Klageweiber

Im Lokalteil der LVZ gab es gestern einen großen Artikel von Angelika Raulien zur Ausstellung, welche die Leipziger Gedok-Gruppe der Internationalistin Elsa Brändström widmet. Der größere Teil des ziemlich umfangreichen Textes widmet sich aber nicht dem eigentlichen Projekt, sondern dem Fakt, dass angeblich das Kulturamt keine Förderung gewährt habe. Zunächst: Der Brief mit der Anlehnung des Antrages mag zwar vom Kulturamt gekommen sein, doch sollten die Künstlerinnen und Kuratorinnen zumindest wissen, dass der Kulturausschuss des Stadtrates die Beschlüsse fasst. Diesem vorgeschaltet ist ein beratender Ausschuss, dem ich in den letzten beiden Jahren angehörte. Ich habe die Unterlagen nicht aufgehoben, kann mich aber erinnern, dass ich dem Gedok-Antrag auch skeptisch gegenüberstand. Aus formalen Gründen. Unter anderem weil der Ausstellungsteil in Bonn die meisten Kosten verursacht, aber die Stadt Bonn oder NRW überhaupt nichts beitragen sollen.
Im Artikel wird das nun aber so gedreht, dass man „in der Amtsstube“ eben Kunst von Frauen nicht fördern wolle. So ein Quatsch. Dem empfehlenden Beirat gehörten übrigens mehr Frauen als Männer an. Hier wird nun aber kein Klischee ausgelassen. Generell seinen Frauen eben im Kunstbetrieb unterrepräsentiert und würden weniger verdienen (stimmt teilweise), würden bei Preisvergaben kaum berücksichtigt. Und wenn doch, dann fiele das Preisgeld angeblich um ein Drittel geringer aus. Das ist nun eine abenteuerliche Behauptung.
Vielleicht ist so ein geschlechtsspezifisch orientierter Verein generell überflüssig geworden? Mir ist jedenfalls kein Leipziger Kunstverein bekannt, der ausschließlich Männer aufnimmt. Frauen sind überall erwünscht und präsent. Und dort können sie sicherlich auch mehr für eine Gleichstellung erreichen. Außerdem sollten sich die Gedok-Frauen besser mit den Förderrichtlinien und -mechanismen beschäftigen, statt sich in der Opferrolle einzurichten.

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Ein Ranking

Der blaue Obernarzisst Felix Menzel hat in seinem Online-Journal vor paar Wochen die Serie Aus dem Tal der Ahnungslosen begonnen, um plumpe Sprüche aus dem Abreißkalender der Reaktionären zu verbreiten und sich bei diesem Anlass über seine politischen Gegner zu mokieren. Langsam scheint ihm der Stoff auszugehen. In der bislang letzten Folge schreibt er über die Die dümmsten Linken der Welt. Auf Platz 3 stehen dabei Anhänger von Öko-Sex gemäß eines Artikels der Huffington Post. Nun ja, intelligent erscheint das nicht. Aber was hat so eine esoterische Marotte mit Linken zu tun? Obwohl Menzels Kumpan Kubitschek nur Möhren von Beeten verspeist, auf die er selbst gekackt hat, ist wohl für Menzel das Stichwort Öko automatisch mit links verknüpft.

Beim Erstplatzierten Andreas Speit muss ich Menzel ausnahmsweise recht geben. Dass Andreas Speit das Buch Finis Germaniae in die Bestsellerlisten lanciert hat, ist wirklich bescheuert. Aber auch hier die Frage: Inwiefern ist Speit ein Linker? Das passt ausschließlich zur Logik der Rechtsradikalen, dass alle nicht zu ihnen Gehörenden inklusive CDU/CSU und FDP eben Linke sind.

