.

Parkhäuser halte ich generell nicht gerade für nennenswerte Beispiele zeitgenössischer Baukunst. Wenn dann aber nur Fahrzeuge mit Kennzeichen D reindürfen, sinkt der Sympathiewert noch weiter. Oder wie ist es zu verstehen, wenn auf besagter Werbetafel für ein „Nationalparkhaus“ Reklame gemacht wird. Das steht natürlich in Bad Schandau, Sächsische Schweiz, einer Gegend also, wo die NPD in manchen Orten über 20 Prozent Wählerstimmen hat. Ohne Volkswagen kommt man im National-Parkhaus sicherlich gar nicht durch die schwarzweißrote Schranke.

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Der Lesezirkel

So musste es kommen, „Strübing liest Schmidt liest Proust“ ist zwar erst Ankündigung, aber Dan Richter liest wirklich schon seit zwei Wochen. Und dummerweise hat er dasselbe Zitat rausgepickt, welches ich mir auch notiert habe. Auf Seite 239 mokiert sich Jochen Schmidt nämlich darüber, dass Proust Verzicht als eine Qualität von Büchern ausmacht, selbst aber „seit ungefähr vierhundert Seiten … bestimmt auf kein Detail mehr verzichtet“. Vor längerer Zeit habe ich mich auch mal gezwungen, Zolas „Die Sünde des Abbé Mouret“ zu lesen. Das ist zwar viel dünner als Prousts „Suche“, doch den Inhalt kann man auch auf zwei Seiten zufriedenstellend wiedergeben.

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Halloween in Dresden-Neustadt

Das Publikum brauchte einen Moment, um „Scharris“ Witz zu begreifen, dass die Begrüßung „Hallo Dresden“ an diesem Tag besser in Wien zur Wirkung käme. Beeindruckend ist aber immer wieder, die Menschenmassen zu sehen, die zum Poetry Slam in die Scheune drängen. Sogar an einem Tag eben, wo viele andere Leute mit Kürbisköppen rumrennen. Sicherlich gab´s hier auch mehr zu lachen als bei vielen Halloween-Besäufnissen. Gewonnen hat am Ende Christian Bartel mit einer Wikipedia-Demiurgen-Story vor Scharri und Thomas Jurisch. Das Allerschönste war allerdings, dass diesmal wieder Micha und Stefan moderierten statt des Menschen mit der großen Brille.

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