Schwieriger wird es beim zweiten Platz. Er geht an die Freunde des bedingungslosen Grundeinkommens, z.B. an die Linken-Vorsitzende Katja Kipping, die den „Zwang zur Arbeit“ auf Twitter anprangert. Dass das BGE auch von Leuten befürwortet wird, die keinesfalls im Verdacht stehen, links zu sein (außer in oben genannter Definition der Rechtsradikalen), hat Menzel wohl noch nicht gemerkt. Pikant ist aber, dass er sich selbst als Wachstumskritiker definiert. Dass eben jener Zwang zur Arbeit genau ein Grundpfeiler der idiotischen Überproduktion infolge des Wachstumsfetisches ist, kann er nicht realisieren. Darin zeigt sich wieder einmal, dass Kapitalismuskritik trotz mancher Floskeln nicht Sache der Rechten ist, da sie Kapitalismus auf die Entgleisungen der Finanzmärkte reduzieren, ohne das eigentliche Wesen dieser Wirtschaftsform zu begreifen.

Deswegen würde ich nun Felix Menzel nicht gleich zu den dümmsten Rechten der Welt zählen. Abgesehen von den Tausenden Dumpfbacken, die Pegida und AfD hinterherlaufen, gibt es auch in seinem eigentlichen Stall, den sich elitär wähnenden sogenannten Neuen Rechten, etliche Leute, denen ganz offensichtlich weit mehr an Intellekt mangelt. Einer davon ist Jürgen Elsässer. Früher dachte ich mal, dass es bei Compact so sei wie bei der Bild-Zeitung: Die Leser sind zwar Primitivlinge, die Macher aber zynische Intellektuelle, denen die Verarschung Spaß bereitet. Im Fall Elsässer ist das wohl anders. Er ist selbst geistig unterbelichtet. Sein vertiefter Antiamerikanismus war es wohl einst, der ihn von Linksaußen ohne Umwege nach Rechtsaußen getrieben hat. Seine Äußerungen zu Trump und Amerika der letzten Wochen aber strotzen nur so vor ungewollter Ironie. Hat er sich zunächst über den Wahlerfolg des rechten Vollpfostens gefreut, kam mit dem Raketenangriff auf Syrien der Sündenfall. Nur kurz danach schrieb er einen offenen Brief an Kamerad Trump, bot ihm wieder die unverbrüchliche Freundschaft an. Tage später verkündet er den Widerstand gegen den US-Imperialismus (Trump hat wohl abgelehnt, mit ihm in die Kiste zu hüpfen). Nach der jüngsten Wahlschlappe der Demokraten freut er sich erneut für seinen transatlantischen Mitstreiter im (Un-)geiste. Stupid! Weiterlesen

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One Party ´s Over

Endlich wieder mal ein Konzertbesuch, wo ich mich nicht wie beim Rentnertanz fühle, sondern eher zu ältesten Gruppierung der Besucher gehöre. Im ausverkauften Täubchenthal haben gestern The Kills das im vorigen Jahr ausgefallene Konzert nachgeholt. Die Vorband namens Husky Loops muss noch ein bisschen üben, bevor aus dem Brei ein (wieder-)erkennbarer Sound wird. Kann ja noch werden.

The Kills haben diese Phase lange hinter sich oder hatten sie nie. So intensiv habe ich mich mit ihrer Geschichte nicht beschäftigt. Es muss ungefähr zehn Jahre her sein – ich habe noch bei Radio T ab und zu Sendungen gefahren – als mir eine Promo-CD in die Hände kam. Eine liebe Person hat mir dann zu Weihnachten das Album Midnight Boom geschenkt. Von denen die ich kenne, ist es für mich immer noch das beste. Jedenfalls bin ich seitdem Anhänger dieses britsch-amerikanischen Duos. Zum Konzert hatten sie noch zwei Musiker mit an Schlagzeug und Bass/Keyboard, die leider nicht vorgestellt wurden (Buuuuh!). Weiterlesen

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Gottes Charakterschwäche

Hammoudi ist ein junger Arzt mit besten Karrierechancen in Paris, wo er mit der schönen Jüdin Claire zusammen lebt. Für die Verlängerung seines Passes muss er nach Damaskus reisen, eigentlich eine Formsache.
Amal ist eine Schauspielstudentin mit guten Aussichten, ein Star zu werden. Doch sie engagiert sich in den Protesten gegen den Diktator Baschar al Assad. Hammoudi, der keinen neuen Pass bekommt, ebenso. Die dramatischen Schickale der beiden Hauptfiguren in Olga Grjasnowas neuen Roman “Gott ist nicht schüchtern”, die sich nur zweimal kurz begegnen, nehmen ihren Lauf. Weiterlesen

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Anstößiger Verlierer

Die Liste der Verlierer jenes Moderne zu nennenden Prozesses ist lang. Der gesamte Adel gehört dazu, auch wenn er noch heute oder heute wieder beachtliche Einschaltquoten bei Vermählungen, Krönungen, Begräbnissen, Tunnelfahrten und sonstigen wichtigen Ereignissen erzielt. Das Handwerk, einst treibende Kraft, gehört dazu. Die Flora und Fauna dieser Welt hingegen ist ganz unschuldig in die Charts der Loser gekommen, kann dort heute aber einen Spitzenplatz behaupten.

Auch ganz weit vorn liegt die Kirche, nicht nur die katholische. Die Ironie dabei ist, dass Faktoren, die für die Entstehung der Moderne alles andere als nebensächlich sind, von ihr selbst ausgingen. Weiterlesen

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Der Knoten des 13. Jahrhunderts

Das Mittelalter erscheint auch heute noch, Jahrhunderte nach Erfindung dieses pejorativen Ausdrucks, für viele wie ein kompakter, dunkelschwarzer Klumpen, der sich zwischen die überschaubare, da nach wie vor andauernde Neuzeit und die zwar sagenumwobene, aber alles in allem glorreiche Antike geschoben hat. Abgesehen davon, dass dieser angeblich welthistorische Einschub nur aus (west-)europäischer Perspektive überhaupt verständlich wird, muss man doch diese angeblich ein volles Jahrtausend andauernde Düsternis nach heutigem Erkenntnisstand für einen PR-Gag der nachfolgenden Generationen halten, die sich als die großen Erlöser ansahen. Weiterlesen

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Rechtes Geningel

Bei den deutschen Rechtsauslegern herrscht gerade zumindest Katerstimmung, wenn nicht gar  Panik, wo vor wenigen Monaten noch euphorische Siegeszuversicht dominierte. Was ist bloß passiert? Ok, in Österreich hat im dritten Anlauf den unwichtigen Posten des Präsidenten ein Grüner gegen einen “Freiheitlichen” gewonnen. Und Wilders hat in den Niederlanden weniger Stimmen geholt als erwartet, aber dennoch hinzugewonnen. Ja, auch die AFD zerfleischt sich gerade, aber doch mit guten Chancen auf einen Sieg des radikalen Flügels um Höcke.

Schlimmer wirkt sich auf das Wohlbefinden der deutschen Rechten das Verhalten ihres vor kurzem noch als Idol bejubelten US-Präsidenten aus. Noch vorige Woche krittelte in der Blauen Narzisse Robin Classen, Trump mache handwerkliche Fehler. Als wichtigeren Faktor für seine Erfolglosigkeit sah er aber noch den Widerstand aller möglicher Linker bis in die GOP hinein. Seit vorigen Donnerstag aber steht fest: Trump ist der Falsche! Weiterlesen

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Russland verstehen, anderes weniger

Den Untertitel muss man gewichtiger nehmen als die eigentliche Überschrift Russland verstehen des Buches von Gabriele Krone-Schmalz. Da steht: Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens. Folglich ist es keine Anleitung zum Verständnis der russischen Innen- wie Außenpolitik. Es geht wirklich nur um die Ereignisse in der Ukraine seit 2014 nebst Einlassungen zur Vorgeschichte. Die langjährige Russland-Korrespondentin der ARD kennt das ehemalige Sowjetreich gut und hat offenbar dabei auch eine echte Sympathie für das riesige Land und seine Bewohner entwickelt.

Das 2015 in erster Auflage erschienene Buch hat einen klar aufklärerischen Anspruch, der da lautet: Die westlichen Medien, auch die großen, GEZ-finanzierten, zeichnen ein verzerrtes Bild der Ukraine-Krise. Nun aber kommt Gabriele Krone-Schmalz und rückt das zurecht. Vor allem im einführenden Kapitel wird sie nicht müde zu betonen, wie wichtig es für Journalisten sei, die Wortwahl immer wieder zu durchdenken und die Herkunft von Nachrichten und ihre Glaubwürdigkeit zu überprüfen. Gut. Leider unterlaufen ihr in dieser Hinsicht selbst etliche Fehler. Gerade wenn man solch einen Anspruch hat, sollten Autorin wie auch Lektoren des Verlages besonders penibel arbeiten. Weiterlesen

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Continuum

2013-continuum

David O`Kane, ‚Continuum‘, jede Tafel 160 x 200 cm, Öl auf Leinwand, 2013, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

Ein rechteckiges Fenster ohne Rahmen. Das nächste. Noch eins. Und so weiter. Wie ein Schienenstrang ratternd. Hochsitzend über der nackten grauen Wand. Wir sind in eine Lagerhalle geraten. Die hier gestapelten Güter sind Ideen. Unbezahlbar.

Zentral ein Tisch. Oder so. Beine sind verzichtbar. Hat Leonardos Abendmahltisch etwa Beine? Die Platte glänzt wie polierter Stahl. Oder wie ein See ganz früh am Morgen, vor dem ersten Windhauch. Zeit für ein Spiel.

Das ist keine Lagerhalle. Es ist eine Bühne, sieht man doch. David O´Kanes Arbeiten sind immer Bühnen. Die Stücke, die hier gespielt werden, hat er in einem Dubliner Antiquariat gekauft. Mehrere Vorbesitzer haben Änderungen im Text vorgenommen. Auch er arbeitet mit dem Bleistift an den Manuskripten. O´Kane ist ein Spieler.

Zwei Hauptdarsteller haben die Szene betreten. Zwei steht für Harmonie, für Balance. Die blonden Jungen sind Brüder, aber keine Zwillinge. Einer größer, der andere kleiner.

Das Böse ist gerade, die Wahrheit ist eine ungerade Zahl, und der Tod ist ein Punkt. Schreibt Flann O´Brien. Ooops, das tut weh. Weiterlesen

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„Ich möchte alles hochfahren!“

In der LVZ ist in den Abdruck meines Interviews mit Thomas Locher, dem designierten neuen Rektor der HGB meine Einlassung nach der dritten Frage so abgedruckt worden, als wäre sie Teil der Antwort. Darum hier noch einmal das Interview in Originalform.


Anfang Februar wurde Thomas Locher als neuer Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig gewählt. Die Führung der Akademie wird seit fast einem Jahr kommissarisch ausgeführt. Locher, Jahrgang 1956, ist bekannt als Konzeptkünstler, eine Arbeit von ihm ist im Pressezentrum der Messe Leipzig zu sehen. Er lebt und arbeitet gegenwärtig in Berlin. 
Kunstpalais Erlangen Ausstellungseröffnung Thomas Lochner 5. Juli 2012

Kunstpalais Erlangen Ausstellungseröffnung Thomas Lochner 5. Juli 2012, Foto: Erich Malter


Was hat Sie als aktiven Künstler daran gereizt, solch eine Aufgabe zu übernehmen, die mit viel Verwaltungsarbeit verbunden ist?
Viele Kollegen haben mich gefragt, wieso ich das Amt des Rektors anstrebe. Es ist für mich kein Positionsonswechsel, eine Kunsthochschule zu leiten. Das haben Künstler schon über Jahrhunderte gemacht. Ich will weiterhin die Entwicklung junger Künstlerinnen und Künstler begleiten, ihre Methodenfindung unterstützen. Es ist sicher eine intensive Aufgabe, aber man ist nicht allein, hat ein Team, hat Prorektoren, es gibt Gremien und Ausschüsse.
Mich reizt auch, darüber nachzudenken, was eigentlich Schule ist. Damit habe ich mich schon in den letzten Jahren aus dem Lehrverhältnis heraus beschäftigt. Was ist Lehre? Und wie muß sie in der Zukunft aussehen? Schule ist ein Thema, weil die gegebenen Bedingungen für künstlerische Praxen nicht so einfach sind. Daher liegt ein starker Fokus auf der Ausbildung, die noch der einzige glückliche Raum innerhalb des Kunstfeldes zu sein scheint. Allerdings sind Kunsthochschulen auch ganz konventionell Institutionen und Teil dieses Feldes der Kunst. Trotzdem gibt es ein Moment des Unvorhersehbaren und des Experimentellen, der ein Versprechen auf Zukunft darstellt.

